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ITALIEN/399: Streik im Luftverkehr gegen Extremausbeutung des Billigfliegerpersonals (Gerhard Feldbauer)


Luftstreik entlarvt:

Billigflieger beuten ihr Personal auf unglaubliche Weise aus

von Gerhard Feldbauer, 8. Juni 2022


Flug- und Bodenpersonal der Billigflieger Ryanair, easyJet und Volotea haben am Mittwoch in Italien mit einem Streik von 10 bis 14 Uhr gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und die Missachtung elementarer Sicherheitsvorkehrungen protestiert. Da der Ausstand sowohl die Flugsicherung als auch das Bodenpersonal verschiedener Airlines erfasste, kam es zu schweren Behinderungen im gesamten Luftverkehr, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA. An den Mailänder Flughäfen Malpensa und Linate legten die Angestellten der Flugsicherungsgesellschaft ENAV ihre Arbeit für 24 Stunden nieder.

Von der irischen Ryanair, der mit 152 Millionen Passagieren größten Fluggesellschaft Europas und auch erstes Unternehmen in Italien, traten ca. 2000 Flugbegleiter und 800 Piloten in den Ausstand. Die Flugbesatzungen der easyJet, hinter Ryanair zweitgrößte europäische Billigfluggesellschaft und auf Platz zwei in Italien, und die spanische Volotea, die in Europa in 350 Direktflügen über 80 Städte ansteuert, verschränkten für 4 Stunden die Arme.

Zu dem Ausstand hatten die Branchengewerkschaften der CGIL und UIL und die Unione Sindacale di Base (USB) aufgerufen. Die CISL schloss sich jedoch aus, berichtete Manifesto. Nachdem Ryanair in Italien die verhassten Gewerkschaften akzeptieren musste, war es ihr gelungen, sie zu spalten, so dass FIT-CISL nicht streikt, so das linke Blatt.

"Die Arbeiter von easyJet protestierten gegen die Beschneidung von Rechten, die in ungerechtfertigten Entlassungen gipfeln, gegen die mangelnde Betriebssicherheit zu Lasten von Passagieren und Besatzungen und gegen die totale Verschlechterung der Arbeitsbedingungen", hieß es auf der Website der Gewerkschaft. Volotea Uiltrasporti sprach von "einem andauernden gewerkschaftsfeindlichen Verhalten des Unternehmens, inakzeptablen Forderungen nach Gehaltskürzungen, Beförderungen und wirtschaftlichen Verbesserungen nach alleinigem Ermessen des Unternehmens, um eine totale Kontrolle über seine Mitarbeiter auszuüben". Während die Billigflieger mit 30 Prozent billigeren Tickets werben, wird das Personal am Boden und in der Luft auf übelste Weise ausgebeutet.

Nicholas Dormia von der nationalen Luftverkehrsabteilung von FILT-CGIL führt an, dass bei den Flugbegleitern die sogenannte 5/3-Basis-Schichtregel praktiziert wird: "Fünf Tage aufeinanderfolgende Arbeit mit fast immer vier Flügen am Tag für insgesamt 20 Stunden und nur drei Ruhetage." Die Crews befinden sich 12-13 Stunden nonstop im Flugzeug, und das Unternehmen stellt keine Verpflegung, noch nicht einmal Wasser zur Verfügung.

Die USB zeigte auf den Flughäfen in Fiumicino von Rom, Malpensa in Mailand und Capodichino in Neapel, wie mit dem sogenannten "Handling" elementarste Regeln der Gesundheit des Personals beim Be- und Entladen der Flugzeuge missachtet werden. Vor dem Terminal 3 war in Fumicino eine 1:1-Nachbildung eines Flugzeugladeraums aufgebaut. Diese haben variable Höhen zwischen 90 und 150 Zentimetern: Wenn alles gut geht, arbeitet man gebückt, aber wenn etwas schiefgeht, muss man auf den Knien operieren, hocken oder sogar liegen, während man die schweren Gewichte hebt. Im Durchschnitt bewegt ein Arbeiter in einer Schicht 1500 Säcke, d. h. er kümmert sich um 5 Flugzeuge mit 150 Säcken zum Be- und Entladen. Da ein Flugzeug in 30 Minuten be- und entladen wird, beträgt die Abfertigungsfrequenz bei einer Schicht von 5 Flugzeugen alle 6 Sekunden ein Gepäckstück (30 ž 5 = 150; 150 ž 60 = 9000; 9000 : 1500 = 6).

Auf diese Weise werden in Italien 90 % der Be- und Entladevorgänge manuell durchgeführt, da weder Flughäfen noch Abfertigungsunternehmen ein Interesse daran haben, sich mit automatisierten Systemen auszustatten. Lieber wird billiger auf die liebe, alte "menschliche Kraft" zurückgegriffen, auch wenn sie denen, die sie ausüben, oft dauerhaften Schaden zufügt, so die USB, die die Einführung des maschinellen Be- und Entladens von Gepäck und die Abschaffung der manuellen Massenstauung für alle Flugzeuge fordert.

"In Ermangelung konkreter Signale von Ryanair bestätigten FILT-CGIL und Uiltrasporti am Mittwoch, der 8. Juni werde nur die erste Streikaktion einer Serie sein, die den gesamten Sommer betreffen wird."

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 9. Juni 2022

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