Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/371: Sozialdemokraten auch bei Bürgermeisterstichwahl in Rom und Turin überlegene Sieger (Gerhard Feldbauer)


Sozialdemokraten auch bei Stichwahl der Bürgermeister in Rom und Turin überlegene Sieger

Bumerang für faschistische Spannungsstrategen

von Gerhard Feldbauer, 19. Oktober 2021


Italiens Sozialdemokraten, der Partito Democratico (PD), haben an der Spitze eines Mitte-Links-Bündnisses nach den vorläufigen Wahlergebnissen auch bei der Stichwahl in Rom und Turin überragende Ergebnisse erzielt, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur ANSA. In der Hauptstadt erreichte der frühere Finanzminister Roberto Gualtieri (PD) 59 Prozent, während der von den faschistischen Brüdern Italiens (FdI) von Giorgia Meloni aufgestellte Enrico Michetti abgeschlagen auf 37 Prozent kam. In Turin wird der Mitte-Links-Bewerber Stefano Lo Russo mit 56 Prozent neuer Bürgermeister. Wie in Rom stellen die Ergebnisse auch in der Industriemetropole, die M5S seit 2016 regierte und hier auf 9 Prozent absackte, eine schwere Schlappe dar. Der neue Sternechef Giuseppe Conte will die Partei nun in der politischen Mitte positionieren, um ihren Niedergang aufzuhalten.

Einzig in der Hafenstadt Triest gelang es dem Amtsinhaber Roberto Dipiazza von Berlusconis Forza Italia (FI), nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Francesco Russo auf 51,29 Prozent zu kommen. Die Wahlen der Bürgermeister- und Kommunalparlamente fanden in 1348 Gemeinden mit rund 12 Millionen Wahlberechtigten statt. In der Stichwahl ging es dann noch in 65 Städten um das Votum für ein neues Stadtoberhaupt. Mit 43,9 Prozent erreichte die Wahlbeteiligung ein neues Rekordtief.

Nachdem bereits nach dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen Mitte-Links-Bewerber in Mailand, Bologna und Neapel als neue Bürgermeister in die Ratshäuser einzogen, hat die linke Mitte jetzt in acht von zehn Großstädten, darunter in fünf von sechs Regionalhauptstädten, die faschistische Allianz geschlagen und stellt damit in 15 Großstädten doppelt so viele Stadtoberhäupter wie vorher. "Wir haben bewiesen, dass die Rechte zu schlagen ist", zitiert das linke Manifesto den Chef des PD Enrico Letta, der auf der Piazza Santi Apostoli in Rom mit Gualtieri unter Applaus das Ergebnis als "einen triumphalen Sieg" feierte.

Während Berlusconi den Sieg in Triest in seinem Hausblatt Il Giornale als Bestätigung seiner eigenen wichtigen Rolle sowie der seiner Forza Italia (FI) in der Allianz hervorhebt, sind laut dem Mailänder Corriere della Sera Meloni und Salvini noch dabei, die Niederlage "zu reflektieren". Meloni befindet sich in einer starken Position, denn ihre FdI ist mit 20,4 Prozent Wählerstimmen dabei, Salvinis Lega, die auf 19,5 absackte, zu überholen. Ihre Leaderschaft in der Allianz rückt näher. Ihren Stimmenzuwachs führt sie darauf zurück, dass sie nicht in die Draghi-Regierung eintrat, nun fordert sie den Lega-Chef auf, diese auch zu verlassen.

Wie Manifesto oder das kommunistiche Online-Portal Contropiano enthüllten, waren die schweren faschistischen Ausschreitungen mit dem Überfall auf die Zentrale der Gewerkschaft CGIL der Forza Nuova (FN), bekanntermaßen ein Stoßtrupp der Lega, eine Woche vor der Stichwahl der Versuch, die alte faschistische Spannungsstrategie neu zu beleben, um ein Klima der Angst zu schaffen und die Wähler von der Stimmabgabe für Mitte-Links abzuhalten. Das Ganze erwies sich angesichts der gemeinsamen Proteste am vergangenen Freitag von 200.000 Antifaschisten in Rom zur Unterstützung des Verbotsantrages der FN und aller sich auf den Faschismus berufenden Organisationen als ein Bumerang. Hinzu kam, dass bekannt wurde, wie Michetti auf seiner Homepage, an Hitler anknüpfend, die der Shoah, dem Völkermord an den Juden, zum Opfer Gefallenen als "Teil einer Lobby von Banken, die über das Schicksal des Planeten entschied", diffamierte. Nachdem die jüdische Gemeinde das entschieden verurteilt hatte, sagte Michetti einen bei ihr geplanten Besuch mit einer Delegation der FdI, um dort anlässlich des Jahrestages der Razzia des Ghettos von Rom im Oktober 1943 einen Kranz niederzulegen, ab. Auch Michettis letzte Ankündigung, er werde den im finstersten Klima der Hetze gegen links erzielten Wahlsieg der Democrazia Cristiana (DC) von 1948 (48 Prozent der DC gegen 31 des Linksbündnisses) wiederholen und die Sozialdemokraten auch diesmal schlagen, um so "das Kapitol zurückzuerobern", wirkte eher kontraproduktiv.

Contropiano warnt vor Illusionen. Der PD gehöre weiter der Draghi-Regierung an und habe sich "im Zentrum des politischen Systems etabliert". Er trägt die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Draghi-Regierung, "die eine klassische Arbeitgeberpolitik ist", mit. Eine soziale Alternative sei nicht zu erkennen.

*

Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 26. Oktober 2021

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang