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EUROPA/643: Strafverfolgung katalanischer Politiker löst nicht Spaniens Verfassungskrise


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 24. März 2018

Nur politischer Dialog kann Katalonien-Streit beenden


Göttingen, den 24. März 2018 - Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat davor gewarnt, die Lösung des Katalonien-Streits Spaniens Strafgerichten zu überlassen. "Die umstrittene Zukunft Kataloniens ist ein politischer und gesellschaftlicher Konflikt, der politische Lösungen braucht. Wenn Spaniens Regierung sich dem überfälligen Dialog mit Befürwortern der Unabhängigkeit Kataloniens verweigert und wieder die Strafrichter vorschickt, dann wird dies nur die Spannungen zwischen den Konfliktparteien schüren", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Samstag in Göttingen. "Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy muss endlich die Lehren aus der für ihn verlorenen Regionalwahl vom 23. Dezember 2017 ziehen und sich ernsthaft um einen glaubwürdigen Dialog mit den Anhängern der Unabhängigkeit bemühen." Am Freitag hatte das Oberste Gericht des Landes angekündigt, 25 führende Politikerinnen und Politiker Kataloniens strafrechtlich wegen Separatismus und anderer Delikte zur Verantwortung zu ziehen.

So wurden von dem Richter Pablo Llarena 13 führende Repräsentanten der Unabhängigkeitsbewegung wegen "Rebellion" formell angeklagt. Ihnen drohen bis zu 30 Jahre Haft. Fünf dieser Politiker wurden am Freitag wegen Fluchtgefahr in Haft genommen, unter ihnen Jordi Turull, der als aussichtsreichster Kandidat für den Vorsitz der Regionalregierung galt. Weitere sieben Politiker wurden unter strikten Auflagen bis zu ihrem terminlich noch nicht geplanten Prozess freigelassen und fünf Unabhängigkeitsbefürworter wurden ohne Auflagen aus der Haft entlassen.

Mindestens sieben führende katalanische Politiker und Politikerinnen haben inzwischen im Ausland Zuflucht gesucht und halten sich derzeit in Belgien, der Schweiz und Schottland auf. Erst gestern entzog sich die Generalsekretärin der Republikanischen Linken Kataloniens, Marta Rovira, ihrer Verhaftung durch eine Flucht in die Schweiz. Die pro-europäische Rechtsanwältin warnte angesichts des Vorgehens der Justiz vor einer Fluchtwelle katalanischer Politiker. "Für die meisten Katalanen sind diese politischen Flüchtlinge Märtyrer, einer Lösung der Katalonien-Krise ist damit nicht geholfen", warnte Delius. "Auch wird der Streit um die Gültigkeit internationaler Haftbefehle erneut zunehmen und international für weitere Spannungen sorgen. Und dies nur, weil Spaniens Regierung nicht ihre Hausaufgaben erledigt".

Kritik am Vorgehen Spaniens kommt auch vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte Zeid Ra'ad al Hussein. Er äußerte in einer Rede vor dem UN-Menschenrechtsrat am 7. März 2018 Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Präventivhaft und forderte einen politischen Dialog, um eine Lösung der Verfassungskrise zu erreichen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 24. März 2018
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2018

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