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ITALIEN/093: Auch bei Stichwahl Rückschläge für Italiens Sozialdemokraten (Gerhard Feldbauer)


Auch bei Stichwahl Rückschläge für Italiens Sozialdemokraten

Regierung Renzis könnte auf Kippe stehen

Von Gerhard Feldbauer, 17.06.2015


Beim Ballottaggio, der Stichwahl der Bürgermeister von 78 Städten in sieben Regionen musste Premier Renzis sozialdemokratischer Partito Democratico (PD) am Wochenende erneut Rückschläge einstecken. In Venedig, wo die PD 20 Jahre das Stadtoberhaupt stellte, hat der Kandidat der rassistischen Lega Nord Luigi Brugnaro die Wahl mit 52,3 Prozent gewonnen. Der Bau- und Landwirtschaftsunternehmer wurde von der rechtsextremen Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi und der faschistischen Partei Fratelli Italiens, früher Alleanza Nazionale, unterstützt. Zum Handykeep wurde der PD in Venedig, dass ihr Bürgermeister vor einem Jahr wegen schwerer Korruptionsvorwürfe zurücktreten musste. Auch die rund 350.000 Einwohner zählende Provinzhauptstadt Arezzo, bisher eine "rote Hochburg" in der Toskana, fiel an den rber der Lega. Auf Sizilien, wo bis Montag gewählt wurde, verloren die Sozialdemokraten ebenfalls zwei Provinzhauptstädte an die rechtsextremen Kandidaten. Auch die Protestbewegung M5S legte zu und konnte alle ihre Bewerber durchbringen. Die Stichwahl wurde dort notwendig, wo zwei Wochen vorher keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreichte. Jetzt genügte die einfache Mehrheit eines der beiden bestplazierten Bewerber. Die Wahlbeteiligung lag unter 50 Prozent. Nach Wahlanalysen sind es vor allem PD-Wähler, die resigniert vom Rechtskurs ihres Parteichefs nicht an die Urnen gingen. Lega-Chef Matteo Salvini nahm die Wahlerfolge zum Anlass, den Fall der Regierung anzukündigen und dazu die Führung der Opposition zu verlangen. "Renzi wir kommen", verbreitete er über seinen Twitter.


Mailänder Corriere della Sera: "Schwerer Mißerfolg für Renzi"

Obwohl die Niederlage begrenzt bleibt und die PD weiterhin die Mehrheit der Bürgermeister in den 20 Regionen stellt, ist es, wie der Mailänder Corriere della Sera schreibt "ein schwerer Mißerfolg für Renzi". Der "schlimme Einbruch der PD" verschaffe Berlusconi "Aufwind", schreibt die regierungsnahe Repubblica, die den Premier dafür verantwortlich macht. Renzi selbst weist das zurück und erklärt, es sei "keine Niederlage" für ihn, sondern für die PD-Linke. Er werde "seine Politik" fortsetzen. Entscheidend sei, die Wähler der Mitte zu gewinnen, erklärte er gegenüber der Zeitung des FIAT-Konzerns La Stampa von Turin.

Neben dem arbeiter- und gewerkschaftsfeindlichen Kurs, der das Prekariat verstärkte, gehörte zu "dieser Politik" Renzis das Paktieren mit dem zu Fall gebrachten faschistoiden Ex-Premier Berlusconi, mit dem, wie La Repubblica schrieb, er dem FI-Chef die Rückkehr ins politische Leben ermöglichte. Während die extreme Rechte, wie die Wahlergebnisse zeigen, sich vereinigt, bleibe Centro sinistra (Mitte links) gespalten, so das Blatt weiter. Der römische Messaggero befürchtet, Renzi könnte jetzt zum "Dialog mit Berlusconi", den er unter dem Druck der PD-Linken abbrechen musste, zurückkehren. Ungemach könnte Renzi auch von seinem Koalitionspartner in der Regierung, dem früheren Vize in der FI Berlusconis, dem Chef der neuen Rechtspartei NCD und jetzigem Innenminister Angelino Alfano drohen. Der denkt offen darüber nach, das Regierungsbündnis mit der PD aufzukündigen und eine eigen "Allianz gegen Links" zusammenzuzimmern, eine "moderate" sogenannte Area Alternativa. Mit einem Austritt aus der Regierung stünde Renzis Kabinett auf der Kippe, orakeln Beobachter in Rom bereits.

Im südlichen Campanien ist der vor zwei Wochen zum Präsidenten und Regierungschef der Region gewählte bisherige Bürgermeister von Salerno, Vincenzo de Luca, wegen Amtsmissbrauch zu 18 Monaten Haft verurteilt worden. Laut Antikorruptionsgesetz darf für diese Zeit, obwohl der Richterspruch erst in der ersten Instanz erfolgte, kein öffentliches Amt ausüben. Die Vollstreckung obliegt Renzi, der bisher noch keine Entscheidung getroffen hat. Er wartet offensichtlich die Regierungsbildung ab, damit dann der Stellvertreter amtierten kann und Neuwahlen verhindert werden.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2015

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