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INTERNATIONAL/014: Osttimor - Ethnische Sprachenvielfalt in der Grundschule (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. März 2012

Osttimor: Ethnische Sprachenvielfalt in der Grundschule - Kritiker befürchten Spaltung

von Grit Porsch



Berlin, 30. März (IPS) - Im multiethnischen Osttimor sorgt ein bildungspolitisches Reformvorhaben für heftige Kontroversen. Zivile Gruppen und Bildungsexperten sowie Teile der Regierung kritisieren den Plan, indigene Grundschulkinder, die die Amtssprachen Portugiesisch und Tetum nicht verstehen, zunächst in ihrer Muttersprache zu unterrichten. In Osttimor werden Dutzende Sprachen gesprochen.

Die Weltkulturorganisation UNESCO unterstützt das Programm, von dem sie sich ein harmonischeres Miteinander der eine Million Osttimorer erhofft. Im April wird das Pilotprojekt an zwölf Schulen eingeführt. Befürworter verweisen auf bessere Integrationschancen für Kinder, in deren Familien ausschließlich traditionelle Sprachen gesprochen werden. Dagegen befürchten Kritiker einen Zerfall der nationalen Einheit des kleinen südostasiatischen Landes, das erst seit knapp zehn Jahren unabhängig ist.

Der jüngste UN-Index über menschliche Entwicklung stellt fest, dass in Osttimor jeder fünfte Erstklässler das Schuljahr wiederholen muss. "In vielen Gemeinden sind weder Tetum noch Portugiesisch die erste Sprache. Deren Kindern wird der Zugang zu neuem Wissen versperrt" sagte Kirsty Sword-Gusmão dem UN-Informationsdienst IRIN. Die in Australien geborene Sozialarbeiterin leitet in Osttimor das UNESCO-Büro.

Portugiesisch galt in Osttimor während der brutalen 24-jährigen Okkupation durch Indonesien, die einem Viertel der Bevölkerung das Leben kostete, als die Sprache des Widerstands. Dennoch wird sie bis heute nur von Teilen der Bevölkerung gesprochen. Nach der Unabhängigkeit machten die politischen Führer Portugiesisch und das austronesische Tetum zu den Amts- und Unterrichtssprachen.


"Ich habe einfach abgeschaltet"

Doch bis heute haben viele Schüler Schwierigkeiten, dem Unterricht in Portugiesisch zu folgen. "Ich habe einfach abgeschaltet, wenn der Lehrer Portugiesisch sprach", berichtete der 18-jährige Oberschüler Bonafacio Barros aus der Hauptstadt Dili.

Präsident José Ramos-Horta steht der Reform kritisch gegenüber und betonte: "Wir bemühen uns mit aller Kraft um die Einheit des Landes, in dem die Menschen sich vor allem als Osttimorer fühlen."

"Uns geht es darum, die Nation zusammenzuhalten, indem wir die verschiedenen Sprachen und Kulturen berücksichtigen", erklärte Agostinho Caet aus dem Schulministerium. "Andernfalls könnten uns Angehörige verschiedener Ethnien vorwerfen, dass wir ihre Sprache vergessen. Und dann würde der nächste Konflikt nicht lange auf sich warten lassen." (Ende/IPS/mp/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2012