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REZENSION/250: Langenscheidt - Handwörterbuch Englisch (SB)


Langenscheidt


Handwörterbuch Englisch



"Englisch aus erster Hand" betitelte Langenscheidt die Presse-Information zu seiner Neubearbeitung des Handwörterbuch Englisch, das im Januar 2005 mit rund einer halben Million Übersetzungen erschienen ist. Diese kurzgefaßte Charakterisierung des eigenen Machwerks, die im ersten Moment vom flüchtigen Leser als werbewirksamer Slogan abgetan werden mag, steht hier durchaus zu Recht. Denn als Grundlage beim Zustandekommen und der Aktualisierung des Buches diente der jüngste, korpusbasierte Wortschatz des Langenscheidt- Klassikers Muret-Sanders Großwörterbuch. Schon der kaum wahrnehmbare Hinweis auf diese Basissammlung, dem wiederum der sogenannten "British National Corpus" zugrunde liegt, bürgt für die Authentizität des neuen Nachschlagewerks.

Der britische "Corpus" ist derzeit wohl die größte offizielle und ständig aktualisierte Datensammlung an gesprochenem Alltagsenglisch und Sprache, wie sie in Berichten, Büchern, Vorträgen und Reportagen vorkommt. Sie wird in einer speziellen Einrichtung ständig wissenschaftlich von Linguisten betreut. Alle neuen Begriffe und ihr Gebrauch werden hier zentral gesammelt und per Computer sowie anderer Mittel moderner Informationsverarbeitungstechnologie überwacht und zugeordnet. Daß hier vor allem das Einsammeln der ständiger Wandlung unterliegenden Alltagssprache auf allen denkbaren Stilebenen (taxi-drivers, golfclub members) und -richtungen (von Slang bis Fachsprache) viel Mühe abnötigt, konnte man vor längerer Zeit in einer BBC-Reportage hören. Darin wurde u.a. berichtet, wie teilweise vor Ort (und unter Einhalten ethischer Grundsätze) Aufnahmen gemacht und dann mühevoll abgeschrieben, transkribiert, d.h. ausgewertet, analysiert und zugeordnet werden. Moderne Textverarbeitungsmethoden und Medien haben diese immer noch mühevolle Arbeit allerdings sehr beschleunigt, so daß man beispielsweise in dem jetzt erschienenen Handwörterbuch Englisch tatsächlich noch von Gebräuchlichkeit der einzelnen Begriffe und Stichwörter sprechen kann. Das durfte man vor wenigen Jahrzehnten in alten Wörterbüchern nicht immer behaupten. Was im Wörterbuch unter Umgangssprache verzeichnet war, konnte durchaus schon längst aus dem modernen Alltagswortschatz verschwunden sein.

Vor diesem Hintergrund steht das Langenscheidt Handbuch nach seiner gründlichen Überarbeitung auch als ein Dokument für den tatsächlichen Stand, die Qualität und damit auch für den Verfall der englischen Sprache, zumal das, was man schwarz auf weiß besitzt, gemeinhin als verbindlich betrachtet wird. Allerdings läßt sich die Vollständigkeit nicht mit der Qualität an Ausdrucksmöglichkeiten verwechseln, die erkennbar abgenommen hat: Obwohl 100 Seiten stärker und 25.000 Einträge reicher als bisher, muß man an Begriffen wie dem kleinen Wörtchen "get" feststellen, das sich in diesem Nachschlagewerk allein über drei Spalten mit neuen Bedeutungen und sogenannten "phrasal verbs" erstreckt (entsprechend "go","make" und "do"), daß sich damit eine Vielzahl englischer Verben und Begriffe heute sehr vereinfacht ausdrücken und abdecken lassen. Was nichts anderes heißt als daß der scheinbare Zugewinn einer Verarmung gleichkommt.

Das Lernen in fertigen Satzbruchstücken, sogenannten "Chunks", das derzeit von den Sprachpädagogen proklamiert wird, sorgt durch die Vorgabe dafür, daß die Beweglichkeit im eigenen Denken und das Fragen und Forschen nach anderen Ausdrucksmöglichkeiten unbemerkt abnimmt und die Anpassung des Sprechenden und Schreibenden an favorisierte bzw. gleichgeschaltete Denkweisen fortschreitet.

Da auch ein Wörterbuch mit 270.000 Stichworten immer noch eine Auswahl treffen muß, um nicht zu dick oder zu umfassend zu werden, können hier neben den aktuellen Veränderungen der lebendigen Sprache kaum noch alte Wendungen berücksichtigt werden, so daß dazu der historische Zugang zur fremden Sprache langsam verlorengeht.

Eine weitere Edition, die diesen neuen Sprachtendenzen gerecht werden und neben hochaktuellen Neuwörtern auch neuartige Wortbildungselemente für die aktive Textproduktion liefern muß, daneben auch noch die Nachschlage- und Lerngewohnheiten des modernen Menschen berücksichtigen soll, kann eigentlich nur zum Zuträger einer reduzierten Sprache werden, die aber offenbar für die schnelle Verständigung und das Abwickeln von Geschäften, d.h. für den praktischen Einsatz der Sprache in Schule, Universität, Alltag und Beruf, Handel, Industrie und Marketing durchaus gewollt zu sein scheint.

In diesem Sinne bietet das neue Nachschlagewerk, das trotz seines mächtigen Umfangs (1.800 Seiten, 18,2 x 26,3 cm) noch einigermaßen handhabbar geblieben ist, alles, was man zum Verständnis aktueller englischer Sprache benötigt. Darüber hinaus garantiert der Verlag mit der sogenannten "LANGENSCHEIDT SERVICE GARANTIE" für die Vollständigkeit seines Nachschlagewerks: Sollte der Nutzer darin ein Stichwort nicht zu seiner Zufriedenheit übersetzt finden, sucht Langenscheidt in den kommenden zwei Jahren eine passende Übersetzung des fehlenden Begriffs. Der Service wird ausschließlich per E-Mail abgewickelt, was eine schnellstmögliche Erledigung beinhaltet.

Beispiele für die aktuelle Auswahl von Neuwörtern gibt das Vorwort sowohl vor dem Englisch - Deutsch, als auch vor dem Deutsch - Englisch Teil. Hier ein kurzer Auszug der neuen englischsprachigen Begriffe wie:

"filo pastry, freebie, highlights, leaving do, quilted jacket, ruggedize, serendipitous, spin doctor, touring coach, washboard belly" und der gehobenen Schriftsprache mit Wörtern wie "non-discrimination principle, paramountcy oder vocational retraining" über Umgangssprachliches wie "brozo, clocking, dippy gobsmacked, hype, mouse potato, natch, pecs, ram-raid, do a runner, schmooze, street cred, sussed, veggie, wannabe, wheelie, whunk, wobbler, zapped, zizz" bis hin zu Slangbegriffen wie "bollix, honcho, naffing, oi(c)k oder rozzer und Vulgärausdrücken wie "bonk oder piss artist". ..."

Zur benutzerfreundlichen Anwendung bei der eigenen englischsprachigen Textproduktion gehört "die Unterstützung der aktiven Sprachkompetenz", womit sogenannte Wortbildungselemente gemeint sind. Das sind laut Langenscheidt-Pressetext Einträge und Übersetzungen von zusammengesetzten Wörtern, bei denen das Stichwort in der zweiten Worthälfte steht, so in der Deutsch- Englisch Sektion etwa "Einkaufstourismus" (Eintrag unter "...tourismus"), "Orchesterprobe" (unter "...probe") oder Arbeitslosenproblem (unter "...problem"). Diese Einteilung helfe den Wortschatz zu erweitern und zu differenzieren.

Außerdem bietet das neue Lexikon einen umfangreichen Anhang mit Abkürzungen, englischen unregelmäßigen Verben, Eigennamen aus Bibel, Geschichte und Mythologie, geographischen Bezeichnungen, Zahlwörtern sowie Maßen und Gewichten, die bekanntlich in keinem Wörterbuch fehlen dürfen. Neu ist hier auch eine Übersicht für die Kennzeichnung (Altersfreigaben) der Kinofilme zu finden.

Aller Kritik an der rückläufigen Sprachentwicklung zum Trotz, die sich auch nicht mit Wörterbüchern aufhalten läßt, bietet Langenscheidt mit zwei Registern zum schnellen Auffinden des gesuchten Anfangsbuchstabens und in der verlagseigenen klaren Schrift und übersichtlichen Aufteilung (besonders gut gefällt mir dabei der Abdruck der wichtigsten Benutzungshinweise und Legendenaufklärung direkt im Buchdeckel) mit seinem neuen Handbuch ein weiteres handfestes Werkzeug für den Arbeitsplatz, das auch unabhängig von technischen Zusatzgeräten, Updates und selbst bei Stromausfall tadellos funktioniert.


Langenscheidt Handwörterbuch Englisch
Langenscheidt Verlag, München, Januar 2005
39,90 Euro
ISBN 3-468-05127-1