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MEMORIAL/001: Die Niederlage des Deutschen Ordens 1410 bei Grunwald (ND)


Neues Deutschland - Sozialistische Tageszeitung - 10. Juli 2010

Die Niederlage des Deutschen Ordens 1410 bei Grunwald
Die irdische Gier der Mönchsritter

Von Gerhard Feldbauer


Am 15. Juli 1410 trafen bei Grunwald, das die Deutschen Tannenberg nannten, die Kreuzritter mit einem polnisch-litauischen Heer in einer Schlacht aufeinander, die als eine der bedeutendsten in die Geschichte des Mittelalters einging. Unter seinem Hochmeister Ullrich von Jungingen zählte das Ordensaufgebot etwa 15 000 Mann, die Streitmacht von König Jagiello II. und seinem verbündeten Heerführer, dem Großfürsten Witold von Litauen, 20 000. Die Kreuzritter waren jedoch an Kriegserfahrung überlegen und verfügten über eine große Zahl Geschütze.

Der polnische Regisseur Aleksander Ford hat in seinem Film »Die Kreuzritter« nach dem gleichnamigen Roman des Nobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz darüber ein eindrucksvolles Gemälde gestaltet. Zunächst ist das Schlachtenglück den Kreuzrittern hold. Ihre Reiterei bringt die Reihen der Litauer ins Wanken. Inmitten des polnischen Karrees berennen sie erbittert das königliche Banner. Die Deutschen stimmen schon den Siegeschoral »Christ ist erstanden« an, als Jagiello und Witold ihre Reserven heranführen. Als dann noch auf Seiten des Ordens der Bannerführer des kulmischen Adels, Nikel von Renys, mit seinem Aufgebot vom Schlachtfeld flieht, ist der Kampf entschieden. Ullrich von Jungingen und alle seine Ordensgebietiger sowie etwa 200 ihrer Ritter liegen tot auf dem Schlachtfeld. Die vornehmsten Ritter werden in Gefangenschaft geführt, um hohe Lösegelder zu fordern, 51 erbeutete Ordensbanner als Siegeszeichen in die Stanislauskapelle des Krakauer Doms gebracht.

1190 während des dritten Kreuzzuges in Palästina als Hospitalorden gegründet und ab 1198 Ritterorden, widmeten sich die Mönche mit dem schwarzen Kreuz auf weißem Mantel nur noch irdischem Machtstreben. Sie wurden zu einer der wichtigsten Stützen des Expansionsstrebens der Kurie. Im Rahmen der Christianisierung Osteuropas eroberten sie die Länder der »Heiden« und unterjochten die Bekehrten. Wer sich nicht taufen ließ, verfiel dem Schwert. Vor allem die Niederwerfung der baltischen Pruzzen wurde erbarmungslos betrieben. Binnen weniger Jahre verfügte der Orden über riesige Besitzungen in Palästina, Spanien, im ungarischen Burzenland, in Livland, Preußen und natürlich im römisch-deutschen Reich.

Im Burzenland jagte König Andreas 1225 die Ordenskrieger aus dem Lande, 17 Jahre später folgte die Niederlage auf dem Peipussee gegen ein russisches Heer unter Alexander Newski. Noch über ein Jahrhundert drang der Orden jedoch weiter nach Osten vor. 1234 hatte Gregor IX. alle eroberten Gebiete zu »Recht und Eigen des heiligen Petrus« erklärt und sie »unverbrüchlich und für ewige Zeiten unter den besonderen Schutz und Schirm des Apostolischen Stuhles gestellt«.

Die von Kaiser und Papst getragene, vom europäischen Feudaladel unterstützte Ostexpansion schuf in Preußen einen unabhängigen, nur der Kurie unterstellten Ordensstaat. Nach der Vertreibung der Kreuzfahrer aus Palästina und einer kurzen Zwischenstation in Venedig wurde die Marienburg dessen Zentrum. Mit der Einverleibung Estlands 1346 erreichte der Orden seine größte Ausdehnung. Der Orden behinderte die Entstehung eines deutschen Zentralstaates und stärkte Macht und Einfluss der Päpste, die vor allem seit dem 11. Jahrhundert gegenüber dem Kaiser die alleinige Herrschaft über Kirche und Welt beanspruchten.

Nach Grunwald begann der Niedergang des Ordens, auf den die Krise der katholischen Kirche, die Reformation und die frühbürgerlichen Revolutionen in Europa einwirkten. Er verlor alle Gebiete außer denen, die das spätere Ostpreußen bildeten. Albrecht von Brandenburg-Ansbach aus dem fränkischen Zweig der Hohenzollern, der 1511 an die Spitze des Ordensstaates trat, verwandelte ihn 1525 in das weltliche und das erbliche Herzogtum Preußen. Indem er gleichzeitig die Reformation durchführte, brach er formell mit Rom. Bei Anerkennung seiner Oberhoheit stimmte der polnische König zu.

Im Ersten Weltkrieg wollte General Ludendorff die »Schmach der Niederlage« von 1410 löschen, indem er die Kämpfe, die weit nördlicher stattfanden, als »Schlacht von Tannenberg« bezeichnete. Von Wilhelm II. stammt der chauvinistische Ausspruch, der Deutsche Orden habe ein Vorbild dafür gegeben, wie man mit den östlichen Völkern umgehen müsste. Die Nazis nutzten die mythologische Glorifizierung der Ordensexpansion für ihre Blut- und Bodenideologie.


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Quelle:
Neues Deutschland vom 10.07.2010
URL: https://www.neues-deutschland.de/artikel/174906.die-irdische-gier-der-moenchsritter.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2010