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EUROPA/590: Stockholm schließt chinesisches Konfuziusinstitut


Presseerklärung vom 6. Januar 2015

Zweifel an ideologischer und politischer Unabhängigkeit:
Universität Stockholm schließt chinesisches Konfuzius-Institut



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) begrüßt es, dass nun auch in Europa die politische und ideologische Unabhängigkeit der von China geförderten Konfuzius-Institute auf den Prüfstand gestellt wird. Zum Jahreswechsel hatte die Universität Stockholm nach öffentlicher Kritik die Schließung des dortigen Konfuzius-Instituts angekündigt. "Dies sollte ein Signal für deutsche Universitäten sein, kritisch zu hinterfragen, ob die enge Kooperation zwischen Fakultäten der Sinologie und Konfuzius-Instituten nicht die Unabhängigkeit von Wissenschaft und Lehre gefährdet", erklärte der GfbV-Asien-Experte Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. In den USA haben Universitäten die Kooperation mit Konfuzius-Instituten nach massiver Kritik bereits eingestellt. In Kanada wird darüber öffentlich diskutiert.

Die stellvertretende Rektorin der Universität Stockholm Astrid Söderbergh Widding hat am 29. Dezember 2014 gegenüber der Tageszeitung "Svenska Dagbladet" die Schließung des Konfuzius-Instituts zum 30. Juni 2015 angekündigt. Zur Begründung erklärte sie, es sei grundsätzlich fragwürdig, an einer Universität Institute aufzubauen, die von einer anderen Nation finanziert würden. Zum 31. Dezember 2014 hatte schon die Staatliche Universität von Pennsylvania (USA) ihre Kooperation mit dem Konfuzius-Institut eingestellt. Die Universität Chicago hatte bereits im September 2014 ihre Verhandlungen mit dem Konfuzius-Institut über eine Zusammenarbeit ausgesetzt.

"Konfuzius-Institute sind nicht unpolitisch, selbst wenn sie diesen Eindruck vermitteln möchten", sagte Delius. Denn ihrem Obersten Rat steht die stellvertretende Ministerpräsidentin Liu Yandong vor. Sie gilt als eine der einflussreichsten Politikerinnen Chinas. 1945 in der Provinz Jiangsu geboren, gehört sie seit 1945 der Kommunistischen Partei an. Sie ist zurzeit als einzige Frau Mitglied des Politbüros und gilt als aussichtsreiche Kandidatin für noch höhere Partei- und Staatsämter.

Gerne präsentiert sich Liu Yandong als Förderin des kulturellen Austauschs zwischen den Völkern. "Doch gerade diesen Respekt gegenüber fremden Kulturen zeigte sie im Umgang mit Tibetern und Uiguren nicht", kritisierte Delius. "Als Vizechefin (1995 bis 2002) und spätere Leiterin (2002 bis 2007) des United Front Work Department (UFWD) ist sie unserer Meinung nach für die gezielte Zerstörung der traditionellen Gesellschaft und Kultur der Tibeter und Uiguren entscheidend verantwortlich."

Das UFWD untersteht dem Zentralkomitee der KP und ist die führende Agentur zur Gestaltung der Nationalitätenpolitik. Ihr Aktionsfeld reicht von der Beschlagnahme von Bildern des Dalai Lama bis zur Einführung neuer Vorschriften, die die Glaubens- und Meinungsfreiheit einschränken. Liu Yandong war auch wichtigste chinesische Ansprechpartnerin für die Unterhändler des Dalai Lama, als diese sich zwischen 2002 und 2010 vergeblich um einen glaubwürdigen Dialog mit der chinesischen Führung bemühten.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 6. Januar 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2015


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