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APPELL/130: Keine Autofahr-Überwachung - Überwachungsdruck gegen Bevölkerung nicht erhöhen (Digitalcourage)


digitalcourage e.V. - Pressemitteilung vom 10. Dezember 2018

Keine Autofahr-Überwachung: Überwachungsdruck gegen Bevölkerung nicht erhöhen!


Digitalcourage wird am Mittwoch, 12. Dezember 2018 einen Brief an Abgeordnete im Bundestag versenden. Die Grundrechtsorganisation fordert mit dem Appell-Brief Bundestagsabgeordnete dazu auf, den Entwurf für die Neunte Änderung des Straßenverkehrsgesetzes abzulehnen und sich für eine komplett überwachungsfreie Lösung von Abgasproblemen einzusetzen.

Das Gesetz soll mittels Überwachung die Kontrolle von Verkehrsbeschränkungen und -verboten ermöglichen. Die automatische Erfassung des "Kennzeichens des Fahrzeugs", des "Bild[es] des Fahrzeugs und des Fahrers" und von "Ort und Zeit der Teilnahme am Verkehr" inklusive Datenabgleich ist eine massenhafte Kfz- und Bildüberwachung der autofahrenden Bevölkerung.

Digitalcourage und alle Menschen, die eine angeschlossene Petition unterstützen, haben erhebliche Zweifel an Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Verfassungskonformität des Entwurfs für ein Neuntes Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes.

"Wir möchten mit dem Brief erreichen, dass die Bundesregierung und die Abgeordneten im Deutschen Bundestag eine komplett überwachungsfreie Lösung für Abgasprobleme findet", sagt Friedemann Ebelt, Referent von Digitalcourage. "Wir sind der Meinung, dass Menschen das Recht haben, am Straßenverkehr teilzunehmen, ohne anlasslos erfasst zu werden."


Appell-Brief im Wortlaut

Neunte Änderung des Straßenverkehrsgesetzes

Keine Autofahr-Überwachung:
Verkehrsbeschränkungen überwachungsfrei kontrollieren -
Überwachungsdruck gegen Bevölkerung nicht erhöhen!

Sehr geehrte Frau ...,
sehr geehrter Herr ...,

Digitalcourage und alle Menschen, die unsere Petition unterstützen, bestreiten die Verhältnismäßigkeit und die Verfassungskonformität des Entwurfs für ein Neuntes Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes. Ziel des Entwurfs ist eine lückenlose Kontrolle von sogenannten "Dieselfahrverboten". Dafür soll eine Überwachungstechnik legalisiert werden, die von allen Fahrzeugen inklusive der fahrenden Personen, die an den jeweiligen Kontrollgeräten vorbeifahren, Bild- beziehungsweise Videoaufnahmen anfertigt. Vorgesehen ist weiterhin eine automatische Kennzeichenerfassung mit Datenbankabgleich.

Anders als bei der bisherigen Überwachung von Ordnungswidrigkeiten im Verkehr, würde der Entwurf eine ständige, anlasslose Massenüberwachung von Autofahrten erlauben.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum eventuelle Fahrverbote- und Einschränkungen nicht in gleicher Form wie die bisherigen grünen, gelben oder roten "Umweltplaketten" kontrolliert werden können.

Eine erste Einschätzung von Digitalcourage-Rechtsexperte Prof. Dr. Frank Braun finden Sie online als PDF.

Wir appellieren daher:

  • Neunte Änderung des Straßenverkehrsgesetzes: Lehnen Sie den Entwurf ab.
  • Setzen Sie sich für eine komplett überwachungsfreie Lösung ein!
  • Mögliche Alternativen sind: verpflichtende Hardwarenachrüstungen oder die Einführung einer blauen Plakette für freiwillig nachgerüstete Fahrzeuge.

(1) Autofahrende tragen keine Schuld am sogenannten Dieselskandal und dürfen darum nicht mit Überwachung bestraft werden. Verantwortlich zu machen sind die Gefahrverursacher, nicht die Menschen, die zertifizierte Fahrzeuge gekauft haben. Die Teilnahme am Straßenverkehr muss in der Regel überwachungsfrei möglich sein.

(2) Überwachung ist nicht erforderlich und nicht verhältnismäßig: Mit Hardwarenachrüstungen, Kontrollen, auch des ruhenden Verkehrs, durch Personal der zuständigen Behörden oder verschiedenen Lösungen für eine blaue Plakette stehen weniger überwachungsintensive Alternativen zur Verfügung. Die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger sind zu verteidigen!

(3) Einmal installiert, würde die geplante Überwachungsinfrastruktur ausgeweitet werden. Durch Elektromobilität und zukünftig an Umweltziele angepasste Abgasschwellwerte, sind Verkehrsregelungen zu erwarten, die nach Entwurf ebenfalls überwacht werden dürften. Die Erfahrung zeigt: Überwachung wird stets erweitert, aber nie zurückgebaut. Das ist der Bevölkerung nicht zuzumuten.

(4) LKW-Maut-Kontrollsäulen sind mehr als genug Überwachung! Entgegen der Darstellung im Brief von Verkehrsminister Andreas Scheuer: LKW-Maut-Kontrollen sind kein Argument für mehr Überwachung. Im Gegensatz zum geplanten Entwurf: LKW-Maut-Kontrollsäulen erfassen keine Bilder der Gesichter der fahrenden Personen und haben eine engere Zweckbindung. LKW-Maut wird auf Landstraßen und Autobahnen kontrolliert. Der Entwurf sieht hingegen Überwachung, insbesondere in Innenstädten vor, wodurch auch Fußgänger.innen, Radfahrende und andere Verkehrsteilnehmende betroffen sein werden.

(5) Überwachungs-Gesamtrechnung: Das Maß ist voll!
Entscheidend für die Bewertung des Entwurfs ist nicht nur die geplante neue Überwachung, sondern die Gesamtheit aller Maßnahmen, durch die Bürgerinnen und Bürger bereits jetzt überwacht werden. Der Überwachungsdruck gegen die Bevölkerung muss reduziert werden!


Weitere Informationen:
Erste Einschätzung von Digitalcourage-Rechtsexperte Prof. Dr. Frank Braun (PDF):
https://digitalcourage.de/sites/default/files/2018-12/StVG_Braun.pdf


Appell-Brief online:
https://digitalcourage.de/blog/2018/brief-gegen-auto-ueberwachung
Petition:
https://aktion.digitalcourage.de/keine-autofahr-ueberwachung

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Quelle
Pressemitteilung vom 10. Dezember 2018
digitalcourage e.V.
Marktstraße 18, 33602 Bielefeld
Telefon: +49-521-1639-1639, Fax: +49-521-61172
E-Mail: mail@digitalcourage.de
Internet: www.digitalcourage.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2018

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