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MELDUNG/151: Polizei-Misshandlung in Hannover - Deutschland muss Folterprävention verstärken


Amnesty International - Pressemitteilung vom 19. Mai 2015

Polizei-Misshandlung in Hannover
Deutschland muss Folterprävention verstärken


Zu den Vorwürfe gegen einen Bundespolizisten, der in Hannover auf der Wache am Hauptbahnhof zwei Flüchtlinge misshandelt und erniedrigt haben soll, erklärt Maria Scharlau, Polizei-Expertin von Amnesty International:

"Amnesty International begrüßt, dass der Verdacht rassistischer Polizeifolter durch einen Bundespolizisten in Hannover schnell und effektiv aufgeklärt werden soll. Wenn die bekannt gewordenen Details stimmen, dann hat der Bundespolizist die beiden Flüchtlinge brutal gequält und aus rassistischen Motiven erniedrigt. Das erfüllt den Tatbestand der Folter. Die verantwortlichen Beamten müssten dafür angemessen bestraft und aus dem Polizeidienst entfernt werden.

Aus den Vorfällen müssen darüber hinaus auch langfristige Konsequenzen gezogen werden. Politik und Polizei müssen endlich Maßnahmen ergreifen, dass solche Exzesse nicht passieren, dass sie aber in jeden Fall nicht monatelang unentdeckt bleiben und verschwiegen werden.

Vorbeugende Maßnahmen gegen Folter und Misshandlung durch Polizei und Justizpersonal werden in Deutschland systematisch vernachlässigt. Es fehlt an ausreichenden Menschenrechtsschulungen und Anti-Rassismus-Training bei der Polizei. Es fehlt an einer unabhängigen Stelle, die Fälle von Polizeigewalt untersucht. Und es fehlt am politischen Willen, existierende Kontrollmechanismen handlungsfähig zu machen.

So ist es die Aufgabe der Nationalen Stelle zur Prävention von Folter mit Sitz in Wiesbaden, regelmäßig Gefängnisse und Polizeistationen zu besuchen und zu kontrollieren. Die Stelle kann ihrer Aufgabe mit zehn ehrenamtlichen Mitgliedern bei insgesamt mehreren Tausend zu kontrollierenden Einrichtungen jedoch nicht gerecht werden.

Es kann nicht sein, dass Deutschland ein internationales Negativbeispiel in Sachen Folterprävention abgibt: Die Nationale Stelle hat nur einen Bruchteil des Budgets der französischen oder österreichischen Präventions-Stelle. Amnesty International fordert seit Jahren eine unabhängige Kontrolle der Polizei und mehr Geld für die Nationale Stelle. Diese Forderungen werden immer auch abgetan mit dem Argument, es gäbe in Deutschland kein Problem mit Folter und Misshandlung. Die Vorfälle aus Hannover sollten hier auch dem letzten die Augen geöffnet haben!"

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Quelle:
Pressemitteilung vom 19. Mai 2015
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
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Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
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Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2015

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