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EUROPA/613: Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus - Tschechien sollte Mastanlage verlegen


Presseerklärung vom 26. Januar 2017

Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27.1.)

Tschechische Regierung soll Worten Taten folgen lassen:
Schweinemast auf ehemaligem KZ-Gelände einstellen und Roma würdiges Gedenken ermöglichen!


Anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27.1.) hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an die tschechische Regierung appelliert, ihre Ankündigung wahr zu machen, die Schweinemast auf dem Gelände des ehemaligen KZ Lety u Písku in Südböhmen zu beenden. "Es ist höchste Zeit, den Angehörigen der dort internierten und ermordeten Insassen - unter ihnen sehr viele Roma - endlich ein würdiges und ungestörtes Gedenken zu ermöglichen", heißt es in dem Schreiben des GfbV-Generalsekretärs Tilman Zülch. "Tschechien könnte so für ganz Europa ein Zeichen setzen, dass Roma hier als gleichberechtigte Mitbürger angesehen werden und sie genauso das Recht auf Gedenken an ihre während des Nationalsozialismus ermordeten Angehörigen haben wie andere Opfergruppen."

Seit vielen Jahren fordern Roma, den Abriss der Schweinemastanlage und die Errichtung einer angemessenen Gedenkstätte. Die tschechische Regierung hat bereits mehrfach angekündigt, den Mastbetrieb aufkaufen und beseitigen zu wollen, zuletzt Anfang November 2016. Bisher sind den Worten jedoch keine Taten gefolgt. Der Betrieb ist Privatbesitz.

Unter Staatspräsident Václav Havel wurde 1995 nahe der Schweinemastanlage ein kleines Denkmal für die Opfer der Internierung errichtet. "Doch die Roma, die sich jedes Jahr am 27. Januar in Lety u Písku versammeln, sind dem starken Gestank der Schweinegülle ausgesetzt. Das verletzt sowohl ihre Würde als auch die der Menschen, die an diesem Ort ihr Leben verloren oder in den Tod geschickt wurden", schrieb die GfbV.

Von August 1940 bis Dezember 1943 waren mehr als 1.700 Menschen im Lager Lety interniert. 1.300 von ihnen waren Roma, die von Sommer 1942 an eingeliefert wurden. Viele starben im Lager, vorwiegend Kinder. Rund 800 überlebende Roma wurden meist nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort in den Gaskammern der Nazis grausam getötet. Bis heute wurde keiner der mutmaßlichen Verantwortlichen für die in Lety begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gerichtlich verurteilt.

Der ehemalige GfbV-Mitarbeiter Paul Polansky war in einem südböhmischen Staatsarchiv auf die Geschichte des KZ gestoßen und hatte 1995 die Öffentlichkeit darüber informiert. Zahlreiche Proteste tschechischer Roma-Organisationen sowie die Verabschiedung von zwei Resolutionen der Europäischen Union, die den Abriss der Schweinemastanlage und die Errichtung einer größeren Gedenkstätte forderten, blieben ergebnislos. Jetzt hat sich die GfbV auch an die deutsche Bundesregierung gewandt mit der Bitte, sich an der Finanzierung der Verlegung der Mastanlage zu beteiligen.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 26. Januar 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2017

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