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ITALIEN/179: Beeindruckender Kampftag gegen Faschismus und Rassismus (Gerhard Feldbauer)


Beeindruckender Kampftag gegen Faschismus und Rassismus in Italien

ANPI-Präsident warnt vor einer "schwarzen Rechten" von Paris und Den Haag bis Budapest und Ankara

von Gerhard Feldbauer, 1. Juni 2017


In über 90 Städten haben, wie ANPI News in ihrem online-Portal berichtete, eine überwältigende Zahl Italiener am Sonnabend einen "Tag des Antifaschismus" zu einer Kampfansage gegen Faschismus und Rassismus gestaltet, um vor dessen Sieg bei Parlamentswahlen und der Rückkehr ihrer Exponenten an die Regierung zu warnen. Beobachter schätzten, dass wenigstens mehrere Hunderttausend Menschen zu Kundgebungen, Demonstrationen, Kranzniederlegungen und Gedenkveranstaltungen kamen. Zu dem erstmalig begangenen Tag hatte der Nationale Partisanenverband (ANPI) aufgerufen. Teilnehmer berichteten von einer lange nicht gekannten überwältigenden Atmosphäre, den schwarzen Umtrieben der Faschisten der Forza Italia Berlusconis, der neuen Mussolini-Nachfolger Fratelli (Brüder) Italiens der früheren Ministerin Berlusconis Giorgia Meloni und den Rassisten der Lega Nord Matteo Salvinis und den von ihnen ausgehaltenen Sturmtrupps wie Forze Nuova, Casa Pound (Braunes Haus) oder den Naziskins entschlossen entgegenzutreten.

An den vielfältigen Veranstaltungen, darunter ein Kolloquium in Rom, nahmen Sozialdemokraten, Linke und Kommunisten, Katholiken, Gewerkschafter und Sozialarbeiter, Kulturschaffende, Studenten, darunter der Verband der Universitätsstudenten (UDU) und Wissenschaftler unterschiedlicher Ansichten, aber verbunden im Bekenntnis zu den in der Verfassung verankerten antifaschistischen Traditionen teil. Sie seien unverzichtbar und sie entschieden zu verteidigen sei eine der wichtigsten antifaschistischen Pflichten, betonte der 94jährige ANPI-Päsident, Carlo Smuraglia, der aktiv an der Resistenza gegen Hitlerdeutschland teilnahm. Es gelte, das Erbe der Resistenza, des Kampfes der Partisanen gegen den Faschismus, wachzuhalten.

Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens übermittelten Grußbotschaften, darunter im Namen ihrer über vier Millionen Mitglieder die Generalsekretärin der CGIL-Gewerkschaft, Francesca Chiavacci, die parteiunabhängige linke Parlamentspräsidentin Laura Boldrini und Innenminister Marco Minniti von der Regierung der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), die die Aktivitäten der ANPI hoch würdigten.

In Losungen, auf Transparenten und in Sprechchören hieß es "Basta Fascismo" (Schluss mit dem Faschismus), "Keine Toleranz mit Rassisten", "Solidarität mit unseren ausländischen Bürgern", "vergesst die Toten nicht" und "wehret den Anfängen". Wohl keine Veranstaltung, auf der nicht das legendäre Partisanenlied "Bella Ciao" erklang, gewidmet dem Partisanen, "der für unsere Freiheit" fiel. Die Gräber dieses "unbekannten Partisanen", die es in fast jedem Ort gibt, waren von Blumen umsäumt.

ANPI-Präsident Smuraglia analysierte in einem in der regierungsnahen La Repubblica veröffentlichten Appell den neuen Faschismus, der nicht nur aus nostalgischen Mussolini-Anhängern bestehe, sondern auch aus Vertretern neuer Generationen, denen deren "Gift" eingeflößt worden sei. Italien stehe "an einer Wende, an der der alte Faschismus Mussolinis neu erstehe" als "neue Barbarei", mit Rassismus und Hass auf Immigranten.

Smuraglia erinnerte daran, dass nach 1945 der Faschismus dank der Kollaboration rechter bürgerlicher Kräfte mit der Democrazia Cristiana (DC) an der Spitze wiedererstehen konnte, weil ihm beispielsweise das Legge Shelba (Shelba-Gesetz) des gleichnamigen DC-Innenministers einen Schein der Legalität verschaffte. Wenn er vor heutigen Machenschaften warnte, zielte das, auch ohne den Namen zu nennen, auf den früheren Christdemokraten und wiedergewählten Parteichef der PD, den im Dezember in einem Referendum gestürzten Premier Matteo Renzi. Zusammen mit dem früheren sozialdemokratischen Staatspräsidenten, Georgio Napolitano bewahrte Renzi durch seine Kumpanei mit Ex-Premier Berlusconi, der zum Dreierdirektorium der faschistischen Putschloge P2 gehörte, diesen nach seinem Sturz im November 2011 nicht nur vor seinem endgültigen "Aus", sondern verschaffte ihm auch ein Comeback mit laut Umfragen Wählerstimmen von heute 20 Prozent. Als "äußerst beunruhigend" nannte Smuraglia die Formierung einer "schwarzen Rechten" auf europäischer Ebene, die eine Marine Le Pen verkörpere, deren Wahlergebnis ebenso wie der "Fast Wahlsieg von Wilders in den Niederlanden" deren Gesinnungskumpanen in Italien Auftrieb gebe. Er mahnte, die "Mauer in Ungarn" nicht zu vergessen und "was in der Türkei mit den Verhaftungen von Behördenvertretern und Journalisten vor sich gehe".

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2017

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