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REZENSION/690: Michael Wolff - Fire and Fury: Inside the Trump White House (SB)


Michael Wolff


Fire and Fury

Inside the Trump White House



Für ein politisches Sachbuch ist Michael Wolffs "Fire and Fury: Inside the Trump White House" ungemein witzig und liest sich wie eine Mischung aus Hunter S. Thompsons "Fear and Loathing on the Campaign Trail" über den Präsidentenwahlkampf 1972 zwischen Richard Nixon und George McGovern und Kitty Kellys 1996 erschienener unautorisierter Frank-Sinatra-Biographie "His Way". Ähnlich wie damals Kelly wird Wolff von zahlreichen Kritikern vorgeworfen, die Genauigkeit in der Faktenwiedergabe der Lesbarkeit und dem Unterhaltungswert geopfert zu haben. Eine weitere Ähnlichkeit ist die Tatsache, daß Trump - wie damals Ol' Blue Eyes wegen seiner langjährigen Mafiaverbindungen - aufgrund angeblicher Diffamierung das Erscheinen des für ihn wenig schmeichelhaften Buches mittels juristischer Drohungen zu verhindern versucht und damit lediglich zu dessen ungeheurem weltweiten Erfolg beigetragen hat.

Donald Trump ist ein Medienprodukt wie zugleich Plutokrat und eignet sich daher als Sujet für Wolff perfekt. Der 65jährige, mehrfach ausgezeichnete Journalist aus New Jersey hat sich im Laufe seiner langen Karriere auf den Themenkomplex moderne Medien und Promikult spezialisiert, wofür seine Rupert-Murdoch-Biographie "The Man Who Owns The News" von 2008 exemplarisch steht. Im Juni 2016 hatte Wolff für die Zeitschrift Hollywood Reporter einen Artikel über Trump geschrieben, der dem Überraschungskandidaten bei der Präsidentenwahl gefiel. Als Wolff bald darauf den New Yorker Immobilienmagnaten fragte, ob er zwecks eines Buchprojekts dessen Wahlkampf begleiten dürfe, soll Trump dem zugestimmt haben. Wolff setzte seine Arbeit auch noch fort, als der Republikaner später völlig unerwartet die haushohe demokratische Favoritin, die ehemalige First Lady, Senatorin und Außenministerin Hillary Clinton, schlug, und zog im Januar 2017 - sozusagen als unauffälliger Beobachter - mit ins Weiße Haus ein. Das Buch endet praktisch mit der Entlassung von Trumps Chefberater Steve Bannon, der Wolffs wichtigster Gesprächspartner in der neuen US-Regierung gewesen zu sein scheint, im August 2017.

Gerade ein Jahr zuvor hatte der Rechtspopulist und Breitbart-Herausgeber Bannon auf Drängen des reaktionären Wall-Street-Jongleurs Robert Mercer und dessen Tochter Rebekah die Leitung von Trumps Wahlkampf übernommen und entgegen aller Prognosen die drohende Niederlage in einen Sieg verwandelt. Bannon unterstützte Trump bei dessen Bemühungen, sich als Alternative zu den Berufspolitikern zu verkaufen, die sich seit mehr als 30 Jahren bereicherten, während sie Amerika in immer neue Kriege stürzten, es verschuldeten und seine Industrien in Billiglohnländer exportierten. Die großangelegte PR-Aktion gelang. Mit einer kruden Mischung aus Wirtschaftsnationalismus und Fremdenfeindlichkeit konnte Trump Millionen von Amerikanern für sich gewinnen, die sich seit langem von der politischen Klasse in Washington ignoriert fühlten. Wie Barack Obama acht Jahre zuvor stand Trump für den Wandel, nur diesmal nach rechts statt nach links.

Glaubhaft schildert Wolff die völlige Konsterniertheit im Trump Tower in der Nacht vom 8. auf den 9. November, als die Ergebnisse aus den einzelnen Landkreisen und Bundesstaaten im Fernsehen veröffentlicht wurden und sich der Sieg Trumps herausstellte. Clinton war vom Wahlausgang derart niedergeschlagen, daß sie, in völligem Gegensatz zur üblichen Praxis, nicht in der Wahlnacht, sondern erst am darauffolgenden Nachmittag vor die Presse trat, um dem politischen Gegner zu gratulieren. Im Trump-Lager hatte bis auf Bannon offenbar niemand, nicht einmal der Kandidat selbst, mit einem Sieg, sondern bestenfalls mit einer knappen Niederlage gerechnet. Dies und die politische Unerfahrenheit Trumps und der meisten seiner Leute führten zu dem Chaos, das die ersten Monate der neuen Administration kennzeichnete.

Doch das Chaos war auch das Ergebnis eines ungeheuren Macht- und Richtungskampfs im Weißen Haus, den Wolff aus nächster Nähe studieren durfte. Der Aufstieg zum Oberkommandierenden der US-Streitkräfte und damit zum mächtigsten Mann des Planeten gleich beim ersten Versuch war dem Politamateur Trump zu Kopf gestiegen. Der dünnhäutige Narzißt, der sein Wissen hauptsächlich aus den Fernsehnachrichten und nächtlichen Telefongesprächen mit Geschäftsfreunden bezieht, langweilt sich schnell bei Details und hält sich trotzdem aufgrund seines vermeintlich sicheren Instinkts für den meisten Experten überlegen. Trump hatte sich im Wahlkampf gegen niemals endende Militärinterventionen in Afghanistan, im Irak und in Syrien sowie für bessere Beziehungen zu Rußland und sogar Verhandlungen mit der Führung Nordkoreas ausgesprochen. Doch gegen den institutionellen Widerstand des militärisch-industriellen Komplexes ließ sich eine solche Politik nicht umsetzen - erst recht nicht, nachdem sich die Demokraten und die ihnen wohlgesonnenen Mainstream-Medien auf die heimliche Einmischung Wladimir Putins in den Wahlkampf als einzig mögliche Erklärung für den Umstand versteiften, daß Hillary Clinton doch nicht erste Präsidentin der USA geworden, sondern von einem solch unerträglichen Sprücheklopfer und Machomann wie Trump geschlagen worden war.

Im Weißen Haus wurde nach der Amtseinführung Trumps als 45. Präsident über den richtigen politischen Kurs heftigst gestritten. Auf der einen Seite standen die Bannonistas, die für Protektionismus, Einreiseverbot für Muslime und einen Handelskrieg mit China und der EU eintraten, auf der anderen Trumps Tochter Ivanka und ihr Ehemann Jared Kushner. Erstere wollten die bestehenden politischen Verhältnisse umkrempeln, letztere alles beim alten lassen. Gegen Jarvanka - wie Wolff das Ehepaar nennt - hatte Bannon keine Chance. Ivanka veranlaßte ihren Vater dazu, das Militärengagement der USA in Syrien - der armen Kinder wegen, versteht sich - zu vertiefen, während Kushner als Nahost-Sonderbeauftragter des Weißen Hauses mit familiären Verbindungen zum israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu Washington zum Erfüllungsgehilfen Tel Avivs und Riads machte. Zum endgültigen Bruch zwischen Bannon und den Kushners kam es, als im Juni 2017 durch einen Artikel in der New York Times publik wurde, daß im Sommer davor Jared, Donald jun. und der damalige Wahlkampfleiter Paul Manafort ausgerechnet im Trump Tower mit einer Gruppe zwielichtiger Russen zusammengetroffen waren, die vorgaben, irgendwelche Schmutzgeschichten über die Clintons zu besitzen.

Nur wenige Wochen vor dem Publikwerden der peinlichen Episode hatte Trump auf Drängen Ivankas und ihren Mannes den FBI-Chef James Comey entlassen. Laut Wolff befürchteten Trumps Tochter und Schwiegersohn, daß die Rußland-Ermittlungen über dubiose Geschäfte Kushners - Geldwäsche wird gemunkelt - mit russischen Oligarchen im Bau- und Immobiliensektor stolpern könnten. Bannon hatte sich gegen die Entlassung Comeys ausgesprochen, weil ein solch drastischer Schritt nur den Ermittlungseifer der Verantwortlichen bei FBI und Justizministerium erhöhen würde. Die Einschätzung sollte sich als richtig herausstellen. Nur wenige Tage, nachdem Trump Comey gefeuert hatte, setzte in Reaktion darauf der Stellvertretende Justizminister Rod Rosenstein den früheren FBI-Chef Robert Mueller als Sonderermittler in Sachen russischer Umtriebe beim Wahlkampf 2016 ein.

Insbesondere die Veröffentlichung der damaligen Äußerungen Bannons in Form von Auszügen aus Wolffs unmittelbar vor dem Erscheinen stehenden Buch sorgten Anfang Januar international für Schlagzeilen. Demnach hatte Bannon besagtes Treffen im Trump Tower mit den Russen nach dessen Bekanntwerden als "staatsverräterisch" und "unpatriotisch" bezeichnet, Ivanka als "strohdumm" beschrieben und für das zu erwartende Ende der Mueller-Ermittlungen die Prognose gewagt: "Sie werden im landesweiten Fernsehen Don junior wie ein Ei aufschlagen." Daraufhin gingen Robert und Rebekah Mercer, die Hauptfinanziers des rechtsradikalen Nachrichtenportals Breitbart, öffentlich auf Distanz zu Bannon und sorgten damit für dessen Entlassung als Konzernchef am 9. Januar.

Inzwischen hat sich aufgrund der Veröffentlichung einer Expertise der republikanischen Mehrheit im Geheimdienstausschuß des Repräsentantenhauses, des sogenannten "Nunes Memo", herausgestellt, daß Trumps anfängliche Vermutungen, die Wasserträger Clintons beim FBI und Justizministerium hätten in der Endphase des Präsidentenwahlkampfs 2016 und danach illegalerweise den Trump Tower elektronisch belauscht, richtig waren. Aus Sicht der Republikaner ist Russiagate zum FBI-Gate mutiert; mögliche Treffen der Trumps mit russischen Privatpersonen sind mit den polizeistaatlichen Verstößen der Clintons und der Vertreter der scheidenden Obama-Regierung Ende 2016, Anfang 2017 gegen die US-Verfassung nicht zu vergleichen. Wer das erbitterte innenpolitische Ringen in Washington zwischen der noch amtierenden Trump-Regierung und den Demokraten und deren Freunden bei den Geheimdiensten besser verstehen will, kommt mit "Fire and Fury" voll auf seine Kosten. An möglichen Übertreibungen der Vorgänge im Weißen Haus und Trump Tower in Wolffs Schilderung sollte sich niemand stören. Selbst Herodot, der Gründungsvater der westlichen Geschichtsschreibung, scheute sich vor 2500 Jahren nicht, die Tatsachen zurechtzurücken, solange es seinem Narrativ diente.

10. Februar 2018


Michael Wolff
Fire and Fury
Inside the Trump White House
Little, Brown Publishers, London, 2018
322 Seiten
ISBN: 978-1-4087-1140-8


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