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PARTEIEN/219: Kontroverse um Staatsbesuch Vaclav Klaus' in Irland (SB)


Kontroverse um Staatsbesuch Vaclav Klaus' in Irland

Libertas-Chef Declan Ganley tritt Kampagne zur EU-Parlamentswahl los


Für eine heftige Kontroverse hat der tschechische Präsident Vaclav Klaus bei seinem dreitägigen Staatsbesuch in Irland gesorgt. Nach Treffen mit Premierminister Brian Cowen und Präsidentin Mary McAleese an den ersten beiden Tagen ließ es sich der ehrenwerte Gast aus Prag nicht nehmen, am Abend des 11. November, des zweiten Tages seines Staatsbesuchs, demonstrativ mit führenden Euroskeptikern gemeinsam zu speisen. Gastgeber der Abendmahlzeit im Dubliner Nobelhotel Shelbourne war Declan Ganley, ein schwerreicher Unternehmer aus dem westirischen Tuam, der mit seiner neuen und deshalb bisher außerparlamentarischen Gruppierung Libertas nicht unwesentlich zum Sieg der Nein-Kampagne bei der Volksbefragung in Irland zum Lissabon-Vertrag am 12. Juni beigetragen hat. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz im Shelbourne hat Klaus Ganleys Einsatz gegen Lissabon gelobt und ihm viel Erfolg für seine weiteren politischen Pläne gewünscht.

Ganley will mit Libertas im kommenden Frühjahr nicht nur in Irland, sondern EU-weit an den Wahlen zum Europaparlament teilnehmen und sucht zu diesem Zweck geeignete Kandidaten, finanzielle Gönner sowie Unterstützer in den Medien. Führt man sich die Liste der 96 Gäste beim Abend-Diner im Shelbourne vor Augen, sieht es aus, als komme Ganley mit seinem Projekt sehr gut voran. Man könnte sagen, das große Powwow von Klaus, Ganley und Konsorten am Stephen's Green war die inoffizielle Verwandlung Libertas' von einer irischen in eine gesamteuropäische Partei. Über den Schulterschluß Klaus' mit Ganley sind die Vertreter der großen Parteien im Dubliner Unterhaus Dáil, die unter massiven Druck der anderen EU-Regierungen stehen, das Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag wie auch immer in ein Ja zu verwandeln, mehr als sauer und werfen dem tschechischen Präsidenten Protokollbruch vor.

Zu den Teilnehmern des Essens zählten neben Ganley und seinem Ehrengast Klaus auch Viscount Philippe de Villiers, einer der prominentesten Gegner des EU-Erweiterungsvertrages in Frankreich, sowie Dariusz Sobkow, der bis vor kurzem polnische Generalkonsul bei der EU in Brüssel war. Von dem Aristokraten de Villiers, der wegen seiner Feindschaft gegenüber dem Islam berüchtigt ist, und Sobkow, der politisch den rechtsgerichteten Kaczynski-Brüdern in Polen - Präsident Lec und Ex-Premierminister Jaroslaw - nahesteht, heißt es, sie wollten im kommenden Juni bei den Wahlen zum EU-Parlament in Strasbourg als offizielle Vertreter von Libertas kandidieren. Ebenfalls beim Treffen im Shelbourne waren der unabhängige deutsche EU-Abgeordnete und frühere Journalist Hans-Peter Martin, der sich in Strasbourg als Gegner von Korruption und überbordender Bürokratie einen Namen gemacht hat, und der dänische EU-Abgeordnete Jens-Peter Bonde, Präsident der Gruppierung EU-Demokraten, der seit Jahren vor dem Entstehen eines europäischen Superstaats warnt.

Auf seiten der Medien waren Journalisten ins Shelbourne eingeladen, die Libertas gegenüber aufgeschlossen und entweder irische Bürger oder als Korrespondenten in Irland tätig sind. Hierzu gehörten der konservative Kommentator Bruce Arnold von der Zeitung Irish Independent, der ehemalige Profifußballspieler und heutige Rundfunkmoderator Eamon Dunphy sowie Richard Waghorn und Frank Fitzgibbon, die jeweils für die Irland-Ausgabe der beiden konservativen, englischen und in der Tendenz euroskeptischen Zeitungen Daily Mail und Sunday Times schreiben. Prominente Lissabon-Gegner vom linken Teil des politischen Spektrums in Irland wie Richard Boyd-Barrett von der Anti-Kriegsbewegung, Joe Higgins von der Sozialistischen Partei oder Abgeordnete von Sinn Féin, der einzigen im Dáil vertretenen Fraktion, die offen Stimmung gegen den EU-Reformvertrag gemacht hatte, waren zu dem Essen nicht eingeladen worden.

Eine der wenigen bekennenden Linken, die sich im Shelbourne einfand, war Patricia McKenna. Die einstige Abgeordnete der irischen Grünen im EU-Parlament, die seit einiger Zeit der basisdemokratischen Gruppierung People's Movement vorsteht, hat am nächsten Tag in scharfer Form die Kritik der Vertreter der großen Parteien an den tschechischen Präsidenten zurückgewiesen und sie bodenloser Heuchelei bezichtigt. Dieselben Kräfte, die sich vor der Lissabon-Abstimmung im Juni über die Besuche prominenter Befürworter der EU-Ersatzverfassung wie der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Irland sichtbar freuten, würden Klaus jetzt am liebsten den Mund verbieten.

Wie die in Belfast erscheinende, gälischsprachige Zeitung Lá Nua am 13. November berichtete, bezeichnete McKenna die Tatsache, daß das irische Außenministerium keine offizielle Pressekonferenz während des Staatsbesuchs Klaus' organisiert hatte, als ein Unding. Diese Anomalie hatte Außenminister Mícheál Martin mit Terminschwierigkeiten des tschesischen Präsidenten begründet. McKenna warf Martin vor, der irischen Bevölkerung die skeptische, aber begründete Meinung von Klaus zur Entwicklung der EU vorenthalten zu wollen. Am 1. Januar übernimmt die Tschechische Republik, wo ein Streit zwischen Präsident und Parlament Prags Ratifizierung des Lissabon-Vertrages blockiert, für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Also darf man sich bereits jetzt auf weitere irisch-tschechische Verwicklungen zum Thema Lissabon gefaßt machen.

13. November 2008