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ITALIEN/084: Metallarbeiter kündigen kämpferischen Primavera an (Gerhard Feldbauer)


Metallarbeiter kündigen kämpferischen Primavera an

FIOM-Chef Landini fordert Rückkehr der Gewerkschaften zu ihren Wurzeln

Von Gerhard Feldbauer, 30. März 2015


Die vom Vorsitzenden der Metallarbeitergewerkschaft FIOM in der CGIL, Maurizio Landini, proklamierte Bildung einer "Sozialen Koalition" der Gewerkschaften gegen den Abbau elementarer Arbeiter- und Gewerkschaftsrechte durch die jobs act genannte Arbeitsmarktreform Premier Renzis hat, wie die linksliberale Repubblica schrieb, "eine unerwartet große Zustimmung" erhalten. Einem Aufruf der FIOM zu einer nationalen Manifestation sind am Sonnabend, wie das linke Manifesto online berichtete, in Rom 60.000 Gewerkschafter gefolgt. Nach einem Marsch durch die Strassen von Rom trafen sie auf der Piazza del Popolo zu einer kämpferischen Kundgebung zusammen und drückten auf Transparenten und in Sprechchören ihren Protest gegen den anhaltenden Sozialabbau und zunehmende Verelendung aus und forderte die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Sicherung menschenwürdiger Lebensbedingungen. Aus Triest waren Tausende Werftarbeiter des mit über Zehntausend Beschäftigten größten italienischen und weltweit an vierter Stelle stehenden staatlichen Schiffsbaukonzerns Fincantieri gekommen, die unter einem Meer roter Fahnen in ihren blauen Overals die Spitze des Demonstrationszuges bildeten.


Landini: "Wir haben es satt..."

Die Regierung von Renzi habe mit dem jobs act "Italiens Arbeiter all ihrer Rechte beraubt". Sie gehe "schlimmer als Berlusconi vor". Seit Inkrafttreten des Jobs act sei nichts geschehen, um die Lage der arbeitenden Menschen auch nur im Geringsten zu verbessern. "wie haben es satt, uns mit leeren Versprechungen abspeisen zu lassen", führte Landini immer wieder von starkem Beifall unterbrochen aus. "Wir sind zum Kampf bereit, und wir haben mehr Zustimmung als die Regierung". Wir werden "vorwärts gehen", um eine neue Etappe für die Verteidigung der Arbeiterrechte einzuleiten, einen Frühling des Kampfes um gerechte Arbeitsverträge, um Arbeitsplätze und die Beseitigung der Armut. Dazu sei notwendig, die "Gewerkschaften zu reformieren", sie müssten "zu ihren Wurzeln zurückkehren".


Abfuhr an Confindustria

Der Schwerpunkt liege in der Arbeit in den Betrieben. Der FIOM-Chef rief auf, einen Gipfel der CGIL einzuberufen, um über die Gestaltung der "Sozialen Koalition" zu beraten. Den Regierungschef forderte er auf, "konkrete Initiativen für Beschäftigung und Wachstum" vorzulegen. Eine scharfe Abfuhr erteilte Landini dem Chef des Industriellenverbandes Confindustria, Giorgio Squinzi, der die Gewerkschaften für die anhaltende Stagnation in der Wirtschaft verantwortlich machen wollte.


PD-Opposition präsent

Die Kundgebung erhielt Gewicht durch die Teilnahme hochrangiger Vertreter der Politik, darunter der Vorsitzende der Partei "Linke für Umwelt und Freiheit" (SEL), Nichi Vendola, Chef der Regionalregierung von Apulien, der, wie La Repubblica berichtete, mit "dem ganzen Generalstab seiner SEL erschien", um den Gewerkschaftern die volle Solidarität für ihre Kampfansage zu bekunden. Aus der sozialdemokratischen PD waren nicht nur zahlreiche Mitglieder unter ihren Parteifahnen anwesend, sondern es waren u. a. auch die frühere Christdemokratin und bekannte Mitte-links-Politikerin, Vorsitzende der Antimafia-Kommission des Parlaments, Rosy Bindi, und der frühere Vize-Minister und Mitbegründer der Fraktion der Dissidenten in der PD, Stefano Fassina, gekommen, um ihre Opposition gegenüber dem gewerkschaftsfeindlichen Kurs ihres Partei- und Regierungschefs zu bekunden. Der aus der PD ausgeschiedene Alfred Tortorella, Mitglied des Politbüros der früheren PCI, der kürzlich eine "Gesellschaft zur Erneuerung der Linken" gegründet hat, beteiligte sich ebenfalls. Die Vorsitzende der CGIL, der mit 5,8 Millionen Mitgliedern größten der drei Gewerkschaften, Susanna Camusso, die mit bekannten tradeunionistischen Positionen Vorbehalte gegen die Bildung der Sozialen Koalition angemeldet hatte, war ebenfalls auf der Kundgebung vertreten, ergriff aber nicht das Wort.


"Tag der Sozialen Koalition"

In der Repubblica, die ihren Bericht titelte "Es war der Tag der Sozialen Koalition", klang die Befürchtung an, dass der Kurs Renzis die Zersplitterung in der PD verstärkt, was ihr bei den bevorstehenden Wahlen in sieben Regionen (Ländern) im Mai Stimmen kosten könnte. Zumal die nächste Auseinandersetzung in der PD bereits über das neue Wahlgesetz ansteht, das viel höhere Sperrklauseln als bisher vorsieht, um nicht nur die Kommunisten, sondern alle Linken aus dem Parlament auszuschließen. Das Italicum genannte Wahlgesetz führe Italien in eine Präsidialherrschaft, zitierte La Repubblica Fassina am Montag, der ankündigte, die Minderheit in der PD werde dagegen mit "aller Entschiedenheit" vorgehen.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2015

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