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ITALIEN/200: Partito Democratico weiter im Sinkflug (Gerhard Feldbauer)


Italiens Partito Democratico (PD) weiter im Sinkflug

Faschisten Dank Renzi im Aufwind

von Gerhard Feldbauer, 21. November 2017


Bei der Stichwahl des Bürgermeisters und der Stadtverordneten im römischen Stadtteil Ostia am vergangenen Sonntag belegte die Fünf Sterne-Bewegung (M5S) mit 59,6 Prozent den ersten Platz. Der Kandidat der regierenden Partito Democratico (PD) war zwei Wochen vorher bereits im ersten Votum mit 13 Prozent durchgefallen. Mit einem zweiten Platz von 40,9 Prozent für die Bewerberin der faschistischen Fratelli/Brüder Italiens (FdI) befindet sich die von Ex-Premier Silvio Berlusconi angeführte extreme Rechte weiter im Aufwind. Neun Prozent davon entfallen auf die von Berlusconi persönlich geförderte Casa Pound, eine antirassistische Sturmtruppe der Hauptstadt. Auf Sizilien hatte Berlusconis Allianz am 5. November bei der Wahl des Präsidenten und des Parlaments der Region mit 39,2 Prozent den ersten Platz belegt, während der PD-Kandidat auf 18,9 Prozent absackte. Die erreichten Prozente werden relativiert durch die extrem geringe Wahlbeteiligung, die mit 33,6 Prozent einen bisher einmaligen Tiefstand erreichte. Die der PD nahestehende römische La Repubblica nannte das Wahllokal Tor De Ceni, wo von 888 Wählern nur zwei an die Urnen gingen. Diese von der um sich greifenden Resignation zeugende Stimmenthaltung habe "zu den Wahlsiegen" beigetragen.

Die Niederlagen verschärfen die schwelende Krise in der PD, in der die Forderungen nach einem Rücktritt des Parteichefs Matteo Renzi lauter werden. Noch vor der Wahl in Sizilien hatte Senatspräsident Pietro Grasso die PD-Fraktion verlassen. Er protestierte damit gegen den Kuhhandel Renzis mit Berlusconi bei der Annahme des neuen Wahlgesetzes, das geradezu darauf ausgerichtet ist, das gegenwärtige Kräfteverhältnis nicht zu ändern, weshalb Renzi auf eine Koalition mit der FI setzt. Dem entsprach, dass sich der PD-Chef im TV-Kanal La7 unverblümt dafür aussprach, dass der Europäische Gerichtshof (EGMR) Berlusconis Klage zur Aufhebung des von einem italienischen Gericht verhängten Verbots der Ausübung öffentlicher Ämter entspreche und "Berlusconi beim Wahlkampf dabei sein wird". Berlusconi lässt offen seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Renzi erkennen, denn damit könnte er sein Image als "moderater Rechter" aufpolieren und seine lästigen Konkurrenten um die Führerschaft der extremen Rechten, die Lega und die Fratelli Italia (FdI), ausschalten, was auch noch als Zurückdrängung des Rassismus von Lega-Chef Matteo Salvini und der faschistischen Hardlinerin, der FdI-Führerin Giorgia Meloni, verkauft werden könnte.

Renzi übernahm zwar die Verantwortung für die Wahlniederlage auf Sizilien, machte aber postwendend die Linken dafür verantwortlich, die sich seinem derzeitigen Wahlbündnis mit der rechten Alleanza Popolare des früheren Vize von Berlusconis FI verweigert hätten. Der PD-Chef beharrte darauf, zu den Wahlen zu kandidieren und verstieg sich zu der Behauptung, wenn die Linke ihm folge, könne die PD - wie bei den EU-Wahlen 2013 - 40 Prozent schaffen. Während Renzi demagogisch dieses schon fast utopische Ziel verspricht, kalkuliert er einem Bericht der Mailänder Wochenschrift Espresso zufolge, bereits eine Niederlage seiner Partei im Frühjahr 2018 ein. Für diesen Fall wolle er sogar als Außenminister in eine Regierung von Berlusconis FI eintreten.

Von der Kollaboration Renzis mit Berlusconi profitiert die kleinbürgerliche M5S, die ihre schon aufgegebenen Proteste gegen Berlusconi wieder belebt und sich als einzige Alternative gegen den Medientycoon als auch gegen die PD darstellt. Auch sie würde bei einem Wahlerfolg (Umfragen sehen sie Kopf an Kopf mit der PD bei 30 Prozent) allein keine Regierung bilden können. Wie aus, wie man für gewöhnlich sagt, gut informierten Quellen verlautet, soll M5S-Chef Beppe Grillo für diesen Fall eine Koalition mit Matteo Salvinis Lega ins Auge fassen.

Im Ergebnis des von Renzi auf der Grundlage des Bündnisses mit dem Unternehmerverband Confindustria geschlossenen Bündnisses ist der bei der PD-Gründung 2007 noch in Rudimenten bestehende sozialdemokratische Anstrich nahezu verblasst und durch seine Absicht, die PD in eine "Partei für alle" zu verwandeln, ersetzt worden. Mit dem neuen Wahlgesetz, das für einzeln antretende Parteien eine drei Prozent-Hürde und für Koalitionen zehn Prozent festlegt, sollen die Linken, wie schon 2008 die Kommunisten, endgültig aus dem Parlament vertrieben werden. Der PD-Chef profitiert von der in Szene gesetzten Spaltung der Linken, die heillos wie kaum vorher in drei Parteien gespalten ist, und für die, wie La Repubblica am Dienstag schrieb, "das Risiko groß ist" allein anzutreten, und "noch nicht entschieden sei, wer mit wem" antreten werde. Die aussichtsreichsten linken Parteien - Guiliano Pisapias Campo progressista und La Sinistra Italia (SI) des Ex-Kommunisten Nicola Fratoianni - wollen darüber auf einem Einigungskongess am 3. Dezember beraten.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2017

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