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ITALIEN/002: Mitte Links in Italien vor Wahlen im Auftrieb (Gerhard Feldbauer)


Mitte Links in Italien vor Wahlen im Auftrieb

Unterstützung durch namhafte Intellektuelle

von Gerhard Feldbauer, 22. Februar 2013



Das Mitte Links-Bündnis Luigi Bersanis hat in der letzten Woche der am kommenden Sonntag und Montag stattfindenden Parlamentswahlen an Schwung zugelegt, ist offensiver geworden und demonstrierte Einheit. Auf einer Kundgebung auf dem Domplatz in Mailand erntete der Chef der Demokraten vor 30.000 Menschen die meiste Zustimmung als er vor der Gefahr einer Rückkehr des im November 2011 gestürzten Mediendiktators Berlusconi an die Macht warnte und aufrief, das mit der Wahl seiner Koalition zu verhindern. Ein Wahlsieg Bersanis in der Abgeordnetenkammer gilt als sicher. Aber in Mailand mit der Lombardei könnte Berlusconis Verbündeter, die Lega Nord, und in Sizilien, einer alten Hochburg der Faschisten und der Mafia, seine PdL den ersten Platz belegen, damit die Mehrheit im Senat, der zweiten Kammer, erreichen und mit dem Vetorecht eine Mitte Links-Regierung paralysieren. Bersani betonte ausdrücklich das Bündnis mit der Linkspartei Umwelt und Freiheit Nichi Vendolas, des derzeitigen Regierungschefs eines Mitte Links-Bündnisses im südlichen Apulien. Ihm werde ein Ministerposten in seiner Regierung zur Verfügung stehen. Zu den Teilnehmern in Mailand gehörte der zweimalige Premier von Mitte Links-Regierungen, der noch immer populäre Romano Prodi. Der stets als entschiedener Gegner Berlusconis bekannte Wirtschaftsprofessor stellte sich nachdrücklich hinter Bersani und Vendola.

Für die Abgeordnetenkammer sind 50,4 Millionen Italiener über 18 Jahre, davon 3,2 im Ausland lebende wahlberechtigt. Für den Senat können 45,7 Millionen ab 25 Jahre, davon 2,5 im Ausland abstimmen. Gewählt werden 630 Abgeordnete und 315 Senatoren. Nach dem von Berlusconi eingeführten "porcelum" (Schweinerei) genannten Wahlsystem erhält in der Abgeordnetenkammer die erstplazierte Partei, wofür bereits eine Stimme über der einfachen Mehrheit ausreicht, 340 Sitze, das sind 54 Prozent der Mandate, und damit die Mehrheit zugesprochen.

Umberto Eco warnte vor Berlusconis übelstem Faschismus

Auftrieb erhielt Mitte Links durch einen Appell, in dem zahlreiche namhafte Intellektuelle, darunter Nobelpreisträger Dario Fo, Umberto Eco, Andrea Camillieri, Alberto Asor Rosa und Nanni Moretti zur Wahl von Mitte Links aufriefen. Zu den Unterzeichnern gehörten u. a. auch der frühere Präsident des Verfassungsgerichts, Gustavo Zagrebelsky, und der stellvertretende Kammerpräsident Stefano Rodotà. Es gelte, eine Rückkehr von Politikern an die Macht zu verhindern, "die Italien in eine katastrophale Situation", an den "Rand des Abgrunds geführt haben", heißt es mit deutlichem Bezug auf den faschistoiden Ex-Premier und reichsten Kapitalisten Italiens Berlusconi. Ins Gewicht fällt, dass diese Persönlichkeiten immer wieder gewarnt haben, von dem Regime des Mediendiktators, einem Mitglied des Dreierdirektoriums der faschistischen Putschloge P2, drohe die Etablierung eines faschistischen Regimes. Fo hatte unter Berlusconi "den Zusammenbruch der Demokratie" und die Etablierung eines "neuen Faschismus" gesehen. Eco hat dessen Regierungskurs ein Erbe "des übelsten Faschismus" genannt und betont, er habe nichts mit der Vergangenheit zu tun, aber die totale Kontrolle und Ausbeutung, die Gleichschaltung der Medien, der selbstgemachte Terror, die Militarisierung der Gesellschaft und die Angriffskriege seien dieselben Resultate. Nanni Moretti enthüllte in seinem Film "Der Kaiman" offen die übelsten Charakterzüge Berlusconis, der in die Politik ging, um den drohenden Bankrott seines Firmenimperiums abzuwenden. Wenn Moretti am Ende zeigte, dass die Anhänger des Despoten nach dessen Verurteilung den Justizpalast in Brand steckten, erinnerte er daran, dass über den Amtszeiten Berlusconis immer der Schatten der P2 hing und damit die Drohung, mit hinlänglich bekannten Putschversuchen die Macht zu behaupten. Die Aktualität dieser Warnung wird unterstrichen durch die derzeitigen Staatsstreichdrohungen der rassistischen Lega Nord, bei einem Sieg von Mitte Links die reichen Nordregionen vom Zentralstaat abzuspalten.

In Berlin gab Außenminister Westerwelle der Hoffnung Ausdruck, dass die neue Regierung in Rom den von Monti verfolgten "proeuropäischen Kurs und die notwendigen Reformen" fortsetzen werde. Der Pressesprecher der Kanzlerin, Seibert, erklärte, das sei die Meinung der ganzen Regierung. Der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU) warnte mit Bezug auf die gegen Berlusconi laufenden Gerichtsverfahren ebenfalls vor dessen Wiederwahl.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2013