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MEMORIAL/120: 3. Februar 1930 - Vor 85 Jahren wurde die KP Vietnams gegründet (Gerhard Feldbauer)


Vor 85 Jahren wurde die KP Vietnams gegründet

Anlass, darüber nachzudenken, was man heute von ihr lernen kann

von Gerhard Feldbauer, 31. Januar 2015


Oft müssen wir uns in dieser schweren Zeit mit den Ursachen von Niederlagen im revolutionären Kampf befassen. Bei Vietnam sind wir in der komfortablen Lage, die Faktoren einer siegreichen Revolution und ihrer Verteidigung darzulegen. Die entscheidende Bedingung dafür war am 3. Februar 1930 die Gründung einer kommunistischen Partei durch Ho chi Minh, die auch 1989 und den folgenden Jahren nach der schweren Niederlage des Sozialismus in Europa und dem Verlust wichtiger Verbündeter allen Versuchen widerstand, den Weg der osteuropäischen "kommunistischen und Arbeiterparteien" zu gehen und den Pfad der Sozialdemokratie einzuschlagen. Die Partei Ho Chi Minhs und seiner Nachfolger hat sich nicht "gewendet" oder den von bürgerlichen Reformisten gepredigten "Zeitgeist" angepasst. Während in Osteuropa die KPs zerfielen, stieg die Mitgliederzahl der vietnamesischen in dieser Zeit um rund 500.000 auf 2,5 Millionen an. Der 85. Gründungstag der KPV sollte deshalb nicht schlechthin historisch gewürdigt werden, sondern Anlass sein, darüber nachzudenken, was man heute von ihr lernen kann.


Die Rolle Ho chi Minhs

Gründung und Wirken der KPV sind untrennbar mit der herausragenden Rolle Ho Chi Minhs verbunden und das über seinen Tod hinaus. Er war vor allem Leninist, aber das von echtem Schrott und Korn. Er entwickelte schöpferisch eine nationale Strategie, war ein Mann der revolutionären Praxis, der die Theorie beherrschte. Zu seinen herausragenden Fähigkeiten gehörte revolutionäre Geduld, die Kräfteverhältnisse real einzuschätzen, darunter auch die internationalen Faktoren. In den Auseinandersetzungen mit Frankreich nach der Gründung der Demokratischen Republik Vietnam 1945 ging er bis an die Grenze der Kompromissbereitschaft und was sogar bereit, die unabhängige DRV in der Französischen Union zu belassen. Als die USA 1954 die Genfer Indochina-Abkommen wie einen Fetzen Papier zerrissen, Südvietnam okkupierten und mit der Liquidierung des Sozialismus im Norden drohten, wollte eine starke Strömung in der Partei den bewaffneten Kampf im Süden sofort wieder aufnehmen, Ho chi Minh mahnte zu Geduld und zum Abwarten.


Sein erster Zirkel zählte 20 Teilnehmer

Ins internationale Rampenlicht war er bereits 1920 getreten, als er auf dem sozialistischen Parteitag in Tours als Delegierter der Emigranten der französischen Kolonien mit dem die Mehrheit stellenden linken Flügel für die Konstituierung der PCF und für ihre Aufnahme in die III. Internationale stimmte. Unter seiner Führung bewies die KPV von Anfang an, dass man die Mehrheit des Volkes in der revolutionären Aktion gewinnt und dass diese nicht erst begonnen werden kann - was heute unter Linken eine weit verbreitete Illusion ist -, wenn diese zum Kampf bereit ist. Ho Chi Minhs erster Zirkel zur Vorbereitung der Parteigründung zählte 1925 ganze 20 Genossen. Mit ihnen bildete er in Kanton mit vietnamesischen Emigranten die Liga der Revolutionären Jugend Vietnams, die zum wichtigsten Vorläufer der KPV wurde. Als Vertreter der Komintern, in der er die Südostasien-Abteilung leitete, delegierte er Mitglieder der Jugendliga zum Studium nach Moskau an die Internationale Leninschule und an die kommunistische Universität der Völker des Ostens - die Frage des bewaffneten Kampfes im Auge -, aber auch an die Militärakademie der Roten Armee, sowie an die während der Periode der Einheitsfront gemeinsam von der KP Chinas und der Guo Min Dang gebildete militärische Lehranstalt Huang Pu bei Kanton, an der sowjetische Militärs Offiziere der Volksbefreiungsarmee als auch der Truppen Tschiang kai-schecks ausbildeten. Diese Absolventen formierten später im Bauernaufstand von 1930 die Roten Garden, die die vietnamesischen Sowjets verteidigten.


"Der revolutionäre Weg"

Neben der organisatorischen Sammlung legte Ho chi Minh großen Wert auf die ideologische Seite der Parteigründung. Dazu schrieb er 1926 die Schrift "Der revolutionäre Weg", in der er in volkstümlicher verständlicher Weise die politische und sozialökonomische Situation analysierte, die Klassenkräfte einschätzte und aufzeigte, dass die Volksmassen im nationalen Befreiungskampf eine revolutionäre Partei brauchten, deren Ideologie um Erfolg zu haben wie in Russland, nur der Marxismus-Leninismus sein könne: So wie das Schiff nur fahren kann, "wenn ein sicherer Steuermann es steuert", der einen Kompass braucht. Über Auseinandersetzungen und Spaltungen - es entstanden, bedingt durch die koloniale Dreiteilung des Landes, drei regionale kommunistische Parteien - führte Ho chi Minh am 3. Februar 1930 den Zusammenschluss in einer einheitlichen Kommunistischen Partei Vietnams herbei. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Kommunistische Internationale, die im Oktober 1929 eindringlich appellierte, die Trennung zu überwinden.


Bewährungsprobe im Bauernaufstand

Bereits ein halbes Jahr später bestand die junge Partei ihre erste große Bewährungsprobe. Im Ergebnis der ungeheuren sozialen Folgen der Weltwirtschaftskrise, in der über 100.000 Menschen verhungerten, bricht in Zentralvietnam spontan ein Bauernaufstand aus. Trotzdem stellt sich die KPV an seine Spitze, schickt viele ihrer 1.828 Mitglieder an der Spitze von 500 Arbeitern zu den Aufständischen, die Sowjets bilden und 30.000 Mann Rote Garden aufstellen, die sich über ein Jahr gegen eine erdrückende Übermacht von 100.000 Mann der Kolonialtruppen verteidigen. Unter den Zehntausenden Aufständischen, die von der Kolonialsoldateska gemeuchelt werden, befindet sich ein Großteil der Parteimitglieder, fast die ganze Parteiführung mit Generalsekretär Tran Phu und dem Führer der Sowjets, ZK-Mitglied Nguyen Phong Sac. Ho chi Minh, der im Oktober in Saigon die illegale Tagung des Zentralkomitees leitete, gelang es nach China zu fliehen. Er wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt.


Basis für das Bündnis mit den Bauern

Die Lehren dieser Massenbewegung werden zu einer entscheidenden Grundlage für den Sieg des bewaffneten Aufstandes in der Augustrevolution von 1945, aus der die DRV hervorgeht. Vor allem schmieden sie das unzerstörbare Bündnis der werktätigen Bauern mit der Arbeiterklasse. Befragt, warum sich die Partei an die Spitze eines zu dieser Zeit doch aussichtslosen Kampfes stellte, sagte Ho chi Minh: Hätten wir die Bauern im Stich gelassen, hätten sie sich im weiteren Kampf niemals an unsere Seite gestellt. Ein weiterer Grundstein des erfolgreichen nationalen Befreiungskampfes, dessen Führung seit der Sowjetbewegung die Arbeiterklasse übernahm, (wozu die KP-Gründung Grundlage war) wurde am 19. Mai 1941 die Bildung einer die verschiedenen Volksschichten zusammenschließenden Liga für die Unabhängigkeit Vietnams. Die Einheitsfront ging unter dem legendären Namen Viet Minh in die Geschichte ein.

Unter dem Bruch geschlossener Verträge, welche die Unabhängigkeit der DRV anerkannten, fiel die französische Kolonialmacht 1946 erneut in Vietnam ein. Am Ende eines achtjährigen Widerstandskrieges stand der Sieg des vietnamesischen Volkes und seiner Volksarmee bei Dien Bien Phu. Während sich Paris aus Vietnam zurückzog, wollten die USA das französische Kolonialerbe antreten. Sie errichteten in Saigon ein Marionettenregime, schickten über eine halbe Million eigene Truppen, unterjochten den Süden und wollten ihre neokoloniale Herrschaft dann auf den Norden ausdehnen.


Er hinterließ eine kampfgestählte Vorhut

Als Ho Chi Minh während des erbitterten Kampf gegen die USA-Aggressoren im September 1969 starb, spekulierten seine Feinde, ohne diese Integrationsfigur könnten sie das Land nunmehr in die Knie zwingen. Es war ein Trugschluss. Ho war ein Kämpfer gewesen, der die Aufmerksamkeit der Massen nicht auf seine Person bezog, sondern auf die Partei lenkte. So hinterließ er kein Vakuum, sondern eine im Kampf gestählte Vorhut mit einem starken Führungskollektiv, das sein Werk fortsetzte und zum Sieg führte.


Die KPV steht zu Ho chi Minhs Erbe

Der 20jährige Eroberungskrieg der USA endete am 30. April 1975 mit einer vernichtenden Niederlage. Das vietnamesische Volk siegte über die stärkste Militärmacht der westlichen Welt. Die große Hilfe des damals existierenden sozialistischen Lagers, darunter modernste konventionelle Waffen aus der UdSSR und Lieferungen aus der VR China, die weltweite Solidarität der Völker und ihrer Friedenskräfte, eingeschlossen die in den USA selbst, waren entscheidende Grundlagen dieses Sieges. Aber die letztlich ausschlaggebende Bedingung, dass diese Faktoren zur Geltung kommen konnten, bildete der nicht zu brechende Widerstandswille des Volkes, der in den Traditionen nationalen und antikolonialen Widerstandes wurzelte, die zu mobilisieren eine kommunistische Partei verstand, die der legendäre Führer Ho Chi Minh gegründet hatte und die heute zu seinem Erbe steht.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2015

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