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BUCHBESPRECHUNG/156: Byung-Chul Han, Lob der Erde - Eine Reise in den Garten (Sachbuch) (Klaus Ludwig Helf)


Byung-Chul Han
Lob der Erde - Eine Reise in den Garten

Klaus Ludwig Helf, August 2018


Der umtriebige und streitbare Kulturphilosoph Byung-Chul Han hat jetzt seinen vielen Publikationen ein Gartentagebuch hinzugefügt. Der Auslöser für das Gärtnern sei eine tiefe Sehnsucht gewesen, der Erde nahe zu sein. So habe er den Entschluss gefasst, tagtäglich drei Jahre lang zu gärtnern in seinem Berliner Garten, den er Bi-Won (koreanisch: Geheimer Garten) nennt. Von dort träume er von der »kommenden Erde«, dem Garten Eden. Die Gartenarbeit als stille Meditation habe ihn wieder fromm gemacht: "Sie ließ die Zeit weilen und duften. Je länger ich im Garten arbeitete, desto mehr Respekt bekam ich vor der Erde, von ihrer betörenden Schönheit. Inzwischen bin ich tief davon überzeugt, dass die Erde eine göttliche Schöpfung ist" (S. 9). Je länger er dort verweilt, desto mehr Respekt bekommt er vor der Schönheit der Erde. Er erfährt, was Fürsorge bedeutet und dass der Garten, ja jede Pflanze ein eigenes Zeitbewusstsein hat. Er lernt wieder, über die Erde zu staunen, über ihre Fremdheit, über ihre Einmaligkeit. Hans Philosophie des Gartens ist ein Liebesbekenntnis an die Erde und die Natur und ein Aufruf an die Menschheit, sie zu schonen: "Die Erde ist kein totes, lebloses, stummes Wesen, sondern ein beredtes Wesen, ein lebendiger Organismus. Selbst der Stein lebt ... Die Erde als eine geheimnisvolle Schale ist zerbrechlich" (S. 10).

Byung-Chul Han (* 1959) studierte Metallurgie in Seoul, dann Philosophie, Deutsche Literatur und katholische Theologie in Freiburg (Breisgau) und promovierte über ein Heidegger-Thema. Er ist Autor und Essayist sowie seit 2012 Professor für Philosophie und Kulturwissenschaft an der Universität der Künste Berlin. Er veröffentlichte, zahlreiche Bücher darunter über "Heideggers Herz", "Hegel und die Macht", über Neoliberalismus, Müdigkeitsgesellschaft, Psychopolitik und über die Digitalisierung.

Der vorliegende Band hat zwei etwa gleich große Teile. Während im ersten Teil monothematisch räsoniert wird, ist der zweite Teil in Form eines Tagebuchs geschrieben (31. Juli 2016 bis 20. November 2017). Isabella Gresser hat bezaubernde, feingliedrige Schwarz-Weiß-Porträts der beschriebenen Pflanzen angefertigt. Han verfällt in diesem Band mit »Hymnen und Lobgesängen« bodenlos der Erde und der Natur als romantische Gegenwelt zur kalten digitalisierten Welt. Seine botanischen Erfahrungen und Erkenntnisse, die er beim Gärtnern gewinnt, verwebt er mit naturphilosophischen Texten, Gedichten und Liedern u.a.von Hiob, Platon, Kant, Heidegger, Hölderlin, Rilke, Scheler oder Barthes. Wer Byung-Chul Hans Leidenschaft für den Schutz der Erde und seine Sehnsucht nach der »blauen Blume« der Romantik teilt, wird hier sicher anregende und schwärmeriche Momente und meditative Wege finden. Wer aber tiefgründige, kraftvolle und zukunftsorientierte Ideen und Anregungen sucht, wird mit diesem Band sicher enttäuscht werden. Die Aneinanderreihung von Banalitäten und Sentimentalitäten ohne Tiefgang (der Garten als »Ort der Erlösung«) ist eher der Bericht über therapeutische Selbsterfahrungen des Autors als ein Beitrag zu einer fundierten Kulturphilosohie des Gartens.

Byung-Chul Han
Lob der Erde - Eine Reise in den Garten
Ullstein Verlag Berlin 2018
mit 24 Illustrationen von Isabella Gresser
160 Seiten
24 EURO

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Quelle:
© 2018 by Klaus Ludwig Helf
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2018

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