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MUMIA/927: Gangster in Windeln (Mumia Abu-Jamal)


Kolumne 936
Gangster in Windeln

Wie gefährlich sind Kinder?
Die Kampagne gegen Flüchtlinge aus Mittelamerika dient nur den Herrschenden

von Mumia Abu-Jamal, Dezember 2018


Wir leben in einer Epoche, in der sich das US-Imperium im freien Fall befindet. In dieser Situation lässt die US-Regierung ganz offen lateinamerikanische Migrantinnen und Migranten aus Guatemala und Honduras an der Grenze zwischen den USA und Mexiko attackieren und Tränengasgranaten auf Mütter und Kinder werfen. Das alles geschieht, nachdem zuvor schon Kinder beim Grenzübertritt absichtlich von ihren Eltern getrennt wurden. Mit diesem grausamen Vorgehen verfolgte die Regierung vor allem das Ziel, die lateinamerikanischen Einwanderer einzuschüchtern und ihnen ein Mindestmaß an menschlichem Mitgefühl vorzuenthalten.

Seit jeher haben Staaten Einwanderer zu Sündenböcken gemacht und sie je nach Lage zur Zielscheibe rassistischer Feindseligkeiten gemacht. »König Donald I.«, bekannt als US-Präsident Donald Trump, diffamierte sie als »üble Typen, Verbrecher und Gangmitglieder«. Ja klar, die USA müssen vor »Gangstern in Windeln« geschützt werden!

In Wirklichkeit geht es dabei jedoch nur um eins, den von oben verordneten Klassenkrieg. Arme werden gegen Arme aufgehetzt. Arbeiterinnen und Arbeiter gegen die Brüder und Schwestern ihrer Klasse. Teile und herrsche. Das läuft indes nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika so, sondern in allen kapitalistischen Ländern. Die Herrschenden in Europa, Nord- und Lateinamerika spielen ihre Macht aus und erzeugen Furcht unter den Menschen, um Arbeiterinnen und Arbeiter gegeneinander aufzuhetzen.

Wenn Politiker das Gift der Furcht in der Bevölkerung verbreiten, ist es höchste Zeit für Arbeiterinnen und Arbeiter, sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen aller Länder zusammenzuschließen und gemeinsam zu kämpfen. Der Kapitalismus betreibt eine Politik der Spaltung und des Klassenkriegs von oben. Er fördert die Ellbogenmentalität, um die Menschen gegeneinander aufzubringen, statt dass sie solidarisch zueinanderfinden.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nach wie vor das »Gefangenenhaus der Nationen«. In den USA leben lediglich fünf Prozent der Weltbevölkerung, aber hinter den Mauern ihres Gefängnissystems sitzen 24 Prozent aller Gefangenen der Welt. Damit sind die Vereinigten Staaten der größte Kerkermeister dieses Planeten.

Im scharfen Kontrast dazu konnten wir in diesem Jahr die Freilassung von Debbie und Mike Africa von der Move-Organisation feiern, die beide 40 Jahre im Gefängnis saßen. Aber dieser kurze Moment des Aufscheinens von Helligkeit lässt nur noch deutlicher das finstere Grauen eines Systems erkennen, das Menschen über Jahrzehnte in Hand- und Fußfesseln und in Ketten legt. Er wirft sein Licht auch auf das Unrecht, das Leonard Peltier, einem indigenen nordamerikanischen Aktivisten der Lakota-Nation, angetan wird, den die US-Regierung auch nach mehr als 40 Jahren Haft in US-Bundesgefängnissen nicht freilassen will.

Abschließend entbiete ich unseren Genossinnen und Genossen in Deutschland meinen herzlichen Gruß: Habt Dank für alles, was ihr für die Menschenrechte und die Freiheit tut!


Bei diesem Text handelt es sich um eine von Mumia Abu-Jamal selbst gesprochene und vom Prison Radio Project in San Francisco aufgezeichnete Grußbotschaft. Sie richtete sich an die Kundgebung, bei der am 9. Dezember anlässlich des 37. Jahrestags seiner Verhaftung und aus Protest gegen die moderne Sklaverei im gefängnisindustriellen Komplex der USA rund 100 Menschen vor der US-Botschaft in Berlin demonstrierten.


Copyright: Mumia Abu-Jamal
mit freundlicher Genehmigung des Autors

Übersetzung: Jürgen Heiser
Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 293 vom 17. Dezember 2018

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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
Postfach 150 323, 28093 Bremen
E-Mail: ivk(at)freedom-now(dot)de
Internet: www.freedom-now.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2018

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