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PARTEIEN/257: Verheerende Wahlniederlage für Irlands Fianna Fáil (SB)


Verheerende Wahlniederlage für Irlands Fianna Fáil

Der neoliberale Ungeist hat Irland aber weiterhin fest im Griff


Bei der gestrigen Wahl zum irischen Unterhaus, dem Dáil, hat Fianna Fáil, die seit 1932 die Politik auf der grünen Insel dominiert und stets die größte Parlamentsfraktion gestellt hat, eine katastrophale Niederlage erlitten. Sie kam nicht unerwartet. Schließlich trägt die traditionell mit der einheimischen Bauindustrie liierte, nationalkonservative Partei, die seit 1997 zunächst mit den neoliberalen Progressive Democrats und die letzten vier Jahre mit den Grünen zusammen regiert hatte, die politische Hauptverantwortung für die Immobilienblase, deren Platzen 2008 das Land an den Rand eines Staatsbankrotts gebracht hat.

Nach der Hochrechnung, die der staatliche irische Rundfunk RTÉ um acht Uhr morgens Ortszeit veröffentlichte und der eine hohe Wahrscheinlichkeit, was das amtliche Endergebnis betrifft, nachgesagt wird, hat Fianna Fáil lediglich 15,1 Prozent der Erststimmen erhalten und fällt damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte auf den dritten Platz hinter der sozialdemokratischen Labour Party zurück, die 20,5 Prozent und damit historisch ihr bestes Ergebnis erzielte. In der Hauptstadt Dublin, wo mehr als ein Viertel der 4,5 Millionen Einwohner Irlands leben, kam Fianna Fáil auf lediglich acht Prozent. Dadurch wird die einst sicher geglaubte Wiederwahl von Finanzminister Brian Lenihan in Bezirk Dublin West und Industrieministerin Mary Hanafin im süddubliner Vorort Dún Laoghaire, die vor wenigen Wochen vergeblich gegen Mícheál Martin um den Vorsitz von Fianna Fáil nach dem Verzicht von Premierminister Brian Cowen auf diesen Posten kandidiert hatten, fraglich.

Wie die Sitzverteilung im neuen Unterhaus aussehen wird, hängt davon ab, wie die Wähler ihre Zweit-, Dritt- und weiteren Stimmen verteilt haben. Die komplizierte Auszählung nach dem System der Single Transferable Vote (STV) hat um acht Uhr morgens begonnen und dürfte bis zum Abend dauern. Fianna Fáil, die zuletzt über 71 Sitze verfügte, wird künftig nur um die 20 haben. Größte Fraktion wird die ebenfalls nationalkonservative Fine Gael sein, die nach der RTÉ-Hochrechnung mit 36,1 Prozent der Erststimmen auch ihr historisch bestes Ergebnis einfuhr. Man geht davon aus, daß Fine Gael zwar mehr als siebzig Sitze bekommen und künftig den Premierminister in Person von Enda Kenny stellen, die absolute Mehrheit von 83 aber verfehlen wird. Deshalb gehen die meisten Beobachter davon aus, daß Kenny gleich nach Bekanntgabe des offiziellen Wahlausgangs Labour-Chef Eamon Gilmore zu Gesprächen über die Bildung einer Koalitionsregierung einladen wird.

Während die Grünen, die bisher sechs Sitze hatten, mit 2,7 Prozent doch nicht so katastrophal wie erwartet abgeschnitten haben und vielleicht einige ihre Zugpferde wie Trevor Sargent in Dublin North ins neue Parlament bringen können, gehen die linksnationalistische Sinn Féin und die radikale linke United Left Alliance (ULA) gestärkt aus der Wahl hervor. Sinn Féin, die an der nordirischen Provinzregierung beteiligt ist, hat laut Hochrechnung 10,1 Prozent bekommen und ebenfalls ihr bestes Ergebnis bei einer Wahl südlich der irisch-irischen Grenze errungen. Sie wird die Zahl ihrer Sitze von bisher vier mit Sicherheit verdoppeln, wenn nicht sogar verdreifachen. Man kann davon ausgehen, daß sich der Parteivorsitzende Gerry Adams in der grenznahen Grafschaft Louth und die ehemalige EU-Abgeordnete Mary Lou McDonald in Dublin Central durchgesetzt haben. Das gleiche gilt für den EU-Abgeordneten Joe Higgins, der Vorsitzender der sozialistischen Partei ist, die Ende letzten Jahres zusammen mit der People Before Profits Alliance (PBPA) das Wahlbündnis ULA gegründet hatte.

Die endgültige Stärke von Sinn Féin und der ULA sowie die Anzahl der linken unabhängigen Kandidaten wie Catherine Connolly in Galway West, die den Sprung ins Dáil schaffen, wird davon abhängen, wie gut deren Wähler jeweils ihre Zweit-, Dritt- und weiteren Stimmen verteilt haben. Nach der RTÉ-Hochrechnung haben ULA und die zahlreichen parteilosen Kandidaten, von denen es bei dieser Wahl soviel wie noch niemals davor gab, 15,5 der Stimmen auf sich vereinigen können.

Im neuen Parlament wird eine starke linke Opposition vonnöten sein. Wie die Irish Times am 24. Februar meldete, hat Premierminister in Spe Enda Kenny ausgerechnet Pat Cox, einst Chefideologe der inzwischen untergegangenen Progressive Democrats, mit der Vorbereitung von Fine Gaels ersten 100 Tagen an der Regierung beauftragt. Als Grund für diese ungewöhnliche Personalie werden Cox' jahrelange Erfahrungen als früherer EU-Kommissar angeführt. Angeblich soll Cox, der 2009 eine führende Rolle bei der Kampagne zur Annahme des EU-Reformvertrags durch das irische Volk spielte, in Brüssel, Frankfurt und Berlin eine Linderung der Rückzahlbedingungen des Ende letzten Jahres gewährten IWF-EU-Rettungspakets in Höhe von 85 Milliarden Euro aushandeln. Zu befürchten ist, daß der umtriebige Lobbyist mit seinen Amigos auf dem europäischen Festland bereits die Privatisierung und Zerschlagung der größten irischen Staatsunternehmen ausklüngelt.

26. Februar 2011