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ITALIEN/092: Putin von Staatspräsident, Premier und Papst empfangen (Gerhard Feldbauer)


Italien und Vatikan tanzen aus der Reihe

Putin von Staatspräsident, Premier und Papst empfangen

Renzi würdigt freundschaftliche Beziehungen

Von Gerhard Feldbauer - 11. Juni 2015


Zwei Tage nach dem G7-Gipfel, auf dem er ausgegrenzt und verfemt wurde, ist Russlands Präsident Putin am Dienstag in Italien, einem G7-Mitglied, ein triumphaler Empfang und damit der Sanktionspolitik von Brüssel eine empfindliche Schlappe bereitet worden. Premier Renzi empfing den Staatsgast fast wie einen alten Freund. Die regierungsnahe Repubblica illustrierte das in ihrem mehrspaltigen Bericht am Donnerstag mit über einem Dutzend Fotos und erwähnte, wie andere Pressestimmen auch, dass Renzi der erste EU-Regierungschef war, der nach der russischen Annexion der Krim nach Moskau reiste, dort über die Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation beriet und damals Putin zum Russland-Tag der Expo einlud. Der gemeinsame Besuch der Weltausstellung, die am Mittwoch im Zeichen des "nationalen Tag" für Russland stand, war mit einem anschließenden Essen italienischer Unternehmer für Putin erster Höhepunkt des Besuchs. Auf der Expo verurteilten Sprechchöre die Sanktionen der EU. Später bekundeten Antifaschisten und Verfolgte des Naziregimes dem russischen Staatschef ihre Sympathie.


Italien "großer Partner in Europa"

Während Putin Italien "als großen Partner in Europa" würdigte, mit dem "wir versuchen, die Interessen beider Länder zu respektieren", hob Renzi die freundschaftlichen Beziehungen hervor und sagte, wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtete, "man stelle sich gemeinsam den Herausforderungen" sowohl "in unterschiedlicher als auch jenen in gleicher Position". Die Wirtschaftsbeziehungen mit Italien seien vom Gas bis zu Technologien "stärker als je zuvor", gab der großbürgerliche Mailänder Corriere della Sera Putin wider. Italien sei zweitgrößter Abnehmer von russischem Gas und decke 30 Prozent seines Bedarfs sowie 15 Prozent bei Öl in Russland. Die Beziehungen mit der Enel (größter italienischer staatlicher Energieversorger) seien im weiteren Ausbau begriffen. Der Handelsaustausch von 400 italienischen Unternehmen betrage 49 Milliarden Dollar. Beide Seiten nannten die Sanktionen "schädlich". Italienische Unternehmen hätten laut ANSA dadurch bereits eine Milliarde Euro verloren. Renzis Außenminister Paolo Gentiloni hatte im Vorfeld des Besuchs die Sanktionen für faktisch gescheitert erklärt und sich für deren Modifizierung ausgesprochen.

Der breite Rahmen der erörterten Dossiers habe, wie La Repubblica schrieb, internationale Fragen, darunter vom Mittleren Osten über Syrien bis zu Libyen und im Mittelmeerraum berührt. Beide Gesprächspartner hätten ihre Beunruhigung über die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus geteilt und übereingestimmt, "gemeinsame Lösungen" zu suchen. Putin habe auf die Intervention 2011 in Libyen und die Beseitigung Präsident Gaddafis als eine wesentliche Ursache der heutigen Lage verwiesen. Zur Ukraine-Krise, die ebenso erörtert wurde, hätten sie sich zur Einhaltung der Abkommen von Minsk bekannt und eine "friedliche Lösung" betont.


Papst will Katholiken in Russland mehr Spielraum verschaffen

Mit der anschließenden Privataudienz für den russischen Staatschef demonstrierte auch Franziskus, dass er sich dem Kurs der USA und der EU zur Isolierung Russlands nicht anzuschließen gedenkt. Das hatte der Argentinier Mario Bergolio bereits deutlich gemacht, als er im November 2013 seine erste Privataudienz gewährte. Im Mittelpunkt des fast einstündigen Gesprächs seien neben der Lage im Nahen und Mittleren Osten gemeinsame Anstrengungen für eine Lösung des Ukraine-Konflikts das Hauptthema gewesen, teilte Vatikansprecher Padre Federico Lombardi mit. "Alle Parteien müssten sich einbringen, um die Beschlüsse von Minsk umzusetzen". Es sei "eine aufrichtige und große Anstrengung nötig, um den Frieden zu realisieren". Besonders habe der Heilige Vater darauf verwiesen, "die schlimme humanitäre Situation in der Ukraine" anzugehen.

Nach Meinung von Vatikankennern ging es Franziskus bei der neuerlichen Audienz auch darum, den Spielraum der katholischen Kirche in Russland, wo die einflussreiche russisch-orthodoxe Kirche als wichtigste Machtstütze gilt, zu erweitern. In der Ukraine sind dagegen die Positionen der Katholiken stärker. Ihren Wünschen nach einer Verurteilung der angeblichen Unterstützung Russlands für die Separatisten kam der Papst jedoch nicht nach. Er betonte hingegen, angesichts des Fehlens eines Dialogs unter den Politikern dafür ein Zeichen setzen zu wollen.


Putin "zufrieden"

Anschließend wurde Putin von seinem italienischen Kollegen, Staatspräsident Sergio Mattarella, im Qurinalspalast empfangen. Die Anwesenheit des stellvertretenden Ministers für Auswärtige Angelegenheiten und Internationale Kooperation, Lapo Pistelli, zeugte davon, dass auch hier internationale Fragen und die Zusammenarbeit beider Staaten erörtert wurden. Putin zeigte sich mit dem Abschluss seines Besuches, wie ANSA berichtete, zufrieden. "Es war ein interessanter und inhaltsreicher Tag", sagte er und hob die Gespräche mit Renzi hervor und nannte die Audienz beim Papst "ein gutes Treffen."

Selbst Italiens Rechte versuchten Kapital aus dem Besuch Putins zu schlagen. Der Chef der rassistichen Lega Nord, Matteo Salvin, trug zum "Russischen Tag" auf der Expo ein T-Shirt, das Putin als Militär zeigte. Das richte sich gegen "die Idioten, die Krieg gegen Russland spielen", gab er kund. Ex-Premier Berlusconi kam zum Flughafen Fiumicino, um bei der Verabschiedung des russischen Staatschefs dabei zu sein und sagte Putin, er werde im Parlament einen Antrag einreichen lassen, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2015

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