Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

EUROPA/541: Appell an Cameron - Traveller nicht vertreiben, geplante Zwangsräumung in Essex aussetzen


Presseerklärung vom 9. September 2011

Gesellschaft für bedrohte Völker und Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen appellieren an Cameron:

Traveller nicht vertreiben - geplante Zwangsräumung in Essex aussetzen!


Der Widerstand gegen die drohende Zwangsräumung eines großen Teils einer Siedlung von Irish Traveller und Roma in der britischen Grafschaft Essex nordöstlich von London wächst. Am Freitag appellierten die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) gemeinsam mit der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) dringend an den Premierminister Großbritanniens, David Cameron, die rund 400 Traveller und Roma nicht aus ihrer Siedlung Dale Farm in Cray's Hill im Bezirk Basildon zu vertreiben.

Die beiden in Deutschland ansässigen internationalen Organisationen erinnerten daran, dass Großbritannien sich mit der Ratifizierung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte dazu verpflichtet hat, von Zwangsräumungen abzusehen und Obdachlosigkeit zu vermeiden. Doch genau dies drohe den Traveller-Familien, unter ihnen Alte, Kranke und insgesamt 110 Kinder, wenn sie aus Dale Farm vertrieben werden. Außerdem wurden Cameron und der Ratsvorsitzende von Basildon, Tony Ball, in dem Appell dazu aufgefordert, eine Anhörung aller Betroffenen durchzuführen und - sollte die Räumung unumgänglich sein - ihnen ihrer Kultur angemessene Ersatzunterkünfte anzubieten.

Dale Farm ist die größte Traveller-Siedlung in Großbritannien mit insgesamt rund 1.000 Bewohnern. 86 Familien sollen vertrieben werden, weil sie sich in Dale Farm ohne Genehmigung angesiedelt haben. Einige von ihnen leben hier bereits seit elf Jahren. Das Oberste Gericht (High Court of England and Wales) hat den Eilantrag einiger Traveller, die Klage gegen die Zwangsräumung einreichen wollten, am 31. August abgelehnt. Die Behörden des Bezirks wollen vom 19. September 2011 mit konkreten Räumungsmaßnahmen beginnen.

Die Traveller sind ein fahrendes Volk mit irischen Wurzeln. Weltweit gibt es bis zu 100.000 von ihnen und zwar fast ausschließlich in Großbritannien, Irland, den USA und Kanada. Sie sprechen eine eigene Sprache gälischen Ursprungs und kämpfen mit ähnlichen Problemen wie Roma (mangelnde Bildung, Armut und Ausgrenzung). In Großbritannien leben bis zu 40.000 Traveller. Dort sind sie als ethnische Minderheit anerkannt. Seit einer Gesetzesnovelle 1994 müssen lokale Behörden den Travellers keine Plätze mehr für ihre Wohnwagen zur Verfügung stellen. Die Polizei wurde ermächtigt, Traveller zum Verlassen von nicht autorisiertem Gelände zu zwingen, wenn sie sich dort mit mehr als fünf Fahrzeugen einfinden.

Die FUEV, die vor mehr als 60 Jahren in Paris gegründet wurde, ist die Dachorganisation der mehr als 300 alteingesessenen Minderheiten Europas. Mehr als 80 ihrer Organisationen und Verbände sind in der FUEV vertreten. Die GfbV besteht seit fast 45 Jahren. Sie setzt sich für die Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten, Nationalitäten und Ureiwohnergemeinschaften weltweit ein und hat beratenden bzw. mitwirkenden Status bei der UN bzw. dem Europarat.


*


Quelle:
Presseerklärung Göttingen/Flensburg, den 9. September 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2011