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REZENSION/183: Wilhelm Langthaler, Werner Pirker - Ami go home (SB)


Wilhelm Langthaler/Werner Pirker


Ami go home

Zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus



Wer ein Buch mit dem Titel "Ami go home" verfaßt, bezieht schon mit dem sichtbarsten Teil seiner Publikation auf eine Weise Position, die in den Mehrheitsmedien bestenfalls als antiquiert gilt und schlimmstenfalls in die Nähe des Terrorismus gerückt wird. Angesichts der Instrumentalisierung dieses vielfältig ausdeutbaren Begriffs als Waffe im Kampf gegen das vom Katechismus marktgebundener Freiheit und regulierter Demokratie Abweichende läuft der bekennende Antiamerikaner heute Gefahr, der Dichotomie des Terrorkriegs zum Opfer zu fallen. Als es aus dem Munde des US-Präsidenten hieß, man könne in diesem Krieg entweder für oder gegen die USA sein, keinesfalls jedoch neutral bleiben, war die Sortierung der Nationen in Mitglieder der "freien Welt" respektive "Neuen Weltordnung" oder eben in "gescheiterte Staaten", "Schurkenstaaten", den Terrorismus duldende oder gar verbreitende Staaten vorprogrammiert.

Die seit dem 11. September 2001 vorgenommene Verabsolutierung eines Phänomens politisch motivierter Gewalttätigkeit zum "Vierten Weltkrieg" geht allein von den USA aus. Indem die Regierung in Washington jedes Land dazu nötigt, in diesem Krieg eindeutig für oder gegen sie Stellung zu beziehen, stellt sie sich in das Zentrum des Weltgeschehens und macht sich zum Maß aller Dinge. Die von der US-Administration konstituierte Weltordnung ist nicht nur unipolar, da keine wichtige Entscheidung auf internationaler Ebene ohne das Plazet Washingtons getroffen werden kann, sie ist auch diktatorisch, da sie die amerikazentrische Ordnung mit räuberischen und kriegerischen Mitteln expansiv durchsetzt.

Aus diesem Grunde könnte die Parole "Ami go home" nicht angebrachter sein, und wenn jemand sich die Mühe macht, "Zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus" zu nennen, dann sollten diese allgemeine Beachtung finden. Die selbst vielen ausgemachten Kritikern der Suprematie Washingtons unverdaulich erscheinende Nutzung des Begriffs "Antiamerikanismus" ist gerade wegen seines ideologischen Charakters sinnvoll. "Wer den Antiamerikanismus denunziert, räumt ein, dass es auch einen Amerikanismus gibt", schlußfolgern die Autoren in ihrem Vorwort und legen damit Einspruch gegen die Karriere des Antiamerikanismus zu einem Totschlagargument vom Gewicht des Antisemitismus ein. Dessen Funktion als apologetische Keule in der Hand der neokolonialistischen israelischen Regierung wie auch einer deutschen Linken, die meint, sich anstelle einer Konfrontation mit den Protagonisten kapitalistischer Herrschaft an angeblich rechtslastigen Antiimperialisten abreagieren zu können, belegt, wie destruktiv die Umwertung aller Werte des politischen Widerstands gegen Ausbeutung und Unterdrückung sein kann.

Der Amerikanismus steht mithin im Mittelpunkt der Analyse, mit der die beiden Autoren das in Washington beheimatete und von dort aus die Welt verfügende politische System zur Gefahr für alle Menschen erklären, die ihr Leben frei von Bevormundung und Ausplünderung führen möchten. Dabei eignet sich das Buch durchaus als einführende Lektüre für all jene, die ihrem Unbehagen an der Arroganz eines George W. Bush bislang kaum oder gar nicht durch eine Untersuchung der politischen Praktiken und Werte, die die US- Gesellschaft bestimmen und die globale Vormachtstellung der USA festigen, auf den Grund gegangen sind.

So handeln die ersten sechs Gründe respektive Kapitel vom repressiven und gewalttätigen Charakter der US-Gesellschaft, vom "Rechtsnihilismus" einer Administration, die sich auf internationalem Feld als Polizist, Richter und Henker in Personalunion gefällt, vom Raubbau an den natürlichen Ressourcen der Welt, die nicht nur im Aberwitz der ungehemmten Wachstumsdoktrin verschleudert, sondern vor allem notleidenden Menschen weggenommen werden, und von der "Diktatur des Dollars", die die "politische Ökonomie des Amerikanismus" als weltweiten Raubzug, dessen zerstörerisches und krisenschwangeres Potential auch bürgerliche Ökonomen nicht mehr ignorieren können, erkennbar macht.

Die folgenden drei Gründe für einen Antiamerikanismus sind Kriegsschauplätzen gewidmet, auf denen die von George Bush sr. 1991 ausgerufene Neue Weltordnung ihre größten Siege errungen hat. Hier kann auch der überdurchschnittlich an politischen Entwicklungen interessierte Leser einiges in Erfahrung bringen, das in dieser Eindeutigkeit nur selten beim Namen genannt wird. So führen die Autoren im Kapitel "Intervention in Rußland" aus, wie der Zerfall der Sowjetunion in Gestalt einer antizivilisatorischen Kampagne erfolgte, die sowohl von staatstragenden Kräften im Innern wie Globalisierungsagenturen von außen getragen wurde. "Die größte und radikalste Umverteilung nach oben, die es je gegeben hat", hat eine Verarmung der russischen Bevölkerung und eine Zerstörung der produktiven Grundlagen ihrer Volkswirtschaft zur Folge, die die Konsequenz einer Renaissance dessen, was am sowjetischen Staatssozialismus erstrebenswert war, eigentlich zwingend erscheinen läßt.

Davon kann jedoch keine Rede sein, wie auch die Ergebnisse der Wahlen zur Staatsduma im Dezember 2003 zeigen. Pirker und Langthaler schildern, daß das Dilemma Rußlands am ehesten zwischen dem Drang zu einer in sich widersprüchlichen, da von den USA gleichzeitig erwünschten wie bekämpften Karriere zum potenten Akteur in der Weltwirtschaft und einer fortwährenden "Vergewaltigung der Demokratie" durch die dazu erforderlichen marktwirtschaftlichen Reformen anzusiedeln ist. Ob Präsident Putin tatsächlich als Antagonist der von den Oligarchen beabsichtigten Übersteigerung des von Kapitalinteressen dominierten Systems der USA in Rußland verstanden werden kann, wäre sicherlich diskussionswürdig. Als Exponent einer autoritären Staatlichkeit, die wesentlich auf den Sicherheitsbehörden, Geheimdiensten und Streitkräften beruht, unterscheidet er sich vielleicht weniger von Bush, als es den Eindruck macht.

Auch die Kapitel über den "Krieg gegen Jugoslawien" und die "Pax Americana im Nahen Osten" bieten in aller Kürze eine die antiemanzipatorische Politik Washingtons trefflich auf den Punkt ihrer gewalttätigen Exekution gebrachte Darstellung der Praktiken und Strategien, mit denen die amerikanische Vormachtstellung ohne Rücksicht auf Verluste durchgesetzt und abgesichert wird. Der dabei immer stärker zutagetretende Widerspruch zwischen dem kulturell glorifizierten und messianisch überhöhten amerikanischen Traum sowie der brutalen Traumatisierung durch die "shock and awe"-Behandlung wird von den Autoren als für US- Interessen kontraproduktiv herausgestellt und mit einer überraschenden Pointe versehen:

"Dort, wo zur Apologie des amerikanischen Imperiums die aus der Aufklärung hervorgehende Gleichheit aller Menschen und die auf dieser beruhende Demokratie, selbst in ihrer traditionellen amerikanischen Reduzierung auf das Individuum auf dem Markt, nicht mehr greifen, setzt die göttliche Mission eines eschatologischen Reiches für das auserwählte Volk ein - und nimmt sich Israel damit zum Vorbild. Im Zionismus zeigt sich der Amerikanismus der Welt in seiner Konsequenz, als seine Speerspitze. Unter dem Deckmantel der Errettung vor dem Faschismus, jener Negation der Aufklärung, steigert der Zionismus den Amerikanismus seinerseits in die Negation der Aufklärung. Er postuliert die radikale Ungleichheit der Menschen, aus deren Masse sich kraft seiner rassischen, religiösen oder zivilisatorischen Überlegenheit das auserwählte Volk emporhebt. Der Amerikanismus verheißt noch allen die Errettung und den Aufstieg zum auserwählten Volk - auch wenn dieses Privileg schließlich nur den Reichen zukommt. Der Zionismus nimmt dieses Ergebnis schon vorweg, indem er die Verdammten von vornherein vom Heil ausschließt. Wehe jenen, die sich der Mission verweigern oder sie gar behindern wie die Palästinenser, die 'Gottes eigenes Land' besetzt halten. Diese fallen der Unterwerfung oder Vernichtung anheim, genauso wie jene, die sich dem amerikanischen Imperium widersetzen." (S. 98)

Passagen wie diese werden den Autoren zweifellos von interessierter Seite als Beleg für latenten Antisemitismus angelastet werden, auch wenn die Verbindung zwischen amerikanischem Liberalismus und zionistischem Ethnizismus über die Brücke mosaisch-christlicher Exklusivität überzeugend hergestellt wurde. Diese Gleichrichtung auf dem Felde konkreter Machtpolitik bei durchaus divergierenden Prioritäten der kulturellen und gesellschaftlichen Gestaltung läßt sich auch mit der Etablierung einer evangelikalen Massenbewegung in den USA illustrieren, die mit ihrem vehementen Eintreten für zionistische Interessen durchaus eigene Ziele verfolgt, deren Einfluß auf die amerikanische Regierungspolitik von der israelischen Regierung dennoch gerne in Anspruch genommen wird. Gerade an dem Abhängigkeitsverhältnis, in dem das kleine Sparta im Nahen Osten zur imperialen Großmacht USA steht, wird deutlich, daß mit dieser Kritik am Zionismus keinesfalls dem antisemitischen Stereotyp einer jüdischen Weltverschwörung zugearbeitet wird, sondern ganz im Gegenteil von einer Gefährdung der Zukunft Israels durch dessen Rekrutierung für die amerikanische Globalstrategie gesprochen werden muß.

Die Inanspruchnahme der bürgerlichen Aufklärung als konsenskompatibles Prophylaktikum gegen den notorischen Gesinnungsverdacht zeigt jedoch keinen Ausweg aus der sozialdarwinistischen Kaskade idealistischer Entwürfe auf, bildet sie doch das Fundament eines Liberalismus, der seinen egalitären Anspruch in dessen ökonomischer Verallgemeinerung selbst ad absurdum geführt hat und wohl kaum so erfolgreich gewesen wäre, wenn er nicht für Ständestaat und Klassenherrschaft eingetreten wäre. Langthaler und Pirker tun jedoch gut daran, sich in der aufgeheizten Atmosphäre einer Inkriminierung jedes ernstzunehmenden Eingehens auf die ideologischen Grundlagen des Bündnisses zwischen den USA und Israel von vornherein gegen den Anwurf zu wappnen, hier seien antidemokratische oder gar rassistische Kräfte am Werk. Schließlich beruht die Ignoranz, die jede Kritik an der offenkundigen Widersprüchlichkeit zwischen ethischem Anspruch und machtpolitischer Realität im Falle dieser Allianz ins Leere laufen läßt, auf dem entschiedenen Willen zum Einsatz aller denkbaren Mittel.

Nach den Kapiteln über den "Kreuzzug gegen den Islam", in dem die Autoren insbesondere auf die Inanspruchnahme orthodoxer islamischer Religiosität für die amerikanische Hegemonialpolitik und die Verkehrung dieser symbiotischen Beziehung in ihr Gegenteil eingehen, und "Europa im Würgegriff", in dem sie konstatieren, daß es nicht einmal den Versuch gebe, "der amerikanischen Konsumideologie und Hollywoods alles durchdringender kultureller Uniformierung etwas entgegenzusetzen", und die Möglichkeit eines europäischen "Gegenentwurfs" im Verhältnis zur Ausbildung einer "Kopie des amerikanischen Imperiums" als eher unwahrscheinlich gewichten, schließt das Buch mit einer grundsätzlichen Analyse der ideologischen Grundlagen des Amerikanismus.

Dabei gehen Langthaler und Pirker ausführlich auf die Probleme ein, die sich aus der Widerspruchslage zwischen den vom Amerikanismus in Anspruch genommenen Argumentationsachsen des Universalismus, Internationalismus, Kapitalismus und Antifaschismus, der Demokratie und Zivilgesellschaft sowie den praktischen Resultaten imperialistischer und sozialchauvinistischer Politik ergeben. In diesem Teil des Buches kulminieren die zuvor ausgeführten Elemente und Strategien des amerikanischen Vormachtstrebens zur Gesamtschau auf ein Fantasma an semantischen Verkehrungen und illusorischen Verheißungen, das den zum Glauben an die Authentizität propagierter politischer Werte erzogenen Bürger permanent in die Reaktion zwingt.

Indem er sich über die Unvereinbarkeit von egalitären verfassungsrechtlichen Grundlagen und realpolitischem Vollzug partikulärer Interessen beschwert, appelliert er an die Instanzen eines Legalismus, dessen suggestive Gewalt eben diejenigen Geschäfte befördert, die durch den aufrechterhaltenen Anspruch an Rechtsstaatlichkeit und Gesetzestreue gerade verhindert werden sollen. Die gegen die Befreiung des Menschen von den Fesseln gegenseitiger Ausbeutung und Unterdrückung gerichtete Zirkelschlüssigkeit einer Vergesellschaftung, die auf Teilen und Herrschen, auf Zählen und Vergleichen basiert, wird jedenfalls nicht durch eine Doktrin durchbrochen, die auf von Mangel und Not gedüngtem Boden gedeiht.

Zu guter Letzt verzichten Langthaler und Pirker nicht auf die notwendige Kritik an jenen Kräften, die in der Darstellung der Mehrheitsmedien die Gegenbewegung zur kapitalistischen Globalisierung repräsentieren. Die Antiglobalisierungsbewegung

"entspricht in vielem dem Gegenparadigma, das sich das neoliberale Paradigma selbst geschaffen hat. Die 'zivilgesellschaftlichen Zusammenhänge', die NGOs usw. agieren zumeist als Streetworker des Neoliberalismus, als die alternativen Kleinproduzenten des falschen Bewusstseins. Nun wird ihnen ihre Zivilgesellschaft, die 'Globalisierung von unten', auch noch auf den Bajonetten der amerikanischen Welteroberer präsentiert. Die 'zivilisierte Linke' positioniert sich bewusst gegen den 'primitiven Antiamerikanismus der Massen.'" (S. 142)

Gerade deshalb ist dieses Buch eine wichtige Grundlage für die Positionsbestimmung, mit der die Kontroverse zwischen einer sich antifaschistisch gebenden, dabei jedoch herrschende Kräfte affirmativ unterstützenden Linken und die Aggressivität und Destruktivität imperialistischer Politik schonungslos aufdeckenden Linken zu Ende geführt werden sollte. Sein provokanter Titel und Gehalt polarisieren aus gutem Grund, denn ohne die Einseitigkeit einer streitbaren Stellungnahme gegen die Zerstörungsgewalt imperialer Raubzüge und kapitalistischer Ausbeutungspraktiken erlangt man nicht die argumentative Schlagkraft, derer es bedarf, um dieser Herausforderung mindestens so umfassend und gründlich entgegenzutreten, wie man in Washington "präemptiv" mit jeglicher Infragestellung der omnipotenten Geltungssucht Amerikas verfährt.


Wilhelm Langthaler/Werner Pirker
Ami go home
Zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus
Promedia Druck- und Verlagsanstalt, Wien, 2003
159 Seiten, 11,90 Euro.
ISBN 3-85371-204-5