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REZENSION/026: Meckelburg - Zeittunnel (Spekulativ) (SB)


Ernst Meckelburg


Zeittunnel

Reisen an den Rand der Ewigkeit



Reisen an den Rand der Ewigkeit? Wohl kaum. Bei Meckelburgs Buch bereist man eher die ewige Wiederholung. Was der Autor hier an Anekdoten zusammengetragen hat, findet sich auch in nahezu allen anderen Sammelbüchern zu sogenannten paranormalen Phänomenen. Das begann vor langer Zeit mit der Heftreihe "Esotera" und wird nun von verschiedenen Autoren zum x-ten Male wiederholt. Da unterscheidet sich Meckelburg nur geringfügig beispielsweise von Johannes von Buttlar, sowohl thematisch als auch konzeptionell. Dabei sind die beiden nicht mal die einzigen, die Jahr für Jahr stets denselben aufgekochten Einheitsbrei zwischen zwei Buchdeckel pappen und den Leser als vermeintlich völlig neue Sichtweise von der Welt, Gott und einfach allem vor die Nase setzen.

Meckelburgs "Zeittunnel" ist das Vorläuferwerk zu "Transwelt" (REZENSION/001) und auch "Traumsprung" (REZENSION/021), es hätte aber genausogut später veröffentlicht werden können, denn die Bücher sind weitgehend austauschbar. Diesmal biegt der Autor alle beschriebenen Phänomene auf den Begriff Zeit zurück, komme, was da wolle. Das kennt man ja schon von dem Begriff Transwelt, der auch als absolute Größe unhinterfragt verwendet wurde.

Gleich zu Beginn des Buchs (S. 12) kündigt Meckelburg großspurig "Beweise" für Zeitreisen an. Offenbar setzt er darauf, daß der Leser von den weiteren Geschichten so schläfrig wird, daß er später längst vergessen hat, Meckelburgs Anspruch zu überprüfen. Tatsächlich findet sich nicht ein einziger Beweis für Zeitreisen, sondern nur ein Aneinanderreihen im höchsten Grade spekulativer Interpretationen. Die Methode ist für diese Art von Büchern typisch. Meckelburg pickt sich aus der einschlägigen Literatur immer genau jene Abschnitte in den Büchern heraus, in denen sich die jeweiligen Autoren zu irgendwelchen Spekulationen hingerissen haben. Bei Meckelburg wird daraus dann eine Sammlung. Auf diese Weise, bei der ein Autor von dem anderen abgeschrieben und vielleicht noch ein wenig hinzugefügt hat, setzt sich leider ein großer Teil der esoterischen Literatur zusammen.

Dabei scheut sich Meckelburg auch nicht, entgegen des gegenwärtigen technologischen Stands und entgegen des extrem spekulativen Gehalts von Zeitreisen-Theorien zu behaupten, wenn Zeitreisen grundsätzlich möglich seien, dann doch wohl am ehesten welche, die in die Vergangenheit führten. Da ist er allen ernsthaften Physikern, die keinen Hehl daraus machen, daß es sich um eine Theorie handelt, weit voraus - und die haben ihre Nase ohnehin schon ziemlich weit nach vorn gestreckt, wie unlängst Stephen Hawking mit seiner Behauptung in dem Vorwort zu einem Science-fiction-Buch, demzufolge Zeitreisen möglich sein sollen - theoretisch.

Meckelburg propagiert Wissenschaftlichkeit, möchte sie aber auf eine höhere Ordnung ziehen, damit auch sogenannte "Psi- Phänomene und Zeitanomalien" einbezogen werden können. Doch den eigenen Anspruch auf wissenschaftliche Methodik verläßt er schon bald. So unterscheidet er zunächst zwischen der objektiven und der subjektiven Zeit und meint damit zum einen die Zeitmessung und zum anderen das Zeitempfinden. Beides wird aber in weiteren Verlauf kunterbunt miteinander vermischt, so daß man daraus nur den Schluß ziehen kann, daß diese anfängliche Unterscheidung im Grunde hinfällig ist und nur die Funktion hatte, den Eindruck von Wissenschaftlichkeit zu erzeugen.

Meckelburg schreib auf Seite 13, daß Albert Einstein im Jahre 1905 in seinen Abhandlungen über die Spezielle Relativitätstheorie eine neue Zeitdefinition gefordert hatte. Und weiter: "Danach wäre Zeit nichts Unwiederbringliches, Endgültiges, sondern eher etwas Flexibles." Können Sie, verehrte Leser, den Gegensatz zwischen flexibel und unwiederbringlich erkennen? Wir jedenfalls nicht. Das sind nur Worthülsen ohne Sinn und Zusammenhang. Aber das geht noch weiter, denn daran anschließend schreibt er:

Denn manchmal haben wir das Empfinden, daß sie [Anm. d. Red.: gemeint ist die Zeit] für uns schneller oder gar auch langsamer vergeht, und mitunter kommt es uns vor, als ob sie gar stillstehen würde.

Hier vermischt der Autor seine eigene Unterteilung in objektive und subjektive Zeit, denn Einsteins Relativitätstheorie besagt gerade nicht, daß Zeit eine Empfindung ist, sondern daß sie in Abhängigkeit von anderen physikalischen Größen (Masse) oder Kräften (Gravitation) veränderbar ist. Was welcher Mensch dabei empfindet, wenn er auf die Uhr schaut und sich wundert, daß die Zeit schnell oder langsam vergangen ist, hat damit nichts zu tun. Meckelburg läßt seinen Anspruch, "Wunder" wissenschaftlich zu erklären, auf der Strecke, und von einer Entmystifizierung menschlicher Denkvoraussetzungen kann gar nicht die Rede sein. Statt dessen bringt er eine Fülle von wohlfeilen, aber aussagelosen Ersatzbegriffen. Beispielsweise hat er Gefallen am Hyperraum gefunden, und sobald irgendwelche Leute irgendwo auf der Welt irgendwann einmal etwas nicht erklären konnten, dann hatte das nach Meckelburg mit dem Hyperraum zu tun.

Was der Hyperraum ist, fragen Sie sich? Fragen Sie sich das lieber nicht, denn Meckelburg setzt den Begriff immer dann ein, wenn er etwas nicht erklären kann, aber gern so tun möchte, als sei mit dem Begriff Hyperraum alles gesagt. Sicher, er spricht nicht nur von Hyperraum, sondern auch von Parallel-Universen, anderen Dimensionen und Zeitebenen, geheimnisvollen Bewutseinszuständen, Zeittunneln, und, und, und ... Doch nichts von all dem trägt im geringsten dazu bei, den Menschen vermeintlich paranormale Wirkungen zugänglich zu machen. Im Gegenteil, mit seinen unaufhörlichen Pseudo-Erklärungen versperrt er sich und allen, die seine Ausführungen für plausibel halten, jedweden Zugang zu Wirkungen, die über das herkömmliche Verständnis von Wirklichkeit hinausgehen könnten. Denn wenn es Hellsehen, Telepathie, Teleportation, etc. schon gibt, was Meckelburg allen Ernstes behauptet - Teleportation soll sogar schon unter Laborbedingungen funktioniert haben! -, dann braucht man sich ja nicht mehr darum zu kümmern, dann ist dieses Thema abgeschlossen ... und der Mensch darf weiter nur davon träumen.

Weniger traumhaft als vielmehr boshaft mutet es den Leser an, wenn Meckelburg über die amerikanische Hausfrau Dolores Jay berichtet, daß sie immer dann, wenn sie sich in tiefer Hypnose befände, mit ihrem Bewußtsein in der Zeit zurückreisen könne. Offensichtlich setzt der Autor auf die Gutgläubigkeit seiner Leserschaft, anders ist es nicht zu erklären, daß er Hypnose noch immer als einen veränderten Bewußtseinszustand der Betroffenen beschreibt, wo selbst die maßgeblich mit Hypnose befaßten Forscher dies bestreiten. Für sie ist Hypnose eine Mischung aus Erwartungshaltung und Anpassung, aus Absprache zwischen Hypnotiseur und Hypnostisiertem und im wesentlichen keine allgemein menschliche, das heißt biologische Disposition, sondern eine kulturspezifische. (Als man einmal versucht hat, Menschen zu hypnotisieren, die keine Vorstellung davon hatten, wie sie sich unter Hypnose zu verhalten haben, ist sie auch nicht gelungen. Die Voraussetzungen waren einfach nicht vorhanden.)

Ähnlich haarsträubend sind auch Meckelburgs Behauptungen zur Ursache von Ufo-Sichtungen. Er folgt im wesentlichen Burkhard Heims sechsdimensionaler Quantenfeldtheorie, die zwar einen hochtrabenden Namen hat, die auch eine sehr spezifische mathematische Formelsprache verwendet, deren Interpretation aber nicht minder spekulativ ist als Meckelburgs sonstigen Aussagen.

In der Ufologie gibt es viele Fotos, die so verschommen sind, daß man wirklich nichts darauf erkennen kann. Meckelburg hat nun gerade das sehr zweifelhafte Geschick, sich ausgerechnet die schlechtesten Bilder auszusuchen, die man nur finden kann. In einem seiner Bildteile findet man beispielsweise das Ufo-Foto von James Lucci aus Beaver, USA, das er am 5. August 1965 schoß. Dabei hat man eher den Eindruck, als habe derjenige versehentlich nachts auf den Auslöser gedrückt und die Reflektionen einer Regenpfütze aufgenommen. Auch die beiden anderen Ufo-Fotos, auf denen zu erkennen sein soll, wie Flugkörper, aus einer anderen Dimension kommend, hier mehrfach hintereinander materialisieren und wieder verschwinden, sind im Grunde eine Beleidigung der ganzen Ufologie. Denn selbst so enthusiastische und sehr von der Existenz Außerirdischer überzeugte Ufo-Befürworter wie "Magazin- 2000"-Herausgeber Michael Hesemann sehen in Ufo-Fotos keinerlei Beweiskraft (wenngleich er laufend damit kokettiert). Doch Meckelburg will mit diesen Fotos seine Theorie von einer anderen Zeitebene oder Dimension belegen.

Nach welchen Kriterien der Autor behauptet, daß etwas bewiesen ist oder unter Laborbedingungen stattgefunden hat, ist uns schleierhaft. Wenn er die vielen Taschenspielertricks meint, die er hier präsentiert, dann können wir nur abwinken. Jeder durchschnittliche Bühnenzauberer hat bessere Tricks drauf, als den Lesern als "paraphysikalische Phänomene" verkauft werden soll. Als ein beinahe paraphysikalisch zu bezeichnendes Phänomen könnte man allerdings schon ansehen, daß "Zeittunnel" bereits in der zweiten Auflage vorliegt. Entweder hat Meckelburg seine eigenen Bücher aufgekauft, oder es gibt für diese Art der potenzierten Spekulation tatsächlich eine Nachfrage. Kaum zu glauben, aber anscheinend hat Meckelburg mit "Zeittunnel" wirklich den Zeitgeist getroffen - was sicherlich seine größte Annäherung an den Zeit-Begriff wäre, die man in diesem Buch antreffen kann.

Ernst Meckelburg
Zeittunnel
Reisen an den Rand der Ewigkeit
Langen Müller, München, 2. Aufl., 1991