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ITALIEN/353: Wegen des Mordkomplotts gegen Aldo Moro wollen Macron und Draghi Ex-Linke bestrafen (Gerhard Feldbauer)


Am 9. Mai 1978 wurde der Christdemokrat Aldo Moro Opfer eines Mordkomplotts der CIA

Bestrafen wollen Macron und Draghi dafür noch immer Ex-radikale Linke

von Gerhard Feldbauer, 10. Mai 2021


Das antifaschistische Italien gedachte am Sonntag der Ermordung des Vorsitzenden der Democrazia Cristiana (DC), Aldo Moro, am 9. Mai 1978, der 55 Tage vorher entführt worden war. Er wurde Opfer eines von der CIA mit italienischen Komplizen inszenierten Komplotts, in dem die linksextremen "Brigate Rosse", die Gegner des von Moro mit IKP-Generalsekretär Berlinguer geschlossenen Historischen Kompromisses der Regierungszusammenarbeit waren, durch eingeschleuste Agenten manipuliert wurden. Der Anschlag war Höhepunkt der von der CIA inszenierten "Spannungsstrategie", der Anni di piombo (bleiernen Jahre), die mit allen Mitteln eine Regierung mit den Kommunisten verhindern wollte. Staatspräsident Sergio Mattarella gedachte der über 400 Toten dieses Terrors und erinnerte in der römischen La Repubblica daran, dass diese Anni di piombo die "institutionelle und soziale Stabilität unseres Landes" bedrohten, und forderte, die "vollständige Wahrheit" darüber ans Licht zu bringen.

Eine andere Sicht hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der auf Ersuchen des italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi entschieden hat, dass die Justizbehörden den Anträgen Italiens nach Auslieferung von früheren Mitgliedern der BR wie auch anderer radikaler Linker, die in den 60/70er Jahren teilweise den bewaffneten Kampf gegen die faschistische Gefahr führten, nachkommen. Die ersten neun wurden bereits verhaftet. Nach dem Mord an Moro wurden mit der Beschuldigung, ihn verübt zu haben, in Italien unzählige Linksradikale oder als solche auch nur Apostrophierte - viele ohne sich eines Vergehens strafbar gemacht zu haben - verfolgt und in Gefängnisse geworfen. Mindestens 100.000 wurden polizeilich verfolgt, rund 40.000 angeklagt und etwa 15.000 verurteilt. Der linke Professor Antonio Negri wurde angeklagt, Chef der BR zu sein und die Entführung Moros organisiert zu haben.

Zahlreichen Verfolgten gewährte der sozialistischen Präsident Frankreichs François Mitterand Asyl. Auch unter seinen Nachfolgern wurden Auslieferungen abgelehnt. Insgesamt sollen es noch etwa 200 ehemalige jugendliche Revolutionäre sein, die heute über 65 Jahre alt sind. Viele von ihnen verbüßten bereits lange Haftstrafen in Italien und sollen jetzt erneut vor Gericht gezerrt werden. Unterstützt von Macron, der mit seinem neuen Sicherheitsgesetz "Sécurité globale" die "Kriminalisierung und Unterdrückung jeglicher Form sozialer Opposition" verfolgt, male Draghi das Gespenst der Rückkehr des "roten Terrorismus" an die Wand als "Mittel der Kontrolle und Unterdrückung jeder Bewegung des sozialen Protests, jeder Form des kollektiven Anti-System-Kampfes", schrieb das kommunistische Onlineportal Contropiano.

Während Mainstream-Medien von linken Terroristen schreiben, verschweigen sie, dass es die CIA war, die die Spannungsstrategie der bleiernen Jahre organisierte und dazu radikale Linke zu Terroranschlägen anstiftete oder auch selbst als "links" getarnte durchführte. Das Repräsentantenhaus der USA orientierte bereits 1968 alle Geheimdienste darauf, stärker linksextremistische Kräfte zu nutzen. 1970 wies der militärische Geheimdienst DIA in einem Field Manual (Feldhandbuch) an, Agenten in linksradikale Organisationen einzuschleusen, die Unruhen provozieren und politische Morde auslösen sollten. Am 14. Juni 1975 enthüllte der Chefredakteur der römischen Wochenschrift Tempo, Livio Januzzi, in Rom, dass die CIA auf einem geheimen NATO-Stützpunkt auf Sardinien Agenten ausbildete, BR-Mitglieder anzuleiten, wie Kommandounternehmen zur Entführung und Ermordung von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur durchzuführen sind.

Nach der Entführung Moros berichtete die römische Repubblica am 20. März 1978, dass die fünf Männer seiner Eskorte von einem CIA-Spezialisten erschossen wurden. Der Kommandeur der geheimen NATO-Truppe "Gladio", Gerardo Serravalle, bestätigte 1990 nicht nur das, sondern enthüllte, dass Moro zeitweise auf einem Stützpunkt von Gladio bei Rom versteckt worden war. Am 23. Oktober 2007 erklärte der damalige Stellvertreter Moros, Giovanni Galloni, wie Medien berichteten, "die USA wußten, wo Aldo Moro gefangen gehalten wurde", und fünf Mitglieder der BR bei seiner Entführung "nur die Kulisse bildeten".

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2021

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