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REZENSION/062: Steve Perry - MIB · Men in Black (Science Fiction) (SB)


Steve Perry


MIB · Men in Black

"Sie schützen die Erde vor dem Abschaum des Universums"

- Aber wer schützt den Leser vor diesem Buch?


Wenn man früher zu einem Buch griff, das nachträglich verfilmt wurde, so wurde man regelmäßig angenehm überrascht: das Buch war in der Regel sehr viel tiefgründiger, die Charaktere weniger klischeehaft, die Handlung komplexer, die Beschreibungen lebendiger und die Abenteuer spannungsgeladener als die cineastische Verarbeitung. Hinzu kamen oftmals Schilderungen der Empfindungen und Reflektionen einer Person, die filmisch bestenfalls in sehr eingeschränktem Maße wiedergegeben werden konnten.

Wenn man hingegen heute zu einem Buch greift, zu dem es auch einen Film gibt, dann handelt es sich in der Regel um das genaue Gegenteil dessen: das Buch wurde nach dem Film veröffentlicht und erfüllt all die oben genannten unersetzlichen Vorzüge des Geschriebenen nicht. "MIB. Men in Black" ist ein solches Buch, das erst auf den Markt geworfen wurde, nachdem, beziehungsweise während der Film mit durchschlagendem Erfolg in den Kinos lief. Steve Perry hat es nach dem Drehbuch von Ed Solomon geschrieben, was offensichtlich nichts anderes bedeutet, als daß er die Dialoge der Protagonisten mit Überleitungssätzen gefüllt hat, so daß der vage Eindruck entsteht, es könnte sich später vielleicht einmal eine Handlung entfalten.

Der Begriff "Eindruck" ist durchaus eine treffende Umschreibung für die Machart, denn es geht um nichts anderes als um die Anregung bestimmter Erinnerungen an den Film, an die Emotionen, die man vielleicht dabei hatte, das heißt, an welchen Stellen man besonders gelacht hat oder worüber man überrascht war oder das Erstaunen, wie toll die Tricktechnik doch inzwischen geworden ist und so weiter. Wer den Film "Men in Black" nicht gesehen hat, sollte die Finger von dem Buch lassen - es sei denn, er will sein Bücherregal auffüllen, wozu allerdings der Buchrücken genügte -, denn es ist öde. Um jenen berühmten Roboter Marvin zu zitieren: es ist deprimierend öde.

Die Idee, daß die Invasion längst stattgefunden hat und auf der Erde zig Aliens leben und ihre finsteren Machenschaften treiben, hat schon einen langen grauen Bart; das Konzept, menschliche Cops gegen außerirdische Heinis und Schleimis antreten zu lassen, ist ein alter Hut und für einen heutigen Science-fiction nicht zeitgemäß; und daß die Jagd auf extraterrestrische Wesenheiten, die hier ihr Unwesen treiben, hinter dem Rücken der dummen US-Bevölkerung stattfindet, die von alldem keine Ahnung hat und sich allmorgendlich im Stau festfährt und abends glücklich Popcorn in sich hineinstopfend die Lakers gegen die Bulls vor der Flimmerkiste anschaut, kann man auch nicht gerade als geistigen Höhenflug bezeichnen. Und wie sollte man das Ende des Drehbuchs, das die literarische Gattung Roman kolportiert, bezeichnen? Denn es war alles nur ein Traum ...

Die Drehbuchvorlage zu diesem Roman ist tatsächlich unverkennbar. Die Kapitel sind kurz und geben jeweils nur eine Szenenfolge wieder, häufig eine Verfolgungsjagd, dann wird ein Schnitt gemacht und die nächste Szene abgespult. So hangelt sich der Leser 250 Seiten lang weiter, unablässig darum bemüht, all die Stellen witzig zu finden, an denen er auch im Film schon gelacht haben mag, oder aber den Witz auf der Basis anderer Komödien, die er gesehen hat, wiederzuentdecken. Das funktioniert auch, da es sich um Versatzstücke handelt, die allenfalls neu zusammengestellt wurden, aber so abgegriffen sind, daß sie überall passen. Die Cops sind cool und tragen als Ausdruck ihrer Coolness ständig schwarze Sonnenbrillen; die Autos röhren lautstark und "haben so manchen Trick auf Lager"; und die Außerirdischen spritzen in der Regel furchtbar schleimig in die Gegend, wenn sie erschossen werden. Die Möglichkeiten, die das Genre Science-fiction bietet, reduzieren sich in "MIB" darauf, daß die Cops keine Colts oder .9mm-Automatiken tragen, sondern mit allen (un-)möglichen Schikanen hochgetunten .90mm-Wummen ausgerüstet sind. Und die Verbrecher sind eben keine Crack-Dealer von New Yorks South Bronx, sondern - wie einfallsreich! - Außerirdische von New Yorks South Bronx.

"Roman zum Film" - so lapidar das Buch auf dem Umschlag gekennzeichnet ist, so treffend ist diese Charakterisierung auch. Wer gerne mäßig überarbeitete Drehbücher liest, hat mit "MIB" eine hervorragenden Griff getan. Wer einen Science-fiction- Roman erwartet, wird den Fehler wohl kein zweites Mal machen und ein Produkt kaufen, das im Rahmen einer breit angelegten Merchandising-Kampagne zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt auf den Markt geworfen wurde und anschließend nur noch Brennwert hat - aber immerhin chlorfrei und umweltschonend.

Ein Vergleich des vorliegendes Buches mit anderen, wirklich rasant geschriebenen humorvollen Science-fiction aus der Feder eines Harry Harrison mit seinem Stahlratte-Zyklus oder eines Karl- Heinz Prieß ("Androiden-Jäger"), Robert Asprin oder auch Robert Sheckley würde die genannten Autoren fast beleidigen. Denn wo sie Esprit entwickeln, schwingt Perry den Holzhammer, wo sie ihre Helden in verzwickte Lagen bringen und diese sich nur mit noch verzwickteren Tricks herauswinden, da ziehen die MIBs ihre Schießt-alles-über-den-Haufen-Prügel und machen sich den Weg frei. Natürlich müssen auch die Helden bluten, aber am Ende siegt der Mensch, und dem kann es anscheinend zum Ende eines jeden Films nicht schnell genug gehen, sich der Hoffnung auf eine funktionierende Zweierbeziehung zu überantworten.


Steve Perry
MIB. Men in Black
1997 im Goldmann Verlag erschienen
12,00 DM