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ITALIEN/063: Streikwelle hält an - Proteste in mehr als 20 Großstädten (Gerhard Feldbauer)


Streikwelle in Italien hält an

Proteste in mehr als 20 Großstädten gegen sozialfeindliche Politik Renzis

von Gerhard Feldbauer, 14. November 2014



In Italien hält der Widerstand gegen den sozialfeindlichen Kurs des sozialdemokratischen Regierungschefs Matteo Renzi an. Am Freitag traten in ganz Italien erneut mehrere Millionen von Verkehrs- und Transportbetrieben, öffentlichen Einrichtungen und Schulen in einen achtstündigen sozialen Streik. In Rom und mehr als 20 Großstädten demonstrierten Zehntausende gegen die zunehmende Verelendung breiter Schichten der Bevölkerung. In Mailand, Pisa und Padua wurden bei Zusammenstößen mit der Polizei mehrere Demonstranten verletzt.


In Rom Zehntausende auf den Strassen

Wie ANSA meldete, wurde der Verkehr in Rom auf den Buslinien, der Metro und auf den Regionalstrecken der Bahn weitgehend lahmgelegt. Zehntausende demonstrierten seit den frühen Morgenstunden durch die Straßen der Hauptstadt und trafen um 10 Uhr auf der Piazza della Republik zu einer Kundgebung zusammen. "La Repubblica" berichtete in ihrer Online-Ausgabe, dass Arbeiter, Precari (ohne Arbeitsverträge Beschäftigte), Arbeitslose und Rentner, Hausfrauen, Schüler und Lehrer erneut gegen das "Stabilitätsgesetz", den Jobs act, und fehlende soziale Verbesserungen protestierten und Mindestlöhne, ein Grundeinkommen, Arbeitsplätze und Investitionen zur Beseitigung der Misere im Bildungswesen forderten. Sie verurteilten, so das linksliberale Blatt in einem halbseitigen Beitrag, weiter ebenso neue Privatisierungen öffentlicher Betriebe, darunter der Wasserversorgung, Grundstücksspekulationen und besetzten Gebäude von Immobilienhaien. Migranten verwiesen auf die rassistischen Überfälle zwei Tage vorher auf ein Flüchtlingsheim am Rande von Rom, bei denen mehrere afrikanische Kinder mit Messern und Schlagstöcken schwer verletzt wurden. Unter den Demonstranten auch Homosexuelle, Lesben und Bisexuelle, die ihre Diskriminierung in der Gesellschaft und in der Arbeit anprangerten. Vertreter der linken Basis der regierenden Demokratischen Partei (PD), der Linkspartei SeL und Kommunisten bezeugten ihre Solidarität.

Zu den Arbeitsniederlegungen hatten die Metallarbeitergewerkschaft FIOM, die Union der Basis-Gewerkschaft USB und weitere Basis-Komitees (Cobas) aufgerufen. An den Protestkundgebungen beteiligten sich diesmal neben der CGIL auch die Cisl und Uil, die zusammen rund 12 Millionen organisierte Gewerkschafter vertreten. Der Streik und die Proteste waren eine Antwort auf den arbeiterfeindlichen Kurs des Premiers, der angekündigt hatte, mit Beginn des Jahres werde, wie von der Regierung beschlossen, der Artikel 18 des Arbeitsgesetzes über den Kündigungsschutz aufgehoben und der Jobs act, mit dem eine neue Entlassungswelle befürchtet wird, in Kraft treten. Für besondere Empörung hatte gesorgt, dass Renzi bei einem Treffen mit dem Chef des Industriellenverbandes Confindustria, Giorgio Squinzi, diesem versichert hatte, er werde vor den Gewerkschaften "keinen Schritt zurückweichen".


CGIL-Chefin Camusso warnt Regierung: "Wir werden den Kampf fortsetzen"

An den Kundgebungen von Turin, Mailand, Genua, Bologna und Florenz bis Neapel, Salerno und Palermo nahmen Hundertausende Menschen teil. In Mailand sprachen CGIL-Generalsekretärin Susanna Camusso und FIOM-Vorsitzender Maurizio Landini zu den Versammelten und kündigten weitere Streiks an, darunter bereits am Sonnabend in den Regionen (Ländern) im Norden: Piemont, Aostatal, Lombardei und Trento. "Repubblica" schrieb, die Manifestation in Mailand sei eine der stärksten seit langem gewesen. An der Seite von Camusso und Landini habe der 82-jährige frühere Generalsekreträr der CGIl, Antonio Pizinato, teilgenommen. Die CGIL-Chefin ging auf die Lage in der PD ein, wo sich inzwischen eine Mehrheit den Regierungsdekreten gebeugt hat, nachdem der Partei- und Regierungschef wieder einmal gedroht hatte, im Kabinett die Vertrauensfrage zu stellen. Camusso erklärte, das werde die CGIL nicht aufhalten und warnte die Regierung: "Wir werden den Kampf fortsetzen". Für den 7. Dezember wird bereits ein landesweiter Generalstreik vorbereitet.


Heißer Herbst wird zur Bewährungsprobe für Renzi

"La Repubblica" hob hervor: die Gewerkschaften "haben der Regierung Renzi eine entschiedene Antwort gegeben". Italien, so Beobachter in Rom, stehe mitten in einem heißen Herbst, der zu einer Zerreißprobe für die sozialdemokratische Regierung werden wird.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. November 2014


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