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APPELL/184: IALANA fordert die Aussetzung der Sanktionen gegen den Iran in der Corona-Krise (IALANA)


IALANA
Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen
Für gewaltfreie Friedensgestaltung
Deutsche Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms
Pressemitteilung vom 8. April 2020

IALANA fordert die Aussetzung der Sanktionen gegen den Iran in der Corona-Krise


IALANA fordert von Bundeskanzlerin Merkel, den Regierungen der EU und der USA: Setzen Sie sofort alle Sanktionen gegen den Iran aus, die Lieferungen mit medizinischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Wege stehen.

Iran ist ein Brennpunkt der grassierenden Pandemie. Nach offiziellen Angaben sind bis jetzt bereits mehr als 3.450 Todesopfer zu beklagen.

Die Katastrophe trifft auf ein Land, dessen Bevölkerung seit Jahren unter den scharfen Sanktionen der USA und der EU leidet. Die Inflation ist auf 40% gestiegen. Für dieses Jahr werden zusätzlich 500.000 Arbeitslose erwartet. Die Hoffnung im Iran auf eine wirtschaftliche Erholung und ein Ende der Sanktionen nach dem Abschluss des Iran-Atom-Abkommens im Juli 2015 trog: Die USA kamen der Verpflichtung zur Aufhebung ihrer Sanktionen nur teilweise nach, kündigten im Mai 2018 den Vertrag unter Missachtung des Sicherheitsrates völkerrechtswidrig einseitig auf und setzten nicht nur ihre bisherigen Sanktionen wieder voll in Kraft, sondern begannen eine Politik des "maximalen Drucks". Dazu verschärfte die US-Regierung die Sanktionen noch und installierte mithilfe einer Sperrung des internationalen Finanzsystems für alle Zahlungsvorgänge mit dem Iran eine nahezu totale Import- und Export-Blockade. Staatliche iranische Auslandsguthaben über ca. 60 Mrd. US-Dollar sind ohnehin seit Jahren von den USA beschlagnahmt. Durch die Sanktionen wird der Iran gehindert, Erdöl zu verkaufen und mit Hilfe der Devisen Medikamente und medizinisches Material zu importieren. Deutschland und die EU haben dieser US-Politik außer der Beteuerung, dass es beim Iran-Atom-Abkommen bleiben solle, nichts entgegengesetzt; das von ihnen installierte Ersatzfinanzsystem INSTEX hat in 15 Monaten nur eine einzige Transaktion abgewickelt. Ihre eigenen Sanktionen hat die EU sogar verlängert.

Die US-Regierung behauptet zwar, Medikamente seien von ihren Sanktionen ausgeschlossen. Da aber Banken sowie Transport- und Versicherungsunternehmen nicht das Risiko eingehen wollen, wegen Handels mit dem Iran sanktioniert zu werden, sind bestimmte lebenserhaltende Medikamente rar geworden. Auch können die zur Produktion erforderlichen Grundstoffe nicht importiert werden. Das hat zur Folge, dass auch die Herstellung vieler Medikamente im Iran selbst unmöglich geworden ist. Bereits im Herbst letzten Jahres konnten Epilepsiekranke und Krebspatienten nicht mehr versorgt werden. Die Gesundheit von Millionen Iranern war schon bedroht, ehe die Pandemie mit COVID-19 Iran erreichte. Human Rights Watch berichtete, US-Regierungsmitarbeiter hätten mehrmals erkennen lassen, dass das der iranischen Bevölkerung zugefügte Leid beabsichtigt sei; diese solle in die Revolte gegen ihre Regierung getrieben werden.

IALANA sieht die einseitigen extraterritorialen Wirtschaftssanktionen, mit denen die USA alle anderen Staaten auf ihren Kurs zwingen wollen, als eine nach der UN-Charta rechtswidrige Einmischung in die Angelegenheiten souveräner Staaten an. Davon betroffen sind auch Kuba, Syrien und jetzt Venezuela. Die faktische Blockade der Lieferung lebensnotwendiger Güter wie Medikamente und medizinische Hilfsmittel in den Iran ist noch schwerwiegender: sie ist ein Menschheitsverbrechen. Sie gibt mit voller Absicht unschuldige Menschen dem Tod preis.

Im Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof um die Freigabe der iranischen Auslandsguthaben hat das Gericht im Oktober 2018 einstimmig - mit Unterstützung auch des von den USA benannten Richters - eine bindende einstweilige Anordnung getroffen: die USA wurden verpflichtet, nicht nur die Sanktionen insoweit aufzuheben, als sie die freie Ausfuhr von Medikamenten, medizinischen Geräten, Lebensmitteln und Agrarerzeugnissen behindern, sondern auch den dafür anfallenden Zahlungsverkehr nicht zu beeinträchtigen.

Das hinderte die Trump-Regierung nicht daran, am 17. März 2020, während das Coronavirus im Iran schon wütete, neue Sanktionen gegen den Iran zu verhängen und die Einfuhrblockade für medizinische Produkte ausdrücklich aufrecht zu halten. Die EU, Deutschland, Frankreich und Großbritannien sandten über die WHO nur eine symbolische kleine medizinische Hilfslieferung in den Iran.

In der aktuellen Notlage hat die iranische Regierung erstmals seit 60 Jahren sogar den Internationalen Währungsfonds um Soforthilfe in Höhe von 5 Mrd. US-Dollar gebeten. IWF-Direktorin Georgieva hatte vor wenigen Tagen mitgeteilt, es stünden flexible Notfallkredite im Volumen von 50 Milliarden Dollar zur raschen Verwendung für Schwellen- und Entwicklungsländer bereit, die unter der Corona-Krise leiden. Zehn Milliarden Dollar könne der IWF sogar zum Nullzins vergeben. Iran erfüllt die Kriterien fraglos. Es muss aber befürchtet werden, dass die USA dagegen ihr Veto einlegen werden. Nur ein Mittel kann jetzt zuverlässig helfen: die Iran-Sanktionen müssen umgehend aufgehoben oder zumindest in der Zeit der Pandemie für medizinische Hilfe ausgesetzt werden. Das fordern auch die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, der UN-Generalsekretär, António Guterres, und die Sicherheitsratsmitglieder Russland und China. Gefordert sind neben den USA auch die EU und Deutschland. Sie müssen nicht nur ihre eigenen Sanktionen aufheben, sondern den internationalen Druck gegen unilaterale Sanktionen der USA in der jetzigen Lage der Pandemie verschärfen und humanitäre Hilfslieferungen an den Iran gewährleisten. Das gebietet die Befolgung der von dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag erlassenen Einstweiligen Anordnung und die menschliche Pflicht zur Abwendung einer humanitären Katastrophe.

Gleichlautend an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundesaußenminister Heiko Maas und Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller.

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Quelle:
IALANA-Hauptstadtbüro
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E-Mail: info@ialana.de
Internet: http://www.ialana.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2020

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