Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AFRIKA/153: Der Kampf ums Schwarze Gold (ai journal)


amnesty journal 10/2007 - Das Magazin für die Menschenrechte

Der Kampf ums Schwarze Gold
Der globale Kampf um die Ressource Erdöl wird immer härter. Menschenrechte spielen für Erdölfirmen und korrupte Regime bei der Erschließung neuer Fördergebiete in Konfliktregionen eine untergeordnete Rolle.

Von Pascale Schnyder


Die sudanesische Hauptstadt Khartum boomt. Während in Darfur im Westen des Landes in den letzten drei Jahren rund 2,5 Millionen Menschen vertrieben und bis zu 300.000 Menschen umgebracht wurden, sind in der Hauptstadt Wolkenkratzer in den Himmel gewachsen. Für insgesamt vier Milliarden US-Dollar soll hier ein modernes Geschäftsviertel mit Golfplatz und Privatresidenzen entstehen - finanziert durch die Einnahmen aus Erdöl, das hauptsächlich nach China fließt.

Seit Erdöl aus dem Sudan 1999 zum ersten Mal exportiert wurde, kämpfen die Machthaber der einzelnen Regionen mit Waffengewalt um ihren Anteil am Ölreichtum. Ein Großteil der Erdöleinnahmen investiert die Regierung in das Militär, in den Aufbau der eigenen Waffenindustrie und in den Import von Waffen aus dem Ausland. China, mit 65 Prozent Hauptabnehmer des "Schwarzen Goldes" aus dem Sudan, stört sich nicht an den gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Sudan. Während sich europäische und US-amerikanische Firmen zurückgezogen haben, gibt China dem Regime in Khartum auch im UNO-Sicherheitsrat Rückendeckung. Mit seinem Veto konnte China bislang jedes härtere Vorgehen gegen die Gräueltaten der sudanesischen Regierung und ihrer Verbündeten abwenden.

Der Sudan ist ein Beispiel dafür, wie Erdöl, Menschenrechtsverletzungen und Unterentwicklung zusammenhängen. Da die Erdölreserven in den Industrieländern zunehmend versiegen und die Lage im Nahen Osten, wo die mit Abstand größten Erdölreserven weltweit bestehen, instabil ist, rücken die Förderkonzerne zunehmend in die Erdölländer Westafrikas, Zentralasiens und in die Schwellenländer Lateinamerikas vor. Obwohl die natürlichen Ressourcen viele dieser Länder aus Armut und Unterentwicklung befreien könnten, ist oft das Gegenteil der Fall: Das Schwarze Gold fördert die Gier einzelner Bevölkerungsgruppen, schürt Spannungen und führt zu blutigen Konflikten, die mit den Einnahmen aus Erdöl finanziert werden.

Viele Entwicklungsländer mit Erdölvorkommen leiden unter Armut, Korruption und dem Zusammenbruch des Wirtschaftssystems. "Afrika ginge es ohne Erdöl besser", lautet das Fazit einer aktuellen Studie der "Internationalen Arbeitsorganisation" (ILO). Die Ölindustrie produziere in abgeschotteten Wirtschaftsenklaven und sorge nicht für Wachstum und Arbeitsplätze in der lokalen Wirtschaft. In rund 50 Entwicklungs- und Schwellenländern sind Erdöl, Erdgas und Bergbau zentrale Einkommensquellen. Von den 3,5 Milliarden Menschen in diesen Ländern leben mehr als 1,5 Milliarden von weniger als einem Euro pro Tag.

Die Zugangs- und Lizenzgebühren, die Erdölkonzerne für die Förderung des Öls zahlen, fließen häufig direkt in die Hände der Regierungen. Diese zementieren so ihre Macht und finanzieren sich einen luxuriösen Lebensstandard. Es ist kein Zufall, dass in zahlreichen dieser Länder autoritäre Regime an der Macht sind. Öffentliche Ausgaben bestreiten sie mit "Petrodollars" statt mit Steuergeldern.

Fehlende Transparenz und Demokratisierung sowie schlechte Regierungsführung behindern eine gerechte Verteilung des Ölreichtums. Um sich an der Macht zu halten, investieren die Regime in Militär und Polizei. Studien belegen, dass erdölexportierende Länder mehr Geld für den Aufbau von Armeen und Rüstung ausgeben als rohstoffarme Länder. Vergleiche zeigen außerdem, dass rohstoffreiche Staaten häufiger von Bürgerkriegen und Konflikten betroffen sind.

Viele Erdölvorkommen liegen auf traditionellen Territorien indigener Völker, die Bohrtürmen und Pipelines weichen müssen. Indigene Völker werden durch gravierende Umweltverschmutzungen ihrer Lebensgrundlage beraubt, gewaltsam enteignet oder ohne Kompensation umgesiedelt. "Sie haben alles, wir haben nichts. Wenn wir protestieren, schicken sie Soldaten. Sie unterzeichnen Abkommen mit uns, ignorieren uns dann aber einfach", erklärte Edghare W. O. Oihogar, ein Dorfvorsteher aus dem Nigerdelta 2005 gegenüber amnesty international. Seit Jahren leidet die lokale Bevölkerung im Nigerdelta unter der Umweltverschmutzung und den gewaltsamen Verteilungskonflikten.

Wegen Gewalt und Instabilität in den Fördergebieten treffen viele Erdölfirmen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz von Anlagen und Personal. Sie schließen Verträge mit Armee, Polizei oder privaten Sicherheitsfirmen. Diese gehen oft gewaltsam gegen die lokale Bevölkerung vor und schrecken vor Vergewaltigung, Mord oder Folter nicht zurück. Weltweiten Protest gab es zum Beispiel gegen die Firmen "Shell" in Nigeria, "BP" in Kolumbien und "Exxon Mobil" in Indonesien, nachdem Sicherheitskräfte mit äußerster Brutalität gegen die lokale Bevölkerung vorgegangen waren.

Obwohl die Regierungen zahlreicher Erdölländer gravierende Menschenrechtsverletzungen begehen, werden sie von der internationalen Gemeinschaft meist mit Samthandschuhen angefasst. Länder wie Aserbaidschan, Angola, Iran, Russland, Saudi-Arabien, Sudan oder Tschad haben mit ihren Erdölvorkommen einen Trumpf in der Hand, der es ihnen erlaubt, sich internationalem Druck zu entziehen.

Seit China als zweitgrößter Erdölimporteur nach den USA um die Gunst der Erdölländer buhlt, können selbst Regime wie das in Khartum auf einen verlässlichen und zahlungskräftigen Partner zählen - und auf einen, der gute Regierungsführung, Transparenz und Menschenrechte nicht einfordert. Das seien "interne Angelegenheiten" der einzelnen Staaten, lässt das Regime in Peking verlauten. "China unterläuft jedes Embargo gegen afrikanische Diktaturen. Es schert sich nicht darum, ob die Menschenrechte gewahrt werden", sagte ein Beamter aus dem US-Handelsministerium gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Das Rohstofflager Afrika hat China wie kein anderes Land entdeckt: Bereits heute bezieht es mehr als 30 Prozent seiner Erdölimporte aus den afrikanischen Staaten Angola, Gabun, Nigeria, Tschad und Sudan.

Doch auch westliche Staaten, die sich gern als Verteidiger der Menschenrechte ausgeben, sind nicht zimperlich, wenn es um die Geschäfte mit Erdölländern geht. So arbeitet die Europäische Union derzeit an einer Strategie, um seine Präsenz in Zentralasien zu erweitern und die Abhängigkeit von Russland als wichtigstem Erdöllieferanten zu verringern. Dass die EU dabei mit Regimen wie dem in Usbekistan kooperiert, das die Menschenrechte nicht achtet, scheint zweitrangig zu sein.

Das ist nicht erstaunlich. Nicht erneuerbare Energien wie Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran decken über 90 Prozent des globalen Energiebedarfs.

"Der Westen braucht uns mehr als wir ihn", brachte es der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad auf den Punkt. Der Iran ist nach Saudi-Arabien und Kanada das Land mit dem drittgrößten Erdölvorkommen weltweit. Und auch die zentralasiatischen Staaten ließen selbstbewusst verlauten, dass sie "keine Einmischung" brauchen, als die EU in der Vergangenheit mehrfach das Thema Menschenrechte und Demokratie ansprach.

Die Autorin ist Redakteurin des Magazins "amnesty" von ai-Schweiz.


*


WAFFEN FÜR KHARTUM

Die sudanesische Regierung verstößt nach Informationen von amnesty international immer noch gegen das UNO-Rüstungsembargo. Die Regierung in Khartum bringe ungeachtet des Embargos und der Friedensabkommen Waffen nach Darfur. Dazu berief sich ai auf Fotos russischer Rüstungsgüter, die im Juli auf dem Flughafen "Geneina" im Westen des Sudan aufgenommen worden seien. Mitte September hatte die sudanesische Luftwaffe nach Angaben der Afrikanischen Union trotz eines UNO-Verbots Angriffe in Darfur unternommen. Dabei seien mehr als ein Dutzend Menschen getötet worden. ai fordert seit Langem die Entsendung von UNO-Beobachtern, um die Waffenlieferungen zu stoppen.


*


Quelle:
amnesty journal, Oktober 2007, S. 12-14
Herausgeber: amnesty international
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/98 37 30
E-Mail: info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de

Das amnesty journal erscheint monatlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Nichtmitglieder können das amnesty journal für
30 Euro pro Jahr abonnieren.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2007