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ITALIEN/278: Conte-Regierung vom Parlament bestätigt - Konflikte vorprogrammiert (Gerhard Feldbauer)


Conte-Regierung vom Parlament bestätigt

Konflikte vorprogrammiert

von Gerhard Feldbauer, 11. September 2019


Die von dem pateilosen Giuseppe Conte geführte Regierung der Fünf-Sterne-Partei (M5S) mit den Sozialdemokraten (Demokratische Partei - PD) hat in Abgeordnetenkammer und Senat die Vertrauensabstimmung gewonnen. In der Kammer mit 343 Ja-Stimmen (56 Prozent). Im Senat stimmten von den 321 Mitgliedern überraschend 168 mit "Ja", sechs mehr als die Koalition mit der dem Kabinett angehörenden Linkspartei LeU zählt. Dagegen stimmte der faschistische Block aus Lega, der Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi und den Brüdern Italiens (FdI) von Giorgia Meloni, die 138 Mandate haben. Sie protestierten in beiden Kammern und auf der Straße, nannten die Abstimmung eine "Palastverschwörung", schrien "Diebe der Souveränität" und forderten weiter Neuwahlen. für die Salvini "zig Millionen Italiener" aufrufen will.

Conte stand seit Juni 2018 an der Spitze einer Regierung Lega-M5S, in der Lega-Chef Salvini und Di Maio von M5S Vizepremiers waren. Nachdem die Sterne-Partei das Projekt der Hochgeschwindigkeitsbahn Turin-Lyon (TAV) abgelehnt hatte, brachte Salvini Mitte August die Regierung mit einem Mißtrauensantrag gegen Conte zu Fall, um Neuwahlen zu provozieren, zu denen ihm Umfragen 38 Prozent voraussagten. Danach bildete Conte mit den bisher verfeindeten M5S und PD das neue Kabinett.

Conte will den von Lega und M5S verfolgten Anti-EU-Kurs korrigieren. Er bekennt sich grundsätzlich zur EU, sucht aber einen Kompromiss und meldet vor allem zum Haushaltskonflikt Vorbehalte an. "Eine 'Überarbeitung der Regeln des Stabilitätspakts' soll Investitionen in Infrastruktur, Netze, Innovation, Bildung und Forschung wieder in Gang" bringen, zitierte ihn die Nachrichtenagentur ANSA. Er wolle mit der EU ein höheres Defizit aushandeln. Mitte Oktober muss Finanzminister Roberto Gualtieri (PD) in Brüssel den Haushaltsentwurf für 2020 vorlegen, dann wird die Stunde der Wahrheit kommen. Denn werden die von der EU festgelegten Ziele für die Neuverschuldung nicht eingehalten, drohen zum 1. Januar Konsequenzen.

Conte hat ein Programm voller sozialer Versprechungen vorgelegt, deren Verwirklichung mehr als fraglich ist. Er will nicht nur das von M5S geforderte Mindesteinkommen verwirklichen, sondern auch eine bessere Steuergesetzgebung, die vor allem den Arbeitern zu Gute kommen soll, und ein Gesetz der gewerkschaftlichen Vertretung. "Hochwertige Schulen und Universitäten, Kindergärten und Dienstleistungen, insbesondere für Familien mit Kindern" will er als erste Hebel ansetzen. Conte dürfte hier auf einen Umschwung der Wählerstimmen setzen, falls es doch noch zu Neuwahlen kommen sollte.

Zur Rücknahme der von der PD und LeU geforderten, teilweise verfassungswidrigen Sicherheitsdekrete kündigte Conte Korrekturen an. Die Einwanderung müsse mit Brüssel "auf mehreren Ebenen" gelöst werden, darunter durch "eine Änderung der Dublin-Regeln, nach denen für ein Asylverfahren das europäische Land zuständig ist, in dem ein Asylbewerber zum ersten Mal europäischen Boden betritt". Dazu fordert er "mehr Rückführungsabkommen". Auch die "Schlepperei" soll weiter bekämpft werden.

Pressestimmen, so Fatto Quotidiano, bleiben skeptisch zur Haltbarkeit der neuen Regierung. Zu viele gegensätzliche Gesichtspunkte blieben bestehen, schreibt die der PD nahe stehende La Repubblica am Mittwoch. Darunter zählt auch das milliardenschwere TAV-Projekt, das M5S bisher ablehnte, die PD befürwortet und Conte bereits absegnete.

Schwerer wiegt, dass Salvini die Zustimmung der gewählten Abgeordneten und Senatoren in Frage stellt und sich demagogisch auf "das Volk" beruft. Das ist ein faschistischer Angriff, der die Zuständigkeit des bürgerlichen Parlaments in Frage stellt. Er zielt auf das von der Lega, seit sie 1994 der Regierung der Faschisten der FI Berlusconis und der MSI-Partei, aus der die heutige FdI hervorging, angehörte, verfolgte Ziel, ein Präsidial-Regime zu errichten, das eben die Rechte des Parlaments einschränkt. Der Mailänder Corriere della Sera hatte das wohl im Blick, wenn er die "von Haß" geprägten Ausfälle Salvinis "schlimme Vorzeichen" für die Zukunft nennt.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2019

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