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AFRIKA/162: Der Film "Im Schatten des Bösen" hat viel bewegt (ai journal)


amnesty journal 10/11/2008 - Das Magazin für die Menschenrechte

"Der Film hat viel bewegt"

Ein Gespräch mit der Regisseurin Susanne Babila über die politische
Resonanz auf ihre Dokumentation "Im Schatten des Bösen".


FRAGE: Ihr Film zeigt die grausame Realität im Kongo - hatten Sie keine Sorge, dass viele Zuschauer umschalten?

SUSANNE BABILA: Die Kraft eines Dokumentarfilms besteht darin, genau hinzuschauen und nicht zu versuchen, die brutale Realität abzuschwächen. Vor allem sollten die Frauen zu Wort kommen, denn sie stehen im Mittelpunkt des Films. Wir wollten zeigen, dass Vergewaltigung eine Kriegswaffe ist, ein Mittel, um eine Gemeinschaft zu zerstören.

FRAGE: Hatte der Sender keine Einwände?

SUSANNE BABILA: Natürlich gab es zuvor eine Diskussion, wie weit wir gehen können, und was für die Zuschauer noch erträglich ist. Bei der Gestaltung selbst wurden uns keine Vorgaben gemacht. Die Geschichte des Films ist sicherlich sehr brutal. Aber wir haben auch vieles weggelassen, weil wir es für europäische Zuschauer nicht zumutbar hielten.

FRAGE: Welche Reaktionen haben Sie erhalten?

SUSANNE BABILA: Die Resonanz, vor allem von Politikern, war erstaunlich. Bundespräsident Horst Köhler hat uns geschrieben. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Herta Däubler-Gmelin, hat uns eingeladen und will den Film für ihre Arbeit nutzen. Und ich bin auch sehr glücklich darüber, dass Amnesty International mit der Kampagne "Nein zur Gewalt an Frauen" auf die Situation im Kongo aufmerksam macht. Der Film hat über die deutschen Grenzen hinaus viel bewegt. Besonders in Belgien gab es ein sehr großes Echo. Selbst der belgische Außenminister hat sich unsere Dokumentation angesehen.

FRAGE: Wie waren die Arbeitsbedingungen vor Ort?

SUSANNE BABILA: Die Gegend, in der wir drehten, ist sehr unsicher. Hinzu kam, dass der regionale Gouverneur, also der Repräsentant des kongolesischen Staates, nicht besonders erfreut war, dass wir einen Film drehen wollten. So kam es immer wieder zu gefährlichen Situationen. Dabei ist auch einer unserer lokalen Mitarbeiter ums Leben gekommen. Sein Tod ist uns sehr nahe gegangen. Wir haben lange Zeit zusammengearbeitet und kannten uns gut.

FRAGE: Haben Sie schon vergleichbare Situationen erlebt?

SUSANNE BABILA: In der Grenzregion von Sudan und Tschad sprach ich mit vielen Frauen in Flüchtlingscamps, die von den gleichen Erfahrungen berichteten. Selbst aus der jüngsten Vergangenheit in Europa, während des Krieges in Ex-Jugoslawien, kennen wir dieses Vorgehen. In Afrika ist Vergewaltigung vielleicht besonders extrem, im Grunde ist sie aber eine Praxis, die in jedem Krieg benutzt wird.

FRAGE: Eine doppelte Strafe für die Frauen: Durch die Gewalt, die sie erfahren, und durch ihr soziales Umfeld, das sie verstößt.

SUSANNE BABILA: Es steht außer Frage, dass mit diesen schlimmen Traditionen gebrochen werden muss. Dies braucht aber Zeit und psychologische Unterstützung. Leider ist man davon im Kongo weit entfernt: Die Menschen sind kollektiv traumatisiert und ausschließlich mit dem Überleben beschäftigt.

FRAGE: Haben Sie Hoffnung, dass sich die Lage im Osten Kongos ändert?

SUSANNE BABILA: Ein Film allein wird nicht den Frieden bringen. Die Verbrechen finden schließlich schon seit über einem Jahrzehnt statt. Die Situation wird aber bislang in Deutschland wenig zur Kenntnis genommen. Für uns hier ist Afrika immer noch sehr weit entfernt, und das Schicksal der Menschen ist in den Medien kaum präsent. Das wollen wir ändern. Kampagnen wie die von Amnesty machen uns in dieser Hinsicht Mut, ebenso wie die vielen Zuschriften, die wir erhalten haben.

Interview: Anton Landgraf

Weitere Informationen unter www.amnesty-kongo.de


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Quelle:
amnesty journal, Oktober/November 2008, S. 73
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2008