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MELDUNG/059: Keine Menschenwürde für Dublin-Flüchtlinge? (HU)


Pressemitteilung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union
vereinigt mit der Gustav-Heinemann-Initiative
Pressemitteilung vom 18. September 2015

"Bundesregierung will Menschenwürde für Dublin-Flüchtlinge außer Kraft setzen"

Humanistische Union verurteilt bekannt gewordene Pläne der Bundesregierung zur Einschränkung des Asylbewerberleistungsgesetzes für sogenannte Dublin-Flüchtlinge


Nach dem Beschluss der Bundesregierung zum Einsatz militärischer Gewalt gegen Flüchtlingsboote im Mittelmeer sind weitere Pläne der Bundesregierung bekannt geworden, die Asylsuchende und Flüchtlinge von einer Einreise nach Deutschland abschrecken sollen. Medienberichten zufolge plant die Regierung, die Versorgung hier ankommender Menschen aus EU-Drittstaaten (sog. Dublin-Fälle) nahezu vollständig einzustellen und diesen Verpflegung, Unterkunft und medizinische Versorgung zu verweigern.

Dazu erklärt der Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU), Werner Koep-Kerstin: "Mit dieser Politik der Abschreckung konterkariert die Bundesregierung nicht nur ihre eigene - kurzzeitige- Willkommensgeste für die Flüchtlinge, sondern auch die zahlreichen Bemühungen engagierter Bürgerinnen und Bürger, die mit Sachspenden und tatkräftiger Hilfe den hier ankommenden Menschen einen willkommenen Empfang bereitet haben." Die jetzt angekündigte Kürzung bzw. komplette Streichung der finanziellen Unterstützung für Asylsuchende, die über andere EU-Staaten nach Deutschland einreisen, treffe nahezu alle hier ankommenden Flüchtlinge. "Die Bundesregierung stiehlt sich mit ihren Vorschlägen komplett aus der Verantwortung. Geht es nach ihr, sollten die in den letzten Wochen hier angekommenen Flüchtlinge alle wieder zurück nach Ungarn oder Griechenland."

Die geplante Außerkraftsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), dass eine ohnehin nur sehr eingeschränkte Versorgung für Asylsuchende vorsieht, ist aus Sicht der Humanistischen Union komplett verfassungswidrig. "Das Bundesverfassungsgericht hat - mit guten Gründen - die im Sozialgesetzbuch wie im AsylbLG definierten Leistungen als minimalste Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben definiert, die nicht unterboten werden dürfen und die der Staat allen hier lebenden Menschen zu gewährleisten hat. Die Menschenwürde gilt auch für Menschen, die über andere Staaten nach Deutschland einreisen; sie lässt sich nicht mit Verweis auf ein Dublin-System außer Kraft setzen, das angesichts der derzeitigen Flüchtlingssituation ohnehin gescheitert ist."

Anstatt Flüchtlinge in überfüllten Aufnahmeeinrichtungen festzusetzen - egal ob in Deutschland, an der ungarischen Grenze oder in Griechenland; anstatt Flüchtlinge per Dublin-System oder fester Quoten in (Bundes-)Länder zu schicken, wo sie nicht hin wollen und die sie nicht aufnehmen wollen, sollte nach Ansicht der HU für Asylsuchende und Flüchtlinge eine freie Wahl des Aufenthaltsortes innerhalb der EU wie innerhalb Deutschlands gelten. Im Gegenzug sollte ein finanzieller Ausgleich für die aufnehmenden Länder vereinbart werden.

Weiterhin plant die Bundesregierung, dass alle Dublin-Flüchtlinge nunmehr sechs Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben sollen, um sie dann im sog. Schnellverfahren zurückschieben zu können. Die Rückführungen sollen nicht mehr wie bisher eine Woche vorab angekündigt, sondern sofort ausgeführt werden. "Diese Ausweitung der Lagerunterbringung von Flüchtlingen ist nicht nur angesichts der menschenunwürdigen Zustände in diesen Unterkünften völlig unangemessen; sie ist für die Betroffenen nach ihrer Flucht quer Europa eine unzumutbare Härte und provoziert zusätzliche Konflikte der Flüchtlinge untereinander, aber auch seitens der Anwohner/innen im Umfeld dieser Lager", warnt Werner Koep-Kerstin. Die vorgesehenen Ausgangskontrollen und Beschränkungen in den "Erstversorgungseinrichtungen" widerspreche auch der in den letzten Jahren gelockerten Residenzpflicht für Asylsuchende, die nun durch die Hintertür in drastisch verschärfter Weise wieder eingeführt werde.

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Quelle:
Humanistische Union e.V.
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Telefon: 030 - 204 502 56, Fax: 030 - 204 502 57
E-Mail: info@humanistische-union.de
Internet: www.humanistische-union.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2015

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