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MUMIA/778: 15 Jahre danach (Mumia Abu-Jamal)


Kolumne # 822
15 Jahre danach

Seit dem 11. Septenmber 2001 wurde die arabische Welt vor allem durch Bomben und Soldaten der USA in einen endlosen Strudel von Gewalt, Chaos und Tod gestürzt

Von Mumia Abu-Jamal, September 2016


Es ist jetzt 15 Jahre her, dass die Flugzeuge in die beiden Wolkenkratzer des World Trade Centers in Mahattan krachten. Seitdem wurde die arabische Welt in einen endlosen Strudel von Gewalt, Chaos und Tod gestürzt. Die meisten Toten gehen auf das Konto von US-Bomben und -Soldaten. Und die militärischen Interventionen der Vereinigten Staaten in Afghanistan und im Irak haben einen ungeheuren Hass auf das Imperium entfesselt und zu mehr - und nicht weniger - Terrorismus geführt. Die gefürchtete Organisation Al-Qaida ist inzwischen zum »Islamischen Staat« mutiert, und die Mehrheit der arabischen und muslimischen Länder hat sich in moderne Leichenhäuser verwandelt, aus denen der alte Gestank nach außen dringt. Um welche Staaten der arabischen Welt ist es denn heute besser bestellt? Ägypten? Libyen? Palästina? Wo immer die USA ihre schmutzigen Finger im Spiel hatten, verwandelte sich früher oder später alles in eine gifttriefende Schlangengrube.

Der US-Politikwissenschaftler und ehemalige CIA-Berater Chalmers Johnson (1931-2010) hatte schon im Jahr vor dem 11. September 2001 sein Buch »Blowback: The Costs and Consequences of American Empire« (»Rückstoß: Die Kosten und Konsequenzen des amerikanischen Imperiums«) veröffentlicht, das im März 2000 unter dem Titel »Ein Imperium verfällt. Wann endet das Amerikanische Jahrhundert?« auf Deutsch erschien. Darin beschrieb er die verdeckten Operationen und schmutzigen Tricks der CIA im Nahen Osten und anderswo. (»Rückstoß« verwenden US-Geheimdienste als Begriff für den unbeabsichtigten Effekt verdeckter Operationen, die im nachhinein auf ihre Urheber zurückschlagen, jW.) Nach 9/11 stiegen die Verkaufszahlen des Werkes in astronomische Höhen, weil die Leserinnen und Leser hofften, durch das Buch die Ereignisse besser zu verstehen und eine Antwort auf die Frage zu finden, warum es zu diesen Anschlägen kam.

Nun sind schon 15 Jahre vergangen, und immer weniger US-Bürger scheinen zu begreifen, was an jenem 11. September 2011 wirklich passiert ist. Der Grund dafür ist, dass die US-Regierung unter dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush den todbringenden Weg des Krieges und der Besetzung ging und das US-Militär mit den Muskeln spielen ließ, um zu zeigen, wie mächtig das Imperium ist.

Ist das Leben in den USA seitdem sicherer geworden? Ist die US-Gesellschaft weiser geworden oder gar »besser«? Allein in den arabischen Staaten hat diese Politik das Leben von über einer Million Menschen gefordert. Sie hatten nichts mit den Ereignissen des 11. September 2001 zu tun, trotzdem wurden »Shock and Awe« (»Schrecken und Furcht«) nicht nur in Bagdad verbreitet. Das US-Militär zerstörte Städte und Dörfer und löste damit einen Flüchtlingstreck von vier Millionen Menschen aus. US-Soldaten folterten Inhaftierte in ihren Gefangenenlagern in Irak, Diego Garcia, Guantánamo und in »Black Sites« genannten Geheimgefängnissen. Die USA stürzten Regierungen fremder Länder, die ihr nicht genehm waren, und sind damit verantwortlich für das heutige Desaster in einer ganzen Region. Und dennoch hören sie nicht auf, scheinheilig zu fragen: »Warum nur hassen sie uns so?«


Copyright: Mumia Abu-Jamal
mit freundlicher Genehmigung des Autors

Übersetzung: Jürgen Heiser
Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 219 vom 19. September 2016

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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2016

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