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MUMIA/868: Schwarzer Widerstand im 21. Jahrhundert (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 15.01.2018

Kolumne 891
Schwarzer Widerstand im 21. Jahrhundert

Von Mumia Abu-Jamal


Bei dieser Kolumne von Mumia Abu-Jamal handelt es sich um eine gekürzte Fassung von dessen Grußbotschaft an die XXIII. Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt am vergangenen Sonnabend [13.01.2018].

Ich möchte an dieser Stelle Einblicke in Kämpfe des schwarzen Amerika geben, von denen einige Hoffnung geben, dass angesichts der staatlichen Unterdrückung und Gewalt gegen schwarzes Leben derzeit neue Formen des Kampfes entstehen. Erstens hat die von drei nichtweißen jungen Frauen gegründete Bewegung »Black Lives Matter« (BLM) die Aufmerksamkeit von Aktivisten in den gesamten USA auf sich gezogen und das Augenmerk der Öffentlichkeit auf den staatlichen Terrorismus der US-Polizei und ihre Gewalttätigkeit gegen Schwarze gelenkt.

In mindestens drei US-Städten, Sanford in Florida, Chicago in Illinois und Philadelphia, habe Aktivisten von BLM eine entscheidende Rolle bei der Entlassung oder Auswahl örtlicher Staatsanwälte gespielt. Sie sorgen in den Kommunen für Veränderungen. Sie haben gegen Politiker protestiert, Sitzstreiks an Versammlungsorten der Polizei-»Gewerkschaften« organisiert und die Politik dazu gezwungen, die Namen und die Fälle von Menschen öffentlich zu machen, die von Einsatzkräften getötet wurden.

Zweitens entwickelt sich besonders im Süden eine Bewegung gegen die politische Rechte. Geführt von einem Prediger, Pastor William Barber, hat sie sich bewusst auf das gestützt, was Barber als »Fusionspolitik« bezeichnet hat. Das heißt, auf pragmatische Koalitionen, die die Trennlinien von »Rasse«, Ethnie, Klasse und Geschlecht überschreiten. Sie hat besitzlose Arbeiterinnen und Arbeiter gewerkschaftlich organisiert und für wirtschaftliche Rechte gekämpft.

Barber zufolge wollen Menschen überall im Süden der USA sich dieser multiethnischen, multikulturellen und an etlichen Fronten kämpfenden Bewegung anzuschließen. Er selbst ist ein Anhänger des ermordeten Martin Luther King. So sehen wir den abrupten Ausbruch sozialer Bewegungen überall im schwarzen Amerika, das sowohl geografisch als auch altersmäßig gespalten ist.

Die Jungen, die einen sofortigen Wandel verlangen, stürzen sich förmlich in die BLM-Gruppen. Erwachsene im mittleren Alter, besonders die, die eher religiös sind, fühlen sich von dem an King orientierten »Moral Mondays Movement« angezogen. Beide Bewegungen spiegeln eine tiefe Unzufriedenheit mit dem Status quo in den heutigen USA mit ihren schreienden Widersprüchen wider. Gleichzeitig reflektiert die Spaltung auch eine Realität schwarzen Lebens, und zwar sowohl im Norden, wo BLM dominiert, als auch im Süden, wo die »Moral Mondays Movements« überwiegen. Beiden gemeinsam ist jedoch noch etwas, was in den 1960ern noch nicht so klar ersichtlich war: Inzwischen haben sich weiße, asiatische, Latino, muslimische, jüdische und schwule Aktivistinnen und Aktivisten dieser Bewegung angeschlossen, die doch ursprünglich aus dem Kampf und der Qual von Schwarzen entstand.

Die multikulturellen Verbündeten, Unterstützerinnen und Unterstützer verhelfen diesen Bewegungen zu stärkerer Anziehungskraft, größerer Glaubwürdigkeit und mehr Gewicht. Es ist jetzt nicht mehr so leicht wie früher, schwarze Aktivisten zu isolieren. In den Sozialwissenschaften in den USA ist derzeit Intersektionalität das heiße Thema. Die Bewegungen haben diese Theorie übernommen und setzen sie in die Praxis um. So sehen die Alternativen in den heutigen Vereinigten Staaten von Amerika aus!

Übersetzung: Bundesweites Free-Mumia-Netzwerk

https://www.jungewelt.de/artikel/325270.schwarzer-widerstand-im-21-jahrhundert.html

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Quelle:
junge Welt vom 15.01.2018, Seite 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2018

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