Schattenblick →INFOPOOL →BUCH → SACHBUCH

REZENSION/015: Eric Maple - Hexensabbat (Magie) (SB)


Eric Maple


Hexensabbat

Schwarze Kunst und Zauberei im Spiegel der Jahrtausende



Das Buch erschien 1978 in der Rheingauer Verlagsgesellschaft in Etville am Rhein. Zuerst veröffentlicht 1973 bei Octopus Books Limited, London. Satz und Druck in Hongkong.


Betrachten wir erst einmal den Einband des 144 Seiten starken Hochglanzprodukts: blutroter Titel auf schwarzem Hintergrund. Blickfang im unteren Drittel - ein Totenschädel. Daneben eine rote Rose, prachtvoll erblüht. Zusammen mit einer Kerze und einem Messingkelch befindet sich das Ganze mitten in einem Kreidekreis, der mit den Tierkreiszeichen versehen ist. Nicht zu vergessen: die drei Tarotkarten im Vordergrund und die schwarze Katze im Hintergrund. - Alles in allem also die typischen Symbole der sogenannten schwarzen Kunst.


Wenn man sich von dem klischeehaften Einband nicht abschrecken läßt und einen Blick in das Innere des Buches wagt, wird man in einem Punkt nicht enttäuscht: es gibt eine reiche Bildauswahl klassischer Art. Mittelalterliche Holzschnitte, auf denen Hexen zum Teufelsfest fliegen oder in der Umarmung mit krallenfüßigen Dämonen liegen. Hexen beim Sabbat, Hexen auf der Folterbank. Geöffnete Gräber, Voodoo-Puppen und nackte Hohepriesterinnen des Wicca-Kultes - alles in Farbe und auf Hochglanz.

Man mag dem Autor des Buches verzeihen, daß die Bilder vorrangig nach ihrem Gruseleffekt oder ihrer scheinbar stimulierenden Wirkung ausgewählt wurden. Beachtet man die Zeit, in der das Buch erschienen ist, so ist klar, daß im Kielwasser der freizügigen 68er Generation eine Menge geboten werden mußte, um das Publikum noch zu fesseln. Darum hat sich der Autor ganz offenbar bemüht.


Abgesehen von einigen historischen Fakten, wird die Geschichte der Hexen in der Hauptsache durch Folter und Verfolgung zu Zeiten der Inquisition beschrieben. Viele Fallbeispiele werden zitiert, was in einem anderen Kontext sicherlich aufschlußreich wie ergreifend gewesen wäre. Doch in diesem Buch reiht sich ein Bericht an den nächsten, lediglich mit wechselndem geographischen Hintergrund.

Ein überaus kurzes Kapitel mit einem Abstecher in einige fremde Kulturen hinterläßt den Eindruck, daß die europäische schwarze Kunst diejenige wäre, die den eigentlichen Kern der Zauberei bildet. Zwar gesteht der Autor zu, daß sich die Methoden der Magie wohl aus den Techniken der "Primitiven" entwickelt hätten, doch dringt stets eine Häme durch, die sowohl die sogenannten Primitiven als auch die Magie selbst geringschätzt. Es ist zu bedauern, daß der Autor derart viel Mühe beim Zusammentragen von Bild- und Quellenmaterialien investierte, selbst aber kaum in die eigentliche Materie einstieg. Dadurch entsteht nicht nur ein inhaltlich flaches Produkt, sondern auch eine Aneinanderreihung von schablonenhaften Aussagen über die Magie, die sie beinahe schlimmer herabwürdigen als die mittelalterlichen Verfolger. Jene sprachen den Hexen zumindestens außergewöhnliche Fähigkeiten zu. Der Autor aber ist der Ansicht, es handele sich bei den "echten" Hexen lediglich um "seit alten Zeiten beim einfachen Volk in hohem Ansehen stehende kräuterkundige, sogenannte "weise Frauen", die vor allem bei Krankheiten und Geburten, (...) aufgesucht wurden."

Man mag diese Ansicht vertreten, doch sollte man dann auch den Versuch unterlassen, das Tun der damaligen Hexen zu erklären. Aber der Autor gestattet dem Verfasser des Vorworts einen kuriosen Begründungszusammenhang, den er selbst wahrscheinlich deshalb als fundiert erachtet, weil synkretistisch Fragmente einiger Geisteswissenschaften durcheinandergewürfelt werden. Da "erweisen sich viele der verteufelten Techniken und Methoden als wichtige Teile eines abendländischen Meditations-Systems, das (...) nie seine Bedeutung für die Menschen verloren hat, die Antwort auf die drei Fragen suchten: woher komme ich, wer bin ich, wohin gehe ich?"

Erst einmal erscheint es in einem merkwürdigen Licht, wenn der Autor die Interpretationsbemühungen der vergleichenden Religionsforschung heranzieht, um die Hexenkunst zu beschreiben. Sah sich die christliche Religion (sowie die wissenschaftliche Forschung) doch seit alters her als ausgesprochener Gegner der Hexen.

Zum anderen: Hexentechniken als Teile eines Meditations- Systems zu bezeichnen zeugt schon von sachlicher Unkenntnis. Wie könnte sonst Meditation, die letztlich eine sinnende Betrachtung darstellt oder in religiösen Systemen bestenfalls als Innenerfahrung bewertet wird, mit Techniken verwechselt werden, durch die Hexen tatsächliche Effekte hervorbrachten?

Es mag auch angehen, daß sich so manch einer die drei Fragen nach dem Woher, Wer und Wohin der eigenen Person gestellt hat, doch weiß der unermüdlich Fragende auch, daß das philosophische wie auch das esoterisch magische Umfeld schnell abgeklopft sind und - wenn überhaupt - nur äußerst unzureichende Hilfestellungen bei der Beantwortung dieser Fragen liefern. Zumal: Bedarf eine Hexe dieser Fragen für die Entwicklung ihrer "Künste" überhaupt?

Die Interpretationen des Autors liegen auf derselben Linie, auf der er sich geradezu als Kontrahent der Hexenkunst entlarvt, wenn er im weiteren Verlauf des abrißartig zusammengesetzten Werkes seine Ansicht kundtut: "Alle Magie, ob schwarz oder weiß, existiert nur in der Einbildung.".

Jeder kann sich eine Meinung bilden. Doch wenn man ein Buch schreibt in dem Bemühen, die Hexen von der Anschuldigung reinzuwaschen, dem "erklärten Erzfeind des christlichen Gottes, dem Teufel, Leib und Seele zu überantworten, mit ihm und seinen dämonischen Dienern beim Sabbat zu buhlen, ihm zu Ehren neugeborene Kinder zu schlachten und Hostien zu schänden (...)", dann sollte man sich auch nicht in abfälliger Art und Weise über Magie und Hexen äußern. Da heißt es zum Beispiel: "Tatsächlich ist trotz seines ganzen melodramatischen Tingeltangels der Satanismus eine völlig negative Religion (...)" und "(...) die letzte Hexe der Britischen Inseln ins Grab gebracht zu haben, Bridget Cleary, die in Clonmel im Jahre 1894 auf einem Küchenfeuer geröstet wurde."

Ganz fraglos waren es auch damals schon grausame Zeiten, in denen Verfolgte gefoltert und getötet wurden, doch dem Autor gelingt es nicht, echtes Mitgefühl auszudrücken. Man wird beim Lesen das Gefühl nicht los, daß sich der Autor an den ausführlichst und zum Teil leicht hämisch beschriebenen Folterszenen weidet:

Es gab buchstäblich keine Grenzen für die Experimente eines Berufsfolterers. Er konnte z.B. einen geschlagenen, jedoch zuvor hartnäckigen Gefangenen damit entschädigen, daß er zum Abschluß seine Zunge herausriß.

Der erst in den 50er Jahren entstandene Hexenkult Wicca wird vom Autor eindeutig bevorzugt dargestellt. Als "Neue Welle" widmet er ihm das an Seitenzahl zweitstärkste Kapitel des Buches, das allerdings zum größten Teil aus Fotografien nackter Hohepriesterinnen besteht, die selbstverständlich nur deshalb nahezu unbekleidet sind, um "aus ihrem eigenen Körper Kraft zu ziehen".

Im Gegensatz dazu werden die Bräuche aus früheren Jahrtausenden nur äußerst knapp, manchmal sogar nur in einer Bildunterschrift abgehandelt. Die Darstellung erschöpft sich hauptsächlich in spaltenweisen Abhandlungen über ägyptische Amulette, griechische Zaubersprüche und römische Verzauberungen und Aphrodisiaka.

Dem Anspruch, den der Untertitel "Schwarze Kunst und Zauberei im Spiegel der Jahrtausende" vertritt, wird das Buch also nur insofern gerecht, als daß der `Spiegel der Jahrtausende' Menschen abbildet, die die Hexen in jeder nur denkbaren Form verkannt, verfolgt oder getötet haben.

Dabei liefert der Autor selbst das modernste Beispiel. Mit seiner zeitgemäßen Auffassung, daß mit den Hexen die "weisen Frauen" des Mittelalters nahezu ausgerottet wurden und daß weder Magie, Zauberei oder mystische Wesen, sondern lediglich ein weitverbreiteter Aberglaube und alte Schauergeschichten existierten, reiht er sich ein in die Zuschauerriege, die sich aufgeklärt gibt, sich aber trotzdem von einem kleinen gruseligen Schauer unterhalten läßt.


Das ganze Buch ist sehr wahrscheinlich ein Schnellprodukt, das einen Trend für sich ausnutzen wollte. Die vielen grammatikalischen Fehler kann man dem englischsprachigen Autor, der in dem Hongkonger Druckbetrieb offenbar keinen Lektor für die deutsche Ausgabe auftreiben konnte, nicht anlasten, wohl aber seine persönliche Stellungnahme, die sich durch Häme und Überheblichkeit, aber auch durch eine wilde Mischung verschiedenster psychologisch und esoterisch gefärbter Ansichten charakterisieren läßt.

Zu empfehlen ist das Buch nur demjenigen, der Gefallen findet an mittelalterlichen Drucken, die sich mit der Darstellung althergebrachter Hexenklischees befassen.


Eric Maple
Hexensabbat
Schwarze Kunst und Zauberei im Spiegel der Jahrtausende