Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/212: Geschichtsklitterung zu Gedenkfeiern für Südtiroler Volksheld Andreas Hofer (Gerhard Feldbauer)


Geschichtsklitterung zu Gedenkfeiern für Südtiroler Volksheld Andreas Hofer

Südtiroler Volkspartei boykottiert Gedenkfeiern

von Gerhard Feldbauer, 21. Februar 2018


Die diesjährigen traditionellen Feiern zum Gedenken an den Südtiroler Volkshelden Andreas Hofer, der nach einer Niederlage im Aufstand gegen Napoleon am 20. Februar 1810 hingerichtet wurde, stehen dieses Jahr im Schatten der Wiener Bestrebungen, die bis 1919 zu Österreich gehörende Provinz Oberetsch (italienisch Alto Adige) stärker an sich zu binden. Jüngste Versuche sind die von der mit der FPÖ extrem rechts ausgerichteten Regierung verfolgte Verleihung des sogenannten Doppelpass. Das heißt, die 69,4 Prozent zählende deutschsprachige Volksgruppe und die 4,5 Prozent ladinischsprachigen Einwohner sollen auf Antrag zusätzlich zur italienischen die österreichische Staatsangehörigkeit erhalten. Damit beansprucht Wien von weit über 300.000 italienischen Bürgern, der deutlichen Mehrheit in Südtirol, die Staatsbürgerschaft für sich. Das sei eine "eiserne ethnonationalistische Faust", umriss der Staatssekretär im Außenministerium in Rom, Benedetto Della Vedova, die weitreichenden Konsequenzen, die das haben könnte. Als nächstes könnten Territorialforderungen gestellt werden. Wird doch schon jetzt erwogen, dass Südtiroler mit dem Doppelpass beim österreichischen Heer Dienst leisten, Sportler statt in italienischen in österreichischen Mannschaften an internationalen Wettkämpfen teilnehmen könnten.

In Südtirol griffen "Die Freiheitlichen", ein FPÖ-Ableger, die im Landtag immerhin 17,9 Prozent belegen, und die extrem rechts ausgerichtete "Süd-Tiroler Freiheit" - STF (7,2 Prozent) den "Doppelpass" sofort auf und suchten die Andreas Hofer-Feiern unter diese Forderungen zu stellen. In einer Video-Botschaft, die das Online-Portal Südtirol News wiedergab, behauptete die STF, Andreas Hofer stehe "für die Einheit Tirols, aber auch für die Verbundenheit Tirols mit Österreich." Die Andreas-Hofer-Feiern stünden daher "im Zeichen der doppelten Staatsbürgerschaft, mit der die Südtiroler ihre österreichische Staatsbürgerschaft wieder zurückbekommen" sollen. "Wir Südtiroler sind keine Italiener und wollen uns auch keine italienische Identität aufzwingen lassen, sondern selbst über unsere Identität entscheiden", so die STF.

Soviel Geschichtsklitterei wollte nun selbst die regierende Südtiroler Volkspartei, die durchaus die Autonomierechte erweitern will, nicht mitmachen. Als dann noch der Südtiroler Schützenbund den österreichischen Red Bull Stratos-Sportler Felix Baumgartner, der den faschistoiden ungarischen Regierungschef Viktor Orban für den Friedennobelpreis vorschlagen möchte, als Redner zur zentralen Gedenkfeier nach Meran einlud, war das Maß voll. Die SVP boykottierte die Veranstaltung. "Das hat der Anderl nicht verdient", zitierte die Südtiroler Tageszeitung das Mitglied des Senats in Rom, SVP-Vizeobmann Karl Zeller. Julia Unterberger, Kandidatin für die Wahl in den Senat am 4. März, distanzierte sich von der Geschichtsklitterei und sagte, "Andreas Hofer ist ein Symbol für Geradlinigkeit und Standfestigkeit", womit sie an die historischen Fakten erinnerte.

Nachdem Österreich nach dem Sieg Napoleons bei Austerlitz Tirol an Frankreich abgetreten hatte, befreite Hofer es an der Spitze des Tiroler Aufstandes 1809 von der Fremdherrschaft. In drei Schlachten wurden die überlegenen Franzosen am Iselsberg bei Innsbruck vernichtend geschlagen. Hofer übernahm die Regentschaft des unabhängigen Tirol. Er band zwölf französische Divisionen, was Wien entlastete. Als Österreich aber gegen Napoleon wieder unterlag, trat es Tirol erneut an Frankreich ab. Als die Franzosen in Tirol einfielen, bat Hofer vergeblich Wien um Unterstützung. Im Stich gelassen wurde er am 1. November 1809 am Iselsberg geschlagen. Während Marie Louise, die Tochter Franz II., zur Aussöhnung der Dynastien mit Napoleon zum Traualtar schritt, wurde Hofer zum "Tod durch Erschießen" verurteilt und am 20. Februar 1810 hingerichtet. Wien hatte keinen Finger gerührt, ihn zu retten.

*

Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang