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ITALIEN/192: Vor Autonomie-Referenden in der Lombardei und Venetien (Gerhard Feldbauer)


Vor Autonomie-Referenden in der Lombardei und Venetien

Rom besorgt über deutsche Unterstützung für Südtiroler Separatisten

von Gerhard Feldbauer, 13. Oktober 2017


Am 22. Oktober finden in den norditalienischen Regionen (Ländern) Lombardei und Venetien Referenden zu Konsultationen über eine Ausweitung von Autonomie-Rechten statt. Obwohl im Schatten der Auswirkungen des Unabhängigkeits-Votums von Barcelona stehend, schließt man in Rom Turbulenzen wie danach in Spanien aus. Die bisher separatistische Lega Nord hat, wie La Repubblica am Dienstag erinnerte, eine Kehrtwende vollzogen und das seit ihrer Gründung 1991 verfolgte Ziel einer Abspaltung der reichen Nordregionen vom Zentralstaat und die Bildung eines unabhängigen Staates Padania aufgegeben. Lega-Chef Matteo Salvini will als Kandidat seiner rassistischen Partei in der Allianz mit der rechtsextremen Forza Italia (FI) Berlusconis und den faschistischen Fratelli/Brüdern Italiens (FdI) antreten, um Premier zu werden. Er hat dazu seine bisher regional beschränkte Partei zentral aufgestellt und ihr im Süden mit der Forderung, den Flüchtlingsstrom zu stoppen, einen beträchtlichen Wählerzulauf verschafft. In der Turiner La Stampa bekräftigte er, in den Referenden gehe es um die Vertiefung der Autonomie und den Föderalismus. Es gebe "keine Nostalgie für ein Padania" mehr, erklärte Salvini, der das Referendum in Katalonien gleich noch als "Übertreibung" abqualifizierte. Der um die Wähler des Südens buhlende Lege-Chef werde, wie La Repubblica andeutete, künftig, sollte er Premier werden, auch schwerlich ablehnen können, dass ein Teil der Steuergelder der reichen Nord-Regionen in den armen Süden fließt. Bei den Referenden gehe es "um weniger Bürokratie" und "um mehr Geld", umschreibt das Blatt die Problematik.

Mehr Sorge bereitet Rom der Auftrieb, den das Ergebnis von Katalonien den Separatisten Südtirols, dem italienischen Alto Adige (Oberetsch), verschafft. Das resultiert vor allem daraus, dass deutsche Regierungskreise diese aktiv ermuntern. Im Vordergrund agiert eine in Deutschland (Flensburg) ansässige Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) von über 90 Organisationen aus 33 Ländern Europas, des Kaukasus und Zentralasiens. Die FUEN, die am 5. September, wie Südtirol News berichtete, in Berlin tagte, fordert größere Sonderrechte für völkisch definierte Minderheiten, wird von staatlichen deutschen Stellen finanziert und wirkt eng mit dem Bundesinnenministerium zusammen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stattete der FUEN vergangene Woche demonstrativ einen Besuch ab.

Eine Südtiroler "Anschlussbewegung" existiert, seit die zu Österreich gehörende Region 1919 als Kriegsbeute zu Italien, dem Mitglied der Entente, kam. Unter Hitler wollte sie zusammen mit Österreich "Heim ins Reich". In den 60er Jahren versuchten die Separatisten mit Bombenanschlägen, bei denen es zahlreiche Tote und Verletzte gab, ihren "Heim ins Reich"-Forderungen Nachdruck zu verschaffen.

Radikalste separatistische Kraft Südtirols, in der die deutschsprachige Minderheit fast zwei Drittel der halben Million Einwohner ausmacht, ist die ultrarechte "Südtiroler Freiheit", die im Landtag 7,2 Prozent der Sitze belegt. Wie Südtirol News berichtete, feierte die Partei das Ergebnis in Katalonien als "Präzedenzfall", nach dem auch Südtirol das Recht zustehe, die "Unabhängigkeit von Italien einzufordern". Ein Manifest verkündete "Heute Katalonien, morgen Süd-Tirol".

Neben den Sezessionisten besteht eine von der Südtiroler Volkspartei (SVP) vertretene mehrheitlich gemäßigte Gruppierung vor allem der deutschsprachigen Bevölkerung, die bei Ausweitung der Autonomie den Verbleib bei Italien akzeptiert. Auch die SVP setzt auf das Einwirken der FUEN, in der sie einen der Vizepräsidenten stellt. Wie die Lega lehnen auch die FI und die FdI eine Unabhängigkeit Südtirols ab. Berlusconis Parteifreund, der EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, demonstrierte das und verurteilt das Referendum in Barcelona als "illegal".

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2017

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