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ITALIEN/187: Matteo Renzi erteilt Mitte Links eine Abfuhr (Gerhard Feldbauer)


Matteo Renzi erteilt Mitte Links eine Abfuhr

Stattdessen buhlt er um ein Bündnis mit Ex-Premier Berlusconi, der eine faschistisch-rassistische Allianz zusammenzimmerte

von Gerhard Feldbauer, 11. September 2017


Um bei den Parlamentswahlen, die voraussichtlich im Februar 2018 stattfinden, einen möglichen Sieg der von dem Ex-Premier und Vorsitzenden der rechtsextremen Forza Italia (FI), Silvio Berlusconi, mit dem Chef der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, zusammengezimmerten Allianz zu verhindern, ringen Kräfte der Centro Sinistra (Linken Mitte) darum, ein regierungsfähiges Gegenbündnis herzustellen. Sie fordern dazu, wie die römische La Repubblica dieser Tage schrieb, von dem Chef der regierenden Partito Democratico (PD), Matteo Renzi, der nach einer Niederlage im Senatsreferendum im Dezember als Ministerpräsident zurücktreten musste, der von ihm in seiner Regierungszeit praktizierten Zusammenarbeit mit Berlusconi künftig eine Absage zu erteilen. Renzi lehnt das nicht nur ab, sondern verteidigte seine Kollaboration, die dem 2011 zum Rücktritt gezwungenen faschistoiden Berlusconi ein Comeback verschaffte, und schließt auch ein künftiges Bündnis mit dem FI-Chef nicht aus.

Ein Schlag ins Gesicht der Mitte Links-Kräfte ist seine Äußerung "Berlusconi wird mir nie unsympathisch sein". Sie gehört zu den skandalösen Aussagen in einem Buch des früheren rechten Christdemokraten, das der Feltrinelli-Verlag im August unter dem Titel "Avanti" - "Perche L'Italia non si ferma" (Vorwärts. Warum Italien nicht stehen bleibt) herausbrachte. Faktisch eröffnete der PD-Chef, der zu den Wahlen als Spitzenkandidat seiner Partei antreten will, damit den Wahlkampf. Ein Szenario, so La Repubblica, mit dem eine Niederlage zu erwarten sei. Wahlprognosen, die der Mailänder Corriere della Sera am Sontag veröffentlichte, bestätigen das. Sie sagen Berlusconis Allianz, die bisher hinter der PD etwa bei 25 Prozent lag, jetzt eine Quote von 35 Prozent voraus, davon 15,6 für die FI. Außerdem habe Berlusconi seine Führerschaft in der Allianz gefestigt. Dann liegt auch noch die rechtslastige 5 Sterne-Bewegung (M5S) mit 26,6 Prozent, wenn auch knapp, noch vor der PD.

Während Renzi sich bei Berlusconi anbiederte, attackierte er die beiden Führer der Linken, Pier-Luigi Bersani von der Demokratischen und Fortschrittlichen Bewegung (MDP) und Giuliano Pisapia vom Campo Progressista (Fortschrittslager). Bersani habe bei den Wahlen 2013 als PD-Chef nur 25 Prozent erreicht, was zum Patt mit Berlusconi und M5S geführt habe. Pisapia habe früher zur Rifondazione Comunista (PRC) gehört, die angeblich für das Scheitern von Mitte Links verantwortlich sei.

Noch ist das Echo auf die skandalösen Ausfälle Renzis verhalten, was daraus resultierten dürfte, dass sein Buch in dem den Italienern heiligen Ferragosta, dem Ferienmonat August, erschien und bisher kaum gelesen wurde. Das war wohl ein von Renzi so einkalkulierter Trick, das Signal an Berlusconi sollte wenig Beachtung finden. Das dürfte kaum so bleiben, wie erste Reaktionen der Linken und Antifaschisten zeigen.

Der Sozialwissenschaftler Armando Semanasanta aus Neapel, der sich das Machwerk Renzis vorgenommen hat, äußerte, es beseitige die letzten Zweifel, wo Renzi stehe. Um wieder Regierungschef zu werden, sei dieser sogar bereit, sich mit diesem Berlusconi, der für den Schriftsteller Umberto Eco, u. a. Autor von Werken wie "Der Name der Rose", das Erbe des "übelsten Faschismus" verkörperte, zu verbünden. Renzi befördere damit den ohnehin schon zunehmenden Auftrieb von Faschisten wie der Forza Nuova, bekanntermaßen ein Vortrupp der FI Berlusconis wie auch der rassistischen Lega Nord Salvinis, der damit ermuntert wurde, zum 95. Jahrestag von Mussollinis "Marsch auf Rom" zu einem Erinnerungsmarsch zur Wahrung des faschistischen Erbes aufzurufen.

Offen stehen auch noch Reaktionen der Linken Parteien bzw. Gruppierungen von Bersani und Pisapia wie auch der Sinistra Italia (SI). Unter ihnen fordert die Basis zunehmend, die illusorischen Hoffnungen, mit der PD zu einer neuen Centro sinistra zu kommen, aufzugeben und auf einer eigenen Liste anzutreten. Sie könnten, auch das geht aus Umfragen hervor, zur Kraft werden, die mit Wahlergebnissen bis zu 15 Prozent rechnen und die von Renzi geplante Allianz mit Berlusconi verhindern könnte.

Ein entscheidender nationaler Test werden, wie der frühere Premier Massimo D' Alema von MDP in La Repubblica betonte, die Regionalwahlen auf Sizilien am 5. November sein, wo die Koalition Berlusconi/Salvini die seit 2013 regierende PD-Regierung, wie Salvini es formulierte, "aus dem Amt jagen" will. Gegen den bisherigen Amtsinhaber, Rosario Crocetta, einen Anhänger von Bersani, hat Renzi den zu seiner Gefolgschaft gehörenden Universitätsprofessor Fabrizio Micari als Bewerber durchgesetzt.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2017

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