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ITALIEN/220: Noch immer keine neue Regierung - Sondierungsauftrag an "Fünf Sterne" mit PD (Gerhard Feldbauer)


Italien noch immer ohne neue Regierung

Staatspräsident Mattarella lässt Regierung von M5S mit Demokratischer Partei sondieren

von Gerhard Feldbauer, 25. April 2018


Rund sieben Wochen nach der Wahl am 4. März hat Staatspräsident Sergio Mattarella am Montag den vierten Vorstoß unternommen, um zur Bildung einer im Parlament mehrheitsfähigen Regierung zu kommen. Er beauftragte den Präsidenten des Parlaments Roberto Fico von der Rechtspartei Fünf Sterne (M5S), die Möglichkeit einer Regierung mit der Demokratischen Partei (PD) zu sondieren. Bereits am Donnerstag soll er dem Staatschef berichten. Alle bisherigen Versuche - zwei hatte Mattarella in Gesprächen mit den Vertretern der Parteien und Institutionen selbst unternommen, mit einem dritten die Senatspräsidentin Elisabetta Alberti Casellati von der Forza Italia (FI) beauftragt - scheiterten.

Beide Wahlsieger, der Chef der rassistischen Lega Matteo Salvini wie auch Luigi Di Maio von M5S, forderten den Posten des Premiers. Di Maio, weil seine Partei mit 32 Prozent stärkste Kraft wurde, Salvini, dessen Lega nur auf etwa 17 Prozent kam, weil er zur Allianz mit der FI Berlusconis und den Fratelli/Brüdern Italiens (FdI) gehört. Das faschistisch-rassistische Bündnis erreichte 37 Prozent. Casellati wollte eine Koalition aus der Allianz Berlusconis mit M5S unter Einbeziehung der PD zustande bringen. Salvini hatte das zurückgewiesen: "Wer nach links schaut, scheidet aus", zitierte ihn die Nachrichtenagentur ANSA. Zum neuen Auftrag an Fico, mit der PD zu koalieren, erklärte Salvini bereits: "Ich werde alles tun, um das zu verhindern".

Wie La Repubblica am Dienstag schreibt, sieht der amtierende PD-Chef Maurizio Martina den Schritt des Staatschefs als "Aufwind". Vorausgesetzt, so Martina, es werde ein "seriöser und übereinstimmender Dialog" geführt und der Premierskandidat von M5S, Luigi Di Maio, verzichte darauf, gleichzeitig Lega-Führer Salvini "für eine Koalition zu gewinnen". Beobachter in Rom befürchten, dass bei einem Scheitern M5S die PD für ihre Hinwendung zur Lega verantwortlich machen wird.

Lega und FI erhielten Auftrieb durch ihren Sieg bei den Regionalwahlen in Molise, wo der Amtsinhaber der PD eine Niederlage erlitt. M5S belegte den zweiten Platz. Am kommenden Sonntag treten bei den Regionalwahlen in Friuli Venezia Giulia die drei Gruppierungen ebenfalls an.

Scheitert auch Fico, bliebe dem Staatschef, der bisher Neuwahlen ausschließt, noch, ein von allen Parteien unterstütztes sogenanntes Techniker-Kabinett einzusetzen wie nach dem Rücktritt Berlusconis 2011 unter dem früheren EU-Kommissar Mario Monti.

In dieser Situation fällte das Schwurgericht von Palermo (Sizilien) am Freitag in erster Instanz ein folgenschweres Urteil. In einem Verfahren wegen der Komplizenschaft von "Cosa Nostra und Staat" verurteilte es bekannte Politiker und Polizeichefs wegen eines mutmaßlichen Pakts zwischen dem Staat und der Cosa Nostra in den 90er Jahren zu Haftstrafen zwischen acht und 28 Jahren. Darunter befindet sich der Vertraute Berlusconis, Ex-Senator Marcello Dell'Utri, der erneut 12 Jahre Gefängnis erhielt. Er war, wie es im Urteil heißt, Verbindungsmann der Cosa Nostra zu Berlusconi.

Das kommunistische Contropiano sieht in seinem Online-Portal in diesem Urteil eine entscheidende Ursache des heutigen Wucherns von Faschismus und Rassismus, das sich in den Wahlergebnissen zeige. Diese Tendenz müsse "offen gelegt und zerschlagen" und "Berlusconi aus dem politischen System verjagt werden". La Repubblica zitiert einen Sprecher von M5S, das sei "ein Grabstein" für Berlusconi, was besagen soll, daß sie keine Regierung mit ihm wolle - was von M5S aber auch als Camouflage genutzt werden könnte.

"Schluss mit Berlusconi" wird als Ende des von ihm praktizierten Faschismus ausgegeben, eine Regierung mit Salvini sei frei davon. Damit wird negiert, dass der Rassismus, wie ihn die Lega u. a. mit der Propagierung der Rassengesetze Mussolinis von 1938 verkörpert, immer ein entscheidendes Charakteristikum des Faschismus war und auch in seinen heutigen Formen noch ist.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2018

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