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ITALIEN/094: Lega-Rassisten wollen linken Bürgermeister von Rom stürzen (Gerhard Feldbauer)


Lega-Rassisten wollen linken Bürgermeister von Rom stürzen

Das soll Ende der Regierung Renzi einläuten

Von Gerhard Feldbauer, 25.06.2015


Seit Wochen trommelt Italiens Extreme Rechte mit den Lega-Rassisten an der Spitze zur Hetzjagd auf den linken Bürgermeister von Rom Ignazio Marino und fordert seinen Rücktritt. Zum Anlass dient der Mafia-Sumpf, den der vorherige Amtsinhaber, der Faschist der früheren Alleanza Nazionale, Giovanni Alemanno, dem Sozialdemokraten der Demokratischen Partei (PD) bei dessen Amtsantritt vor zwei Jahren hinterlassen hat. In die "Mafia Capitale" genannte Korruptionsaffäre waren bzw. sind Dutzende Ratsmitglieder und Mitarbeiter der früheren Stadt-Regierung verwickelt. In den vergangenen drei Wochen wurden weitere 50 Personen festgenommen, darunter mehrere Ratsmitglieder. Sie werden von der römischen Staatsanwaltschaft beschuldigt, den Mitgliedern des Kriminellenring gegen Schmiergelder öffentliche Aufträge bei der Abfallentsorgung, der Reinigung von Parkanlagen, bei der Betreibung von Flüchtlingsunterkünften und in weiteren Bereichen verschafft zu haben. Schlüsselfigur des Verbrecher-Kartells ist ein inzwischen verhafteter, schon seit Jahrzehnten bekannter Mafia-Boss Massimo Carminato, der enge Beziehungen zu den Faschisten unterhielt und, wie die Ermittlungen der römischen Staatsanwaltschaft ergaben, ähnlich der Cosa Nostra in Sizilien, der 'Ndrangheta in Kalabrien oder der Camorra in Neapel einen weit verzweigten Clan in der Hauptstadt aufgebaut hat. Obwohl die Untersuchungen keinerlei Verantwortung des neuen Stadtoberhauptes ergaben, fordert die Lega-Nord mit ihrem Chef Matteo Salvini den Rücktritt des angesehenen PD-Linken und Senators. Zu Neuwahlen will die Rassisten-Partei selbst einen Kandidaten aufstellen.

Auf dem Pressefest der linken Unità in Rom erteilte Marino jetzt den Angriffen eine entschiedene Abfuhr. Die Hetze, die die Rechte betreibe, gleiche "der Kloake", aus der diese kommt. Er werde "nicht nachgeben" und "keinen Schritt zurückweichen". Ich habe "nach wie vor die "Unterstützung der Bürger und der Parteien meiner Koalition" und deshalb "werden wir unsere Arbeit für Erneuerung und Transparenz fortsetzen", zitierte die linksliberale Repubblica aus seiner immer wieder von zustimmendem Beifall unterbrochenen Rede. Marino verwies auf das schlimme und schwer aufzudeckende Erbe, das ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte und führte aus, dass davon ausgehend in den zwei Jahren seiner Zeit im Capitol tatsächlich "epochale Veränderungen" , so in der Infrastruktur, erreicht worden seien. Er werde bis zum Ende der Legislatur 2018 im Amt bleiben und sei sicher, auch wieder gewählt zu werden. Kritik gab es auf dem Pressefest auch, dass Renzi, seit dem die Unità vor über einem Jahr ihre Printausgabe einstellen musste, und nur noch als Online-Version erscheinen kann, nichts für das traditionelle linke Blatt getan habe.

Italiens extreme Rechte erhält durch den Rechtsruck zuletzt in Dänemark Auftrieb. Renzi unterschätzt offensichtlich, dass die Hetzjagd gegen Marino sich gegen ihn richtet. La Repubblica berichtet am Mittwoch, dass Lega-Führer Salvini mit dem Ex-Premier und Chef der rechtsextremen Forza Italia (FI) Berlusconi drei Stunden beraten habe, wie der Regierung Renzi ein Ende bereitet werden soll. Man sei übereingekommen, die Streitigkeiten zwischen Lega und FI beizulegen, und "eine gemeinsame Alternative" gegen "die unfähige Regierung Renzis" zu schmieden. Zunächst solle dessen Koalitionspartner, der frühere Berlusconi-Vize, Innenminister Angelino Alfano, Chef der neuen Rechtspartei NCD, zu Fall gebracht und damit der Sturz Renzis eingeleitet werden. Dazu stellte die Lega, wie auch die Linkspartei SEL und die Protestbewegung M5S im Parlament einen Misstrauensantrag gegen den NCD-Staatssekretär Giuseppe Castiglione wegen Verwicklung in Mafia-Affären. Mit seiner PD-Mehrheit schmetterte Renzi den Antrag ab.


Neue Austritte von Linken aus der PD

Während sich die PD-Linke und die Linkspartei SEL hinter den Bürgermeister stellen, erregt das Verhalten von PD- und Regierungschef Renzi gegenüber seinem Genossen Marino Befremden. "Wenn Marino regierungsfähig ist, soll er die Stadt regieren. Wenn er dazu nicht mehr imstande ist, soll er nach Hause gehen", äußerte dieser. Aus seiner Kanzlei verlautete, er wolle die Organisation des vom Papst ab Dezember geplanten Heiligen Jahres als römisches Großevent der Verwaltung Marinos entziehen und in die "sauberen" Hände des Präfekten der Hauptstadt legen.

Das alles spitzt die Auseinandersetzungen über den Rechtskurs Renzis in der PD zu. Nach mehreren prominenten Parteiaustritten gab jetzt auch der frühere Finanzminister und PD-Linke Stefano Fassino sein Parteibuch ab. Die Situation sei nicht länger "zu ertragen" und man müsse "nach einem neuen Weg" suchen, zitiert ihn La Repubblica. Anfang Juli will Fassino mit weiteren PD-Linken und dem Chef der Metallarbeitergewerkschaft FIOM, Maurzio Landini zusammenkommen, um über ein neues politisches Projekt zu beraten, so das Blatt weiter. Da hilft es wenig, dass Renzi den wegen Korruption zu einer eineinhalb Jahren Haft verurteilten neugewählten Präsidenten von Campanien, Vincenzo de Luca, seiner Partei inzwischen suspendiert hat.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2015

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