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GRUNDRECHTE/008: EU-Gerichtshof - spanische Doktrin Parot unvereinbar mit Menschenrechts-Charta (Info Baskenland)


Info Baskenland
Euskal Herriaren Lagunak - Freundinnen und Freunde des Baskenlands - 21.10.2013

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte erklärt spanische Doktrin Parot als unvereinbar mit Menschenrechts-Charta

von Uschi Grandel



Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg lehnte heute den Einspruch der spanischen Regierung gegen das Urteil vom Juli 2012 bezüglich der baskischen Gefangenen Inés del Río ab. Die Anwendung der sogenannten Doktrin Parot (197/2006), einer nachträglichen Verlängerung der Haftzeit durch Neuberechnung der Strafe verletze die Europäische Menschenrechtscharta. Das Gericht fordert mit 16 Stimmen (1 Gegenstimme) die Freilassung von Inés del Río, die seit 26 Jahren inhaftiert ist, "im kürzest möglichen Zeitraum".

Die erste Reaktion im Baskenland ist überwältigende Freude über diesen wichtigen Sieg der Menschenrechte. Viele hatten sich seit heute morgen versammelt, um die Verkündung des Urteils gemeinsam zu erwarten. Eine große Mehrheit der baskischen Bevölkerung sieht die grausame Politik der spanischen Regierung gegen die baskischen politischen Gefangenen, die Menschenrechtsverletzungen, die die normale Gefangenenpolitik durch Sondergesetze und Sondermaßnahmen ausser Kraft setzen, als Versuch, das Baskenland in die Zeiten des Konflikts zurückzuzerren.

Die Doktrin Parot betrifft über 70 baskische Gefangene, von denen viele bereits mehr als 20 Jahre inhaftiert sind. Die spanische Regierung hat bereits angedroht, andere Wege zu finden, den Gefangenen die Freilassung zu verweigern. Sie isoliert sich mit dieser offensichtlichen gravierenden Verletzung der Menschenrechte jedoch zunehmend. Erst im März 2013 hatten international im Bereich Konfliktlösung und Menschenrechte bekannte Persönlichkeiten eine Änderung der spanischen Gefangenenpolitik gegenüber der baskischen Gefangenen gefordert. Auch deutsche PolitikerInnen unterstützen die in der Erklärung geforderten "neuen Schritte im Bereich der Gefangenenpolitik". Im neuen Szenario, das durch den Friedensfahrplan der Erklärung von Aiete und das Ende des bewaffneten Kampfes von ETA gekennzeichnet ist, seien solche neuen Schritte nötig:

"Es ist an der Zeit, die Sondermaßnahmen, die zur Anwendung kamen, zu beenden. Diese Maßnahmen haben sich nicht nur als nutzlos, sondern als kontraproduktiv erwiesen. Als Antwort auf das Ende der bewaffneten Aktivitäten sind politische Schritte nötig, die dazu beitragen, die Bedingungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden zu schaffen. Aus all diesen Gründen bitten die Unterzeichner dieser internationalen Initiative die Verantwortlichen in Spanien und Frankreich um folgende initiale Schritte zur Konsolidierung des Friedensprozesses:

• Die sofortige Freilassung von schwerkranken Gefangenen, für die die aktuelle Gesetzeslage eine Freilassung vorsieht, um eine adequate Behandlung ihrer Krankheit zu ermöglichen.

• Die Freilassung der Gefangenen, die sich wegen der Anwendung der Doktrin 197/2006 (eine auch als "Parot Doktrin" bekannte nachträgliche Haftverlängerung) durch die spanischen Gerichte in Haft befinden, sowie die Freilassung der Gefangenen, die die Bedingungen vorzeitiger Entlassung erfüllen.

• Ein Ende der Politik der Zerstreuung (Unterbringung weit entfernt vom Heimatort), einer Massnahme, die willkürlich auf baskische Gefangene angewendet wird, und ihre Unterbringung in Gefängnissen in der Nähe ihrer Familien.

• Die unverzügliche Freilassung von Arnaldo Otegi und all dener, die sich allein wegen ihrer Gesinnung oder ihrer politischen Aktivitäten in politischen Parteien, Gewerkschaften, Jugendorganisationen, sozialen Bewegungen und in den Medien in Haft befinden. Anklagen und europäische Haftbefehle, die wegen solcher Aktivitäten ergangen sind, müssen aufgehoben werden.

Priorität muss jetzt die Konstruktion eines politischen Freiraums für Dialog haben, nicht die Rückkehr zu den gewohnten Rezepten von Seite der Polizei und der Justiz. Es ist an der Zeit, den Frieden aufzubauen, es ist an der Zeit, eine Zukunft zu gestalten, die sich auf Menschenrechte gründet, auf Gerechtigkeit, Wahrheit und die Unterstützung all derjenigen, die im Konflikt gelitten haben."


Die vollständige Erklärung mit den internationalen Erstunterzeichnern, den Unterstützerinnen und Unterstützern aus Deutschland, sowie eine Stellungnahme der evangelischen Kirche in Deutschland steht als PDF zum Download bereit:

http://www.baskenland-friedensprozess.de/resources/Auf+dem+Weg+zum+Frieden+-+Juli+2013.pdf

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Quelle:
Info Baskenland
Euskal Herriaren Lagunak - Freundinnen und Freunde des Baskenlands (EHL)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2013