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ITALIEN/276: Hoffen auf eine Regierung der Sternepartei mit Sozialdemokraten (Gerhard Feldbauer)


Hoffen auf Regierung der Sternepartei mit Sozialdemokraten

Feilschen um Posten des Premiers

von Gerhard Feldbauer, 26. August 2019


In Rom hält die nach dem Ende der Regierung der faschistischen Lega mit der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) eingetretene Regierungskrise an. Auf der Suche nach einem Ausweg beginnt Staatspräsident Sergio Mattarella am Dienstag eine zweite Runde der Konsultationen mit den Präsidenten des Senats und des Abgeordnetenhauses sowie den Chefs der im Parlament vertretenen Parteien. Er möchte die von Lega-Chef Salvini geforderten Neuwahlen vermeiden und setzt darauf, dass die bisher regierende M5S und die Sozialdemokraten, worunter die Demokratische Partei (PD) zu verstehen ist, zu einer Regierung zusammenfinden, die im Parlament eine Mehrheit erreichen könnte.

Mit ihren Chefs Nicola Zingaretti und Luigi Di Maio haben Abordnungen der PD und M5S am Freitag Verhandlungen begonnen. Zingaretti erklärte, es müsse um eine "Durchbruchsregierung" gehen, "eine Alternative zur Rechten", um die loyale Zugehörigkeit zur EU, Entwicklungen zugunsten des Umweltschutzes, einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik, bei der Europa eine wichtige Rolle spielen soll, sowie eine Verlagerung der Wirtschafts- und Sozialpolitik hin zu mehr Umverteilung und Investitionen. Di Maio legte ein Zehn-Punkte-Programm vor, an dessen Spitze eine Verfassungsreform mit der Reduzierung der Sitze des Senats und der Abgeordnetenkammer von 950 auf 605 steht, zu der die PD Zustimmung signalisierte. Ferner verlangt der Sterne-Chef den von der Lega bisher blockierten Mindestlohn durchzusetzen sowie Steuererleichterungen für Unternehmen.

Im Vordergrund steht, wie die Nachrichtenagentur ANSA und weitere Medien am Wochenende und Montag berichten, jedoch das Feilschen um die Besetzung des Postens des Regierungschefs. Zunächst wurde der Parlamentspräsident Roberto Fico von den Sternen als "die Hypothese" gesehen, mit dem die PD laut ANSA einen "großartigen Ausgangspunkt" sah. Dann versteifte sich Di Maio jedoch auf den bisherigen Premier Giuseppe Conte. "Es ist der einzige Name auf dem Feld." Zingaretti lehnte ab. In einer "durchbrechenden Regierung" müsse "Diskontinuität auch durch einen Personenwechsel gewährleistet sein".

Sowohl in der PD als auch bei M5S herrscht keine einheitliche Meinung zu dieser "Machtfrage". Ex-Premier und Ex-PD-Chef Matteo Renzi, der den rechten Flügel anführt, "dränge Zingaretti, die Einigung über Conte zu akzeptieren". Schlimmer sieht es bei den Sternen aus, wo laut einem Bericht der Turiner La Stampa Alessandro Batista von der Leitung, der als enger Vertrauter Di Maios gilt, für die von Salvini angestrebte Fortsetzung "einer Koalition mit der Lega" sei, dafür müsse allerdings "M5S den Premier stellen".

Damit gibt es, so ANSA am Montag, "noch immer keine Lösung". Mattarella erwarte am Dienstag "klare Antworten. Und er möchte einen Namen". Dann wird er "der verantwortlichen Person etwas mehr Zeit geben, um das Regierungsteam zu bilden". Mattarella, der bisher versuchte, Neuwahlen auszuschließen, ließ verlauten, sollten diese Bemühungen ergebnislos zu Ende gehen, würde es in Italien nach der von der Lega und ausgelösten Regierungskrise zu Neuwahlen kommen.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2019

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