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ITALIEN/307: COVID-19 in Italien - Überraschung, Schreck, Verlauf ... 15.4.2020 (SB)



Für einen wenn auch vorsichtigen Optimismus nach Pressemeldungen über eine Abnahme der Neuerkrankungen scheint in Italien doch kein Anlaß zu bestehen. Die Gesamtzahl der Infizierten ist am Dienstag um 675 Neuerkrankte auf insgesamt 104.291 gestiegen, was nach Einschätzung von Gesundheitsminister Roberto Speranza noch kein Abstieg sei. Man müsse "realistisch sein, weil die Zahlen immer noch ernst und schwerwiegend sind", warnte er.

Die Zahl der Todesopfer schnellte am selben Tag mit 602 innerhalb von 24 Stunden erneut in die Höhe. Insgesamt sind in Italien nach Angaben des Zivilschutzes seit Februar 21.067 Menschen (Stand: 14.4.) an den Folgen der Coronavirusinfektion verstorben. [1] Doch die Zahlen steigen weiter. Am heutigen Mittwoch (Stand: 10.00 Uhr) wurde die Zahl der in Italien mit dem Coronavirus infizierten Menschen von der John-Hopkins-Universität bereits mit 162.000 angegeben und die der Verstorbenen auf über 21.000 beziffert. [2]

Inzwischen flammt der Nachrichtenagentur ANSA zufolge der Streit zwischen den Regierungsparteien der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und den Sozialdemokraten der PD sowie dem Industriellenverband Confindustria erneut auf. Während Ministerpräsident Guiseppe Conte die Hilfskredite des Europäischen Rettungsschirms (ESM) ablehnt, fordert die Confindustria, sie anzunehmen. In einer so heiklen Zeit sei es "von entscheidender Bedeutung, alle verfügbaren Instrumente einsetzen zu können", so ihre Begründung. Politischer Streit sei fehl am Platz.

Der Premier erklärte hingegen, er halte den ESM für "völlig unpassend" und wolle dessen Gelder nicht in Anspruch nehmen. Gleichwohl werde Rom für europäische Anleihen - aktuell auch Corona-Bonds genannt - oder andere gemeinsame Absicherungen "bis zum Schluss" kämpfen. Da jedes Land bis zu zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhalten könne, kämen für Italien rund 35 Milliarden Euro in Betracht.

In dem hochverschuldeten Land gibt es viele ESM-Gegner, darunter die mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), aber auch die oppositionelle faschistische Lega. Nicola Zingaretti, Chef der sozialdemokratischen Regierungspartei PD, sprach sich dagegen dafür aus, das Angebot aus Brüssel anzunehmen, wenn "keine Bedingungen gestellt" und "die italienische Souveränität" respektiert werden. Eben dies sehen die ESM-Gegner nicht gewährleistet.

In Italien scheint die Wiederaufnahme der Produktion spätestens nach dem 1. Mai beschlossene Sache zu sein. Vor diesem Hintergrund werden bereits die Karten bereits neu gemischt. So haben beispielsweise die Lega und die Brüder Italiens (FdI) von Giorgia Meloni, die sich in der Corona-Krise bislang ruhig verhalten haben, den Streit um die Annahme der ESM-Kredite zum Anlaß genommen, sich wieder zu Wort zu melden. Politische Beobachter rechnen damit, daß sie die Regierung, sobald die Krise dadurch noch verstärkt wird, verantwortlich machen werden.


Fußnoten:

[1] https://www.fr.de/panorama/corona-italien-coronavirus-covid-19-ausgangssperre-fallzahlen-neuinfektionen-zr-13591649.html

[2] https://www.swp.de/panorama/coronavirus-italien-aktuell-wieso-sterben-in-italien-so-viele-an-corona-wieso-hat-italien-so-viele-infizierte-zahlen-tote-gruende-45080326.html

15. April 2020


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