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MEMORIAL/108: Sommer 1944 - Größte Partisanenschlacht des italienischen Befreiungskrieges (Gerhard Feldbauer)


Höhepunkt heldenhafter Kämpfe

Vom 28. Juli bis 3. August 1944 fand bei Montefiorino die größte Partisanenschlacht des italienischen Befreiungskrieges statt.

von Gerhard Feldbauer, 25. Juli 2014



Vom ersten Gefecht am 8. September 1943 (dem Tag des Überfalls der Hitlerwehrmacht auf Italien) an der Porta San Paolo in Rom bis zur letzten Offensive Ende April 1944 gegen 19 deutsche Divisionen haben die italienischen Partisanen einen heldenhaften opferreichen Weg zurückgelegt und auf ihm einen historisch bedeutungsvollen Beitrag zum Sieg über den deutschen Faschismus und seine italienischen Vasallen geleistet. Auf Initiative der IKP formierte sich am 9. September ein Nationales Befreiungskomitee (Comitato di Liberazione Nationale - CLN) aller antifaschistischen Oppositionsparteien, das zum Befreiungskrieg gegen das deutsche Besatzungsregime und seine Hilfstruppen Mussolinis aufrief.

Bereits Anfang 1944 führten die Partisanen Operationen durch, gegen die die Hitlerwehrmacht 15 Divisionen einsetzen musste. Als der Befreiungskrieg Ende April/Anfang Mai 1945 zu Ende ging, zählte die Partisanenarmee 256.000 Männer und Frauen, von denen die IKP mit ihren Garibaldi-Brigaden 155.000 Mitglieder stellte. Es gab weiter 70 sozialistische Matteotti-Briagaden, 198 von der Aktionspartei formierte Giustizia e Libertà genannte und 181 vor allem der Democrazia Cristiana nahestehende Brigaden des Volkes. Von 70.930 Gefallenen waren 42.558, von 30.697 Verwundeten 18.416 Angehörige der Garibaldiner. 206.000 Partisanen zählten die meist von der IKP gebildeten örtlichen Gruppi di Azione Patriottica (GAP).


Luigi Longo und Sandro Pertini gleichberechtigte Oberbefehlshaber der Partisanenarmee

In den Befreiungskrieg brachten die italienischen Interbrigadisten ihre unschätzbaren Erfahrungen bei der Verteidigung der Spanischen Republik gegen die von Hitler und Mussolini unterstützten Franco-Faschisten ein. Luigi Longo, dem gleichberechtigt mit dem Sozialisten Sandro Pertini die Funktion des Oberbefehlshabers der Partisanenarmee übertragen wurde, war in Spanien im Range eines Divisionsgenerals Generalinspekteur aller Internationalen Brigaden gewesen. Ilio Barontini, der die ersten Partisanengruppen aufstellte, hatte an der Spitze von 38 italienischen Kommunisten 1935/36 in Äthiopien in der Armee Kaiser Haile Selassies gegen die Truppen Mussolinis gekämpft und später in Spanien die internationale Garibaldi-Brigade kommandiert.


Aufgebaut nach regulären militärischen Grundsätzen

Die Partisanenarmee war nach regulären militärischen Grundsätzen aufgebaut. Im November 1943 wurde auf Initiative der IKP ein einheitliches Generalkommando gebildet, dem alle Partisaneneinheiten unterstellt wurden. Es nahm seinen illegalen Sitz in Mailand. Das Kommando verfügte über einen Aufklärungs- und Sicherheitsdienst, eine Militärgerichtbarkeit und ein Polizeikorps. Ein "Sicherheitsbericht" des Wehrmachts-Kommandos gab 1944 an, dass im Mai des Jahres 2.035 und im Juni ungefähr 2.200 Partisanenoperationen stattfanden, dabei im Juni 17 Munitionsdepots und 24 Kasernen und Garnisonen des republikanischen Heeres (die faschistischen Hilfstruppen Mussolinis) sowie eine deutsche Kommandantur angegriffen wurden.


Der "kühne Handstreich von Belluno"

Darunter fiel am 15. Juni 1944 das als "kühner Handstreich von Belluno" in die Chronik des Befreiungskrieges eingegangene Unternehmen von elf Partisanen der Brigade "Nino Nannetti", die den Namen eines in Spanien gefallenen Divisionsgenerals der Internationalen Brigaden trug. Sieben Partisanen in deutschen Uniformen und vier in der Rolle von Gefangenen mit Handschellen begaben sich in das schwer bewachte Gefängnis der Stadt, überwältigten die Wachmannschaften und befreiten 73 politische Häftlinge. Nach 20 Minuten entkam das Kommando zu seinem Stützpunkt in den Bergen. Um die peinliche Niederlage zu verhüllen, verbreitete die Wehrmachtskommandantur, die Stadt sei von 3.000 Partisanen umzingelt worden, 600 hätten das Gefängnis überfallen. Der Handstreich fand große Zustimmung vor allem unter Jugendlichen, von denen Hunderte danach zu der Brigade in die Berge gingen.


Drei Wehrmachtsdivisionen zurückgeschlagen

Immer öfter lieferte die Partisanenarmee der Wehrmacht regelrechte Schlachten, in denen diese ganze Divisionen aufbieten musste. Die größte dieser Battaglias fand vom 28. Juli bis 3. August 1944 in der Emila Romagna im Gebiet von Montefiorino statt. Hier hatten die Partisanen um die Ortschaft auf dem strategisch wichtigen 800 Meter hohen Apeninn eine befreite Zone geschaffen, die einen Keil in die deutsche Verteidigungsstellung, die so genannte Gotenlinie, trieb. Die Besatzungstruppen suchten vergeblich, die Partisanen zu vertreiben. Das Gebiet verteidigten 8.000 Kämpfer gegen drei deutsche Divisionen, die mit schwerer Artillerie (152-mm- und 88-mm-Geschützen), Panzern und Flammenwerfern von drei Seiten aus angriffen. Nachdem die Angreifer anfänglich Geländegewinne erzielt hatten, schlugen die Partisanen sie überall zurück. Sie verloren 2.080 Kämpfer. Bei den Partisanen fielen 250, 70 wurden verwundet. Bis zum Ende des Befreiungskrieges gelang es den Besatzungstruppen nie, die freie Zone von Montefiorino zurück zu erobern.


Partisanenrepubliken und befreite Gebiete

Wie in Montefiorino bestanden seit Frühjahr 1944 in den Westalpen und den Nordapenninen zwei Partisanenrepubliken und zeitweise 15 freie Zonen, in denen die örtlichen Befreiungskomitees überwiegend mit Kommunisten und Sozialisten an der Spitze die Macht ausübten und antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen einleiteten. Auf Einwohnerversammlungen wurden kommunale Vertretungen oder zunächst auch nur ein Bürgermeister und Delegierte für die übergeordneten Organe einer befreiten Zone gewählt. Das staatliche und öffentliche Leben wurde von Faschisten gesäubert. Die CLN-Komitees setzten einen volksverbundenen Polizeiapparat und ein demokratisches Gerichtswesen ein, hielten das Gesundheitswesen aufrecht bzw. errichteten in Bergdörfern auch erstmals eine entsprechende Betreuung der Einwohner. Die neuen Machtorgane verteilten Lebensmittel, unterstützten bedürftige Familien, kontrollierten die Preise und organisierten eine gegenseitige Hilfe der Bauern bei der Ernte.


Letzte Partisanenoffensive gegen 19 Divisionen der Wehrmacht

Zur Unterstützung der Partisanen begann am 18. April 1945 mit einem Generalstreik in Norditalien der allgemeine bewaffnete Aufstand, in dessen Verlauf über 200 Städte, darunter alle Großstädte noch vor dem Eintreffen der alliierten Truppen befreit wurden. Mailand wurde nach schweren Kämpfen am 27. April eingenommen, fünf Tage vor dem Eintreffen der Alliierten am 2. Mai. Von der Schlagkraft der Partisanenarmee zeugte, dass sie zwischen Piemont und Venetien auf einer Breite von über 400 Kilometern ihre letzte Offensive gegen die Wehrmacht eröffnete. In vorderster Linie kämpften die Garibaldi-Brigaden der IKP.


140.000 Hitlersoldaten kapitulierten

In Genua ergab sich der Ortskommandant der Wehrmacht, General Meinhold, den Garibaldinern und ging mit 9.000 Mann in Gefangenschaft. Die Kapitulationsurkunde unterzeichnete als Vertreter des CLN der Arbeiter und Kommunist Remo Scappini. Am 27. April kapitulierte das X. Panzerkorps der Wehrmacht. Am 30. April nahmen Garibaldiner am Monte Grappa 33.000 deutsche Soldaten gefangen. Den Partisanen ergaben sich allein im Veneto 140.000 Soldaten der Wehrmacht.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2014