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MELDUNG/086: medica mondiale Afghanistan in nationale Hände übergeben (medica mondiale)


medica mondiale e.V. - 8. März 2011

medica mondiale Afghanistan in nationale Hände übergeben

"Frauen können einen Wechsel für die Gesellschaft bewirken!"


Köln, 8. März 2011. Im Vorfeld des Internationalen Frauentags hat medica mondiale gemeinsam mit den afghanischen Kolleginnen die Übergabe des Projekts in nationale Hände gefeiert. Nach neun Jahren Engagement der deutschen Frauenrechts- und Hilfsorganisation im Land übernehmen afghanische Frauen in eigener Verantwortung die Arbeit in der jetzt lokalen und umbenannten Organisation: Medica Afghanistan - Women Support Organisation.

Direkt nach dem Fall der Taliban 2001 begann die Arbeit von medica mondiale in Afghanistan - zunächst noch mit dem Aufbau eines Schutzhauses in Kooperation mit der damaligen Frauenministerin Sima Samar, bald dann mit einem breit angelegten Programm zur Unterstützung afghanischer Frauen: Rechtsberatung und -vertretung inhaftierter Frauen und Mädchen, psychosoziale Beratung, Qualifizierung von Gesundheitspersonal und Menschenrechtsarbeit. Von Anfang an war die Arbeit nachhaltig angelegt - die afghanischen Kolleginnen sollten selbst genügend Kompetenzen entwickeln, um die Arbeit in Eigenregie fortführen zu können. Im Dezember 2010 wurde Medica Afghanistan als afghanische Nichtregierungsorganisation offiziell anerkannt, vor wenigen Tagen wurde dieser Schritt mit rund 180 Gästen in Kabul gefeiert.

Sie wurden von den knapp 70 MitarbeiterInnen der Organisation, alle einheitlich in einem tradtionellen Gewand gekleidet, und einer ganzen Reihe von Bannern empfangen: "Für ein Ende der Gewalt gegen Frauen in Afghanistan!", "Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten und Würde geboren" und "Frauen können einen Wechsel für Frauen und Gesellschaft bewirken!", so einige der Botschaften auf den Transparenten. Die Gründerin von medica mondiale, Monika Hauser, erklärte: "Wir können es historisch nennen, dass es uns gemeinsam gelungen ist, innerhalb von neun Jahren eine nachhaltig arbeitende Nichtregierungsorganisation aufzubauen - unter Bedingungen, die alles andere als einfach waren! Eure Arbeit macht den Unterschied für eine Frau, die Gewalt und Demütigung überlebt hat - den Unterschied, als menschliches Wesen behandelt zu werden, als Person mit Respekt begegnet zu werden." Damit sei eine "Übergabe in Verantwortung" gelungen, was der internationalen Gemeinschaft trotz der ungeheuren Militärausgaben bislang nicht geglückt sei.

In den neun Jahren Engagement von medica mondiale in Afghanistan konnte eine gute Basis für die weitere Arbeit der afghanischen Kolleginnen gelegt werden: So wurden unter anderem rund 2.300 Frauen psychosozial beraten, in 8.000 Fällen konnte medica mondiale Frauen mit Rechtsberatung und strafrechtlicher Verteidigung zur Seite stehen, mehr als 500 PolizistInnen wurden in Fortbildungen mit Frauenrechten vertraut gemacht, etwa 400 Frauen haben an Alphabetisierungskursen teilgenommen und 35 Richter wurden fortgebildet zum Thema Eheregistrierung. Alle Mitarbeiterinnen wurden mittels speziell entwickelter Fortbildungscurricula für diese anspruchsvolle Arbeit ausgebildet.

Angesichts der sich verschärfenden Sicherheitslage und den gesellschaftlichen Rückschritten für die Frauen im Land sieht sich Medica Afghanistan vor schwere Aufgaben gestellt. Die Leiterin Humeira Rasuli: "Wir haben hier durchaus gemischte Gefühle, wenn wir an unsere frisch nationalisierte Organisation denken. Einerseits sind wir voller Hoffnung, anderseits verlangt der Einsatz für Frauen von jeder Einzelnen von uns sehr viel Energie und Mut." Monika Hauser mahnt international einen verstärkten Einsatz zu Gunsten der Zivilgesellschaft in Afghanistan an. " Die Frauen Afghanistans brauchen öffentliche Bekundungen von Solidarität und ein Engagement, das die Menschenrechte nicht ignoriert. Die internationale Zusammenarbeit sollte endlich konditioniert werden, Gelder sollten erst dann an die Regierung fließen, wenn beispielsweise ein bestimmter Prozentsatz von Frauen im Justizsektor beschäftigt ist oder ein Drittel Frauen dem kürzlich gebildeten Hohen Friedensrat angehören."

Mit Medica Afghanistan hat medica mondiale jetzt die vierte von ihr aufgebaute Organisation in die Unabhängigkeit geführt: 1997 Medica Zenica in Bosnien-Herzegowina, 2003 Medica Kosova und 2004 Medica Tirana in Albanien.


medica mondiale setzt sich seit 1993 ein für traumatisierte Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten. Dabei versteht sich die Organisation als Anwältin für die Rechte und Interessen von Frauen, die sexualisierte Kriegsgewalt überlebt haben. Neben gynäkologischer Versorgung, psychosozialer und rechtlicher Unterstützung bietet medica mondiale Programme zur Existenzsicherung und leistet politische Menschenrechtsarbeit. 2008 wurde die Gründerin der Organisation, Monika Hauser, mit dem Right Livelihood Award, dem so genannten Alternativen Nobelpreis, ausgezeichnet.


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Quelle:
medica mondiale e.V.
Pressemitteilung vom 8. März 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2011