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BERICHT/114: 24. Linke Literaturmesse - gegen Faschismus und Machismus ... (SB)



Die Gründerinnen der Mujeres Libres fanden ja innerhalb der anarchistischen Bewegung schon Sexismus vor, dann können wir uns vorstellen, wie außerhalb der anarchistischen Bewegung in der spanischen Gesellschaft noch viel mehr Sexismus, patriarchales Verhalten und Strukturen existierten. Die Idee der Mujeres Libres war ja zu keinem Zeitpunkt, eine immerwährende Frauenorganisation zu gründen, sondern sie wollten temporär, also für einen kurzen Zeitraum, einfach eine Frauenorganisation haben, um gegen diesen Sexismus ankämpfen zu können.
Vera Bianchi, Herausgeberin des Buches "Mujeres Libres. Libertäre Kämpferinnen" [1]


Foto: Gerda Taro [Public domain] via Wikimedia Commons

Mujeres Libres während des Spanischen Bürgerkrieges - Aufnahme der deutschen Fotografin Gerda Taro von 1936
Foto: Gerda Taro [Public domain] via Wikimedia Commons


Erinnerungen an kämpfende Frauen in Spanien (1936 bis 1939)

Mujeres Libres - zu deutsch "freie Frauen" - nannten sich zur Zeit des Spanischen Bürgerkriegs Frauen der anarchistischen Bewegung, die sich im April 1936 als eigenständige Frauengruppe zusammengeschlossen hatten im Kampf gegen die gesellschaftliche wie häusliche Unterdrückung, Benachteiligung und Entwürdigung der Frau wie auch den Putsch Francos vom 18. Juli 1936. Auffällig ist aus heutiger Sicht der geringe Bekanntsheitsgrad dieser Frauen, weshalb zu vermuten steht, daß der für Spanien berüchtigte Machismo auch unter Franco-Gegnern bis hinein in kommunistische und anarchistische Organisationen weit verbreitet war und die Mujeres Libres auch in ihnen nicht "für voll" genommen wurden.

Lucía Sánchez Saornil, Mercedes Comaposada und Amparo Poch y Gascón, drei in der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT) organisierte Frauen, hatten sich zur Gründung der Mujeres Libres veranlaßt gesehen, nachdem sie mit dem Anliegen, eine fortschrittliche Zeitschrift für Frauen zu gründen, in der CNT auf Ablehnung gestoßen waren. Die Herausgabe der gleichnamigen Zeitschrift "Mujeres Libres", in der es nicht um Mode und Kosmetik, sondern die brennenden politischen Fragen der Zeit ging, gehörte zu den ersten Aktivitäten dieser feministisch-anarchistischen Frauen.

Während des fast dreijährigen Krieges in Spanien beteiligten sich die Mujeres Libres aktiv, sowohl an der Front als auch im Hinterland, an der Verteidigung des Republik. Als Franco am 1. April 1939 den Bürgerkrieg für beendet erklärte und mit offener Unterstützung der faschistischen Achsenmächte Italien und Nazi-Deutschland, aber auch mit stillschweigender Duldung Englands, Frankreichs und der USA in Spanien eine Diktatur errichtete, waren auch die kämpfenden Frauen der Mujeres Libres starker Repression ausgesetzt. Sie galten noch in den nach Francos Tod 1975 als demokratisch deklarierten Zeiten als "unanständige Frauen".

Schon früh gab es Bemühungen, die Geschichte der Mujeres Libres von ihrer Seite aus aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Eine der Pionierinnen, die Schriftstellerin Mercedes Comaposada, bat überlebende Mitstreiterinnen nach Kriegsende um Mitwirkung an einem Buch über die Mujeres Libres von den Anfängen 1934 bis zum Jahr der Niederlage 1939. Sie forderte sie auf, ihr ihre Erinnerungen und Erfahrungen zu schildern, aber auch Zeitungsartikel, sonstige Dokumente oder Fotos zur Verfügung zu stellen. Das von Mercedes Comaposada auf Basis dieser Zeugnisse erstellte Buchmanuskript wie auch die von den beteiligten Frauen ausgefüllten Fragebögen gelten trotz intensivster Nachforschungen bis heute als verschollen.

Viele Jahre später wurde erneut von früheren "freien Frauen" eine Initiative ins Leben gerufen, um diesen Aspekt der spanischen wie europäischen Geschichte einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Sara Berenguer gab 1999 in Zusammenarbeit mit 13 weiteren ehemaligen Mujeres Libres einen Erinnerungsband heraus ("Mujeres Libres. Luchadoras Libertarias"). Auf deutsch ist dieses Buch 2019 unter dem Titel "Mujeres Libres. Libertäre Kämpferinnen" [2] erschienen, übersetzt von der Herausgeberin Vera Bianchi und Renée Steenbock, die das Werk auf der 24. Linken Literaturmesse in Nürnberg am 2. November 2019 in einer Lesung vorstellte. [3]

Aufgrund des unnachahmlichen sprachlichen Stils Mercedes Comaposadas habe das nun herausgebrachte Werk nicht die Qualität des ursprünglichen Manuskripts, so Steenbock. Die mit der Buchherausgabe befaßten Frauen hätten die erhalten gebliebenen Dokumente durch inhaltliche Beiträge ergänzt und zu einer Neuauflage des verschwundenen Buches zusammengestellt. Zunächst las die Übersetzerin aus einem zeitgenössischen Text vor, der 1937 unter dem Titel "Die Frau im Krieg und in der Revolution" verfaßt worden war. Darin schildert die Autorin die Entstehung und Entwicklung der Mujeres Libres aus ihrer persönlichen Sicht.

"Schon als wir sehr jung waren, litten wir beim Anblick der vorzeitig gealterten Gesichter der Frauen unseres Volkes", hieß es dort zur Vorgeschichte dieser Frauengruppe. Der aufkeimende Widerstand habe sie dazu gebracht, mit Nachdruck nach den Gründen zu suchen und so seien sie darauf gestoßen, daß eigentlich alle Frauen, egal, welcher Klasse sie angehören, Unwissenheit und Versklavung gemeinsam hätten. In der Oberschicht werde dies bestenfalls besser verdeckt und getarnt hinter überflüssigen Kenntnissen und einem herablassenden Lächeln, das die aufbegehrenden Frauen nur noch mehr aufbrachte, weil nicht der Körper, sondern der Geist mit falschen Schmeicheleien angegriffen wurde.

Weiter wurde berichtet, daß die Frauen, die von ihrer Emanzipation zu träumen begannen, mit den Angeboten der politischen Parteien und Organisationen überhaupt nicht zufrieden waren. Die Forderung nach politischen Rechten, die sich aus Sicht der Mujeres Libres "an denselben ausgetretenen Pfaden orientierte, in denen Männer seit Jahrhunderten versklavt wurden", sei noch die fortschrittlichste gewesen. So hätten die "freien Frauen" begonnen, neue Wege der Emanzipation zu beschreiten. Orientiert an Vorstellungen des Naturrechts, das allen Individuen immanent sei, suchten sie mit allen Traditionalismen zu brechen. Wie Renée Steenbock erläuterte, ist es zum Verständnis der Mujeres Libres sehr wichtig klarzustellen, daß sie sich nie gegen die Männer ausgesprochen, sondern immer gesagt hätten, daß sich beide Geschlechter ergänzen.

In der damaligen, stark vom Machismo dominierten spanischen Gesellschaft stellten die Mujeres Libres die traditionell besonders enge Rolle der Frau konsequent in Frage und boten ihren Geschlechtsgenossinnen praktisch-konkrete Hilfen an, um sich aus dieser Versklavung zu lösen. Die anfangs kleine Gruppe anarchistischer Frauen wollte diese Aufgabe keineswegs allein schultern und vertrat die Auffassung, daß ihre Inangriffnahme bereits ein beträchtlicher Schritt sei. Das Dringendste war für sie ein Propagandaorgan, um ihre revolutionären Thesen, Inhalte und Aufrufe vielen Frauen zugänglich zu machen. Im Mai 1936 wurde die gleichnamige Zeitschrift "Mujeres Libres" ins Leben gerufen. Der Name war Programm, das Adjektiv "frei" bedeutete, unabhängig von jeder politischen Gruppe, Organisation oder Sekte zu sein. Tausende, so hieß es in dem Text von 1937, griffen diese Ideen voller Begeisterung auf, die Zeitschrift stieß unter den Frauen Spaniens auf großes Interesse.

Umgehend begannen die Mujeres Libres mit dem nächsten Schritt. Sie organisierten Versammlungen in libertären Kulturzentren und leiteten die Gründung von Bildungszentren in die Wege. Doch bevor diese Initiativen zum vollen Durchbruch gebracht werden konnten, machte der Putsch Francos, der die damalige Republik und ihre demokratisch gewählte Volksfrontregierung bedrohte und Spanien in zwei Zonen teilte, dem Ganzen ein (vorläufiges) Ende. Für die anarchistischen Mujeres Libres war es selbstverständlich, sich dem antifranquistischen Kampf anzuschließen. Auch machten sie die Umsetzung der sozialen Revolution, womit in der republikanischen Zone sofort begonnen wurde, zu ihrer Sache und teilten die Überzeugung vieler anarchistischer und kommunistischer Organisationen, daß dies den Kampf gegen Franco beflügeln und keineswegs ausbremsen würde.


Graphik: NordNordWest, modifications by user:Sting, Grandiose (Diskussion · Beiträge) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]

Spanien im Juli 1936 - Zone unter republikanischer Kontrolle blau gekennzeichnet, Zone der Putschisten rosa
Graphik: NordNordWest, modifications by user:Sting, Grandiose (Diskussion · Beiträge) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]

Mit zunehmender Kriegsdauer gelang es der von der Sowjetunion unterstützten Kommunistischen Partei Spaniens, eine moderatere Position durchzusetzen, sprich der Revolution eine Absage zu erteilen. Dies trug den moskaunahen Kräften den Vorwurf ein, die Verteidigung der Republik geschwächt und Franco zum Sieg verholfen zu haben. Vermutet wird, daß Moskau damit das geostrategische Kalkül verfolgte, auf diesem Wege eine Kooperation mit den gegenüber den faschistischen Staaten gemäßigteren westlichen kapitalistischen Staaten zu ermöglichen.

Im Spanischen Bürgerkrieg habe sich schnell herausgestellt, daß er entgegen vielfacher Befürchtungen die Pläne und Projekte der Mujeres Libres keineswegs beendete, sondern unter widrigsten Kriegsbedingungen sogar beflügelte. Die Frauen sahen sich dem von Renée Steenbock vorgestellten Text zufolge unversehens auf die Straße geworfen. Die Männer wurden von ihren Familien fortgerissen, staatliche Unterstützungsleistungen - "faule Spiele der Obrigkeit" - brachen zusammen. Viele Frauen emanzipierten sich, nachdem "die "Stützmauern ihres alten Heimes" zerstört worden waren.

Ab Juli 1936 formierten sich die Mujeres Libres. Sie wuchsen innerhalb eines Monats auf 3.000 und später auf mehr als 20.000 Kämpferinnen in über 160 Ortsgruppen an. Ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechend verteilten sie sich auf sieben verschiedene Sektionen, die mit dem Krieg im Zusammenhang standen oder für das Leben hinter der Front notwendig waren. Dies sei mit direkter Unterstützung der CNT geschehen, in der viele der "freien Frauen" organisiert waren. Für den Fall, daß die Männer an die Front gerufen wurden, wurden Frauen auch in traditionellen Männerberufen ausgebildet, so zum Beispiel im Verkehrs- und Transportwesen. Die zuständige Einheitsgewerkschaft griff die Idee, junge Frauen als Bus- und Straßenbahnfahrerinnen auszubilden, mit großem Interesse auf. Bei vielen Fahrgästen aber setzte erst langsam ein Umdenkungsprozeß ein, sie reagierten mit Erstaunen oder sogar Entsetzen, wenn sie merkten, daß sie in einer von einer Frau gelenkten Bahn saßen.

Den tiefgreifenden Veränderungen im Leben dieser Frauen seien auch die offiziellen Stellen im republikanischen Spanien diesem zeitgenössischen Text zufolge häufig nicht gerecht geworden, wie sich am Widerstand betroffener Frauen gegen die angeordneten Maßnahmen der Zwangsevakuierung gezeigt habe. Tradierte Rollenklischees hielten sich hartnäckiger, als die Emanzipation vieler Frauen in diesem Krieg und dem kriegsdominierten Alltag voranschritt. Ausgehend vom alten, weibliche Schwäche suggerierenden Bild wollten viele Genossen die Frauen aus den gefährlichen Frontabschnitten fernhalten, obwohl sie längst gerade dort auch im Gefecht "ihre Frau" gestanden hatten. Die Frauen Madrids, die auf den Barrikaden gestanden hatten, hätten eine solche Demütigung nicht verdient. Gebt denjenigen, die die Stadt verlassen wollten, alle Unterstützung, hieß es in dem 1937 verfaßten Text, doch "zwingt nicht diejenigen, die mit dem gleichen Recht wie die Männer ihre Aktivitäten und ihr Leben der Niederschlagung des Faschismus und dem revolutionären Aufbau widmen wollen", zu gehen.


Ein Kapitel der "brüderlichen Solidarität" gewidmet

Ein weiteres Kapitel wurde 1986 von Pepita Carpeña unter dem Titel "brüderliche Solidarität" verfaßt. Darin schildert sie, was sie als junge Frau am Tag vor der Einnahme Barcelonas durch die Faschisten am 26. Januar 1939 erlebte. Evakuierungspläne mußten bei völlig unzureichenden Transportmöglichkeiten organisiert werden, um die in der Stadt verbliebenen Menschen zu retten. Da Pepita Carpeña und eine weitere Genossin schwer erkrankt waren, wurde für sie eine Fahrt im Wagen des Sekretärs der Antifaschistischen Sozialistischen Initiative organisiert. Die beiden Frauen erreichten unter größten Strapazen den vereinbarten Treffpunkt, doch wer nicht kam, war der Sekretär. Stunden später erhielten sie einen Anruf von Soledad Estorach, die ihre Flucht organisiert hatte und sich nun kurzerhand entschloß, die beiden Schwerkranken selbst abzuholen. Der Companero, so erläuterte sie, habe in der Nacht angenommen, die Faschisten in die Stadt einmarschieren zu hören und sei vor der verabredeten Zeit losgefahren. Ungeachtet dessen, daß Francos Truppen nun tatsächlich schon sehr viel näher gerückt waren, setzte diese Frau ihr Leben aufs Spiel, um sie zu retten. Nie werde sie, so erklärte Pepita Carpeña, diesen Akt "brüderlicher Solidarität" vergessen.

Die Flucht gelang. Die beiden Frauen gelangten schließlich nach Frankreich, wo sie wie viele andere als "spanische Republikaner" bezeichnet, als "die Roten" gedemütigt und mißhandelt wurden. Dies war ihnen absolut unbegreiflich. Die große Enttäuschung wurde erst nach vielen Jahren weniger leidenschaftlich durch die Gewißheit, daß sich nicht die ganze (französische) Bevölkerung so verhalten hat, sondern die Regierenden. Die weiteren Jahre, der Kampf der spanischen Republikanerinnen und Republikaner auf französischem Boden während des Zweiten Weltkrieges mit all seinem Elend, wären ein weiteres Kapitel wert, so Pepita Carpeña.

Zeugnisse persönlicher Lebensgeschichte und politischer Erinnerungen wie diese markieren eine in der allgemeinen Darstellung vernachlässigte Seite der unter den Titeln "Spanischer Bürgerkrieg" und "Zweiter Weltkrieg" mit einem groben Keil zugeordneten damaligen Kriegsereignisse. Es sind Puzzle-Teilchen, die die Widersprüchlichkeit des von den westlichen Siegermächten nach 1945 bevorzugten Deutungsbildes - hier die "Guten" (die demokratischen westlichen Alliierten USA, Frankreich und Großbritannien), dort die "Bösen" (das faschistische Deutschland mit den verbündeten Achsenmächten) - andeuten. Wie zum Beispiel läßt sich erklären, daß das demokratische und antifaschistische Frankreich die Repression gegen geflohene Spanienkämpferinnen und -kämpfer fortsetzte und Franco damit de facto unterstützte?


Keineswegs eindeutig - der historische Hintergrund

Arbeiterbewegungen, sozialistische und kommunistischen Parteien und Organisationen, radikale Gewerkschaftsbewegungen und anarchistische Strömungen waren der sichtbare Beweis für die Unzufriedenheit sehr vieler Menschen mit den herrschenden Verhältnissen sowie ihre zunehmende Bereitschaft und Entschlossenheit, gegen Staat und Gesellschaft, Kirche und Politik aufzubegehren. Muß da die Oktoberrevolution von 1917 in Rußland für die Regierenden in den kapitalistischen Staaten nicht nahezu ein Schock gewesen sein? Wenn russische Kommunistinnen und Kommunisten imstande sind, Staat und Regierung zum Teufel zu jagen, was könnte dann in den übrigen europäischen Staaten geschehen, in denen "linke Umtriebe" um sich greifen? Die herrschenden Eliten vieler Staaten Europas könnte die Einschätzung geeint haben, daß es unverzichtbar sei, unter Einsatz aller, auch militärischer Mittel die "rote Gefahr" in Spanien auszumerzen und ihr Übergreifen auf weitere Länder zu verhindern.

Dies würde erklären, warum die demokratisch gewählte Volksfrontregierung Spaniens nach dem Putsch international nur sehr wenig Unterstützung erhalten hatte. Frankreich, Großbritannien und die USA ließen Franco gewähren und beriefen sich auf den Nichteinmischungsbeschluß des Völkerbundes vom 9. September 1936. Im offenen Bruch dieser Vereinbarung wurden die spanischen Putschisten von Italien und dem Deutschen Reich - auch mit Waffengewalt - unterstützt. Die Sowjetunion lieferte den Republikanern zwar Waffen und Berater, machte dies aber von bestimmten Bedingungen abhängig. Der Einfluß Moskaus bewirkte ein Erstarken der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) gegenüber radikaleren kommunistischen und anarchistischen Bewegungen sowie die Preisgabe des revolutionären Aufbaus in der republikanischen Zone, womit sich die sowjetische Führung das Wohlwollen der moderateren westlichen Staaten (Großbritannien, Frankreich, USA) erwirkt haben mag.


Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H25224 / Unbekannt / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 DE (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)]

Die Ruinen der am 26. April 1937 durch einen deutschen Luftangriff der "Legion Condor" zerstörten Stadt Guernica
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H25224 / Unbekannt / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 DE (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)]

Aus vielen westlichen Staaten waren "Internationale Brigadisten" nach Spanien gegangen, um in diesem Krieg die Demokratie gegen den Faschismus zu verteidigen, von dem sie - zu Recht - annahmen, daß sein Vormarsch in diesem Land nicht aufhören würde. Ende 1938, wenige Monate vor Kriegsende, mußten sie Spanien auf Druck des Völkerbundes verlassen. Viele von ihnen wurden in Frankreich interniert oder nach der Besetzung Frankreichs 1940 durch das Deutsche Reich in Konzentrationslager verbracht. Anfang 1939 hatten die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens die spanischen Putschisten als offizielle Regierung Spaniens anerkannt, die USA folgten nach Francos am 1. April 1939 deklariertem "Sieg". Alle sozialen und demokratischen Errungenschaften, die in der Zweiten Spanischen Republik von der Arbeiterbewegung und den anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften erkämpft worden waren, wurden zurückgeschraubt. Der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge fielen nach Kriegsende über 143.000 Menschen einer Welle brutalster Repression und politischer Säuberung zum Opfer. Die Aufklärung dieser Politik des "Verschwindenlassens" wird durch ein bis heute nicht außer Kraft gesetztes "Amnestiegesetz" verhindert. [4]


Was wäre gewesen, wenn die Mujeres Libres in der anarcho-syndikalistischen Bewegung voll anerkannt worden wären?

Wie Renée Steenbock in ihrer Lesung ausführte, schrieb Pepita Carpeña in ihrem 1986 verfaßten Text, daß sie und ihre Genossinnen 50 Jahre, ein ganzes Leben, für ein Ideal gekämpft hätten. Bei ihrer Rückkehr in die Heimat hätten sie einen Kloß im Hals gehabt, obwohl sie sich immer als Internationalistinnen verstanden hätten. Das Herz ziehe sich zusammen, die Erinnerungen kämen in Strömen, und sie möchte so gern glauben, daß das spanische Volk sich wieder erholen werde und es nicht vergeblich war, daß so viele Menschen alles, auch ihr Leben, in diesem Kampf gegeben haben. Es sei an den jungen Menschen, so ihr Appell, diesen Kampf weiterzuführen, auch wenn der Weg mühsam ist, was er auch für sie gewesen sei. Mit dem Zitat "ohne die verrückten Utopisten wären wir noch heute in der Steinzeit - es sind immer die Minderheiten, die die Mehrheiten dazu bringen, voranzuschreiten", schloß die Übersetzerin ihre Buchvorstellung.

Über die Frage, welche Gründe zum Sieg Francos geführt und beigetragen haben könnten, sind schon viele Worte gesprochen und geschrieben worden. Die damaligen Frauenkämpfe haben dabei kaum Berücksichtigung gefunden. Ob der sogenannte Bürgerkrieg, der vielfach als der eigentliche Beginn des Zweiten Weltkriegs bewertet wird, zur Niederlage Francos hätte führen können, wenn unter anderem auch der Machismo vollständig beendet worden wäre und der antifaschistische Kampf wie auch die soziale Revolution von beiden Geschlechtern auf gleicher Augenhöhe vorangetrieben worden wären, läßt sich aus rückwärtiger Sicht weder bestätigen noch widerlegen.

Nach Darstellung Renée Steenbocks waren die Mujeres Libres, obwohl sie der anarcho-syndikalistischen Bewegung angehörten, als eigenständige Frauengruppe in ihr nicht anerkannt worden. Zu einem Kongreß beispielsweise wurden sie noch nicht einmal eingeladen mit der Begründung, sie seien "politisch noch nicht reif genug". Sie sollten "ein bißchen mehr arbeiten", dann würden sie auch in den Kreis der anderen Organisationen - der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft CNT (Confederación Nacional del Trabajo), der FAI (Federación Anarquista Ibérica) und der Jugendorganisation FIJL (Juventudes Libertarias) - aufgenommen werden.

Daß der "kleine Unterschied" keineswegs zweitrangig ist und die herrschaftssichernde Funktion scheinbar privater Beziehungen, in denen "er" sich immer noch zu Lasten von "ihr" als der "Herr" im Hause aufführen kann, nicht zu bestreiten ist, scheint, oberflächlich gesehen, heute selbstverständlich zu sein. Vom damaligen Spanien können wir nur vermuten, daß die weitverbreitete Weigerung, althergebrachte Privilegien als Vorteile geschlechtsspezifischer Unterdrückung zu begreifen und abzulehnen, zum Niedergang der Republik und der in ihr liegenden historischen Entwicklungschancen revolutionärer Umbrüche beigetragen hat. Für die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit diesen noch immer brennenden und aktuellen Fragestellungen historisch interessante Anhaltspunkte geliefert zu haben, zählt fraglos zu den Verdiensten des auf der Nürnberger Literaturmesse präsentierten Buchs über die Mujeres Libres.


Transparent 'Frauenkampf ist Klassenkampf' - Foto: © 2019 by Schattenblick

Fragen des Frauen- und Klassenkampfes auf der Nürnberger Literaturmesse 2019
Foto: © 2019 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] Das Buch "Mujeres Libres. Libertäre Kämpferinnen" wurde auf der 24. Linken Literaturmesse von der Übersetzerin Renée Steenbock vorgestellt. Bei diesem von Vera Bianchi im Verlag Edition AV 2019 herausgegebenen Werk handelt es um die deutsche Übersetzung eines von ehemaligen Mitgliedern der Mujeres Libres 1999 auf Spanisch veröffentlichten Sammelbands. Das Zitat von Vera Bianchi stammt aus einem am 8. Oktober 2019 in der Graswurzelrevolution erschienenen Interview.
https://www.graswurzel.net/gwr/2019/10/frauen-in-der-spanischen-revolution-2/

[2] Vera Bianchi (Hg.): Mujeres Libres. Libertäre Kämpferinnen, Edition AV, Bodenburg 2019, 230 Seiten, ISBN 978-3-86841-221-5

[3] Siehe auch das Interview mit Renée Steenbock im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → DIE BRILLE → REPORT:
INTERVIEW/144: 24. Linke Literaturmesse - der gleiche Feind ...    Renée Steenbock im Gespräch (SB)

[4] "Vor 80 Jahren: Beginn des Spanischen Bürgerkriegs", veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung, 14.7.2016,
http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/231078/1936-spanischer-buergerkrieg-14-07-2016


Berichte und Interviews zur 24. Linken Literaturmesse in Nürnberg im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → INFOPOOL → DIE BRILLE → REPORT:

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9. Januar 2020


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