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MEMORIAL/128: Italien im Zweiten Weltkrieg (Gerhard Feldbauer)


Italien im Zweiten Weltkrieg

Mit dem Kriegseintritt am 10. Juni 1940 wollte Mussolini sich einen Anteil an der Beute sichern

Es begann der Weg in den Untergang

Von Gerhard Feldbauer - 9. Juni 2015


Den Eintritt in den Zweiten Weltkrieg an der Seite Hitlerdeutschlands gab Mussolini auf einer Massenkundgebung am 10. Juni 1940 in Rom bekannt. Vom Balkon des Palazzo Venezia, seines Regierungssitzes, brüllte er die Kriegserklärung an Großbritannien und Frankreich hinaus: "Volk Italiens! Zu den Waffen! Wir wollen die Ketten der territorialen und militärischen Ordnung, die uns in unserem Meer erwürgen, sprengen, weil ein 45-Millionen-Volk nicht wirklich frei ist, wenn es keinen freien Zugang zum Ozean hat."

Als im Mai 1939 zwischen Berlin und Rom ein "Stahlpakt" genannter "Freundschafts- und Bündnisvertrag" unterzeichnet wurde, hatte Mussolini geltend gemacht, militärische Konflikte in Europa bis 1943 unbedingt zu vermeiden, da Italien darauf nicht vorbereitet sei. Doch nun nahmen die Ereignisse einen Gang, mit denen der "Duce" nicht gerechnet hatte. Nach dem Blitzsieg gegen Polen erzielte die Wehrmacht weitere Erfolge gegen Dänemark, die Niederlande, Belgien und Norwegen. Als sie nach der Katastrophe der britisch-französischen Truppen am 4. Juni 1940 bei Dünkirchen ihre Offensive in Frankreich fortsetzte meinte Mussolini, "im September ist alles vorbei" und beschloss, in den Krieg einzutreten, um sich einen Anteil an der Beute zu sichern. Die italienischen Angriffe an der Alpenfront zeitigten jedoch kaum Erfolge. Bei den Waffenstillstandsverhandlungen mit Frankreich am 24. Juni 1940 in Rom konnte der "Duce" seine Ansprüche auf Korsika, Tunis und Djibouti nicht durchsetzen. Hitler billigte ihm nur einen kleinen Küstenstreifen an der Côte d'Azur zu. Nicht einmal Nizza wurde ihm überlassen. Ohne Anerkennung von Besitzansprüchen durfte Italien den Hafen von Djibouti benutzen.


Überfall auf Griechenland scheitert

Mit Italiens Kriegseintritt traten die bereits nach dem Machtantritt Hitlers sichtbar gewordenen Interessengegensätze offener zu Tage. Am 12./13. März 1938 hatte Mussolini die Annexion Österreichs, einer Einflusssphäre, die er als Sprungbrett auf den Balkan für sich beanspruchte, hinnehmen müssen. Obwohl als Diktator ein Jahrzehnt älter als der "Führer" musste der "Duce" sich schon bald mit der Rolle des Juniorpartners begnügen. So versuchte er als Erstes, seine Großmachtansprüche auf dem Balkan zur Geltung zu bringen. Um Deutschland dort zuvorzukommen und einen Teil der erhofften Eroberungen an sich zu reißen, fiel Mussolini von Albanien aus am 28. Oktober 1940 in Griechenland ein. Hitler war über den Angriff nicht informiert worden. Die italienische Offensive scheiterte jedoch an der unerwartet starken Abwehr der griechischen Armee, welche die Italiener in ihre Ausgangsstellungen zurückwarf. Am 9. März 1941 startete der "Duce" den zweiten Versuch, Griechenland zu erobern. Eine Woche nach ihrem Beginn, brach auch diese Offensive zusammen. Berlin war wiederum nicht informiert worden. Hitler soll, als er von dem Überfall erfuhr, "einen Tobsuchtsanfall erlitten haben".


Nur noch Hitlers Juniorpartner

Als die Griechen mit britischer Unterstützung Gegenangriffe ansetzten, wurde die Sache, wie Goebbels in seinen Tagebuchaufzeichnungen notierte, für Berlin allmählich peinlich. Da sein Achsenpartner vor aller Welt "richtiggehend verprügelt" wurde, startete die Wehrmacht im Vorfeld der Aggression gegen die UdSSR am 6. April von Bulgarien und Ungarn aus zum geplanten Überfall auf Jugoslawien und Griechenland. Das griechische Fiasko verdeutlichte, dass Mussolini seine Expansionspläne den deutschen unterordnen musste, wobei sich Hitlerdeutschland die günstige strategische Lage Italiens als Sprungbrett für seine eigenen Kriegsziele auf dem Balkan, in Nordafrika und im Nahen Osten zunutze machte.


Kapitulation in Ostafrika

Im Sommer 1940 startete Mussolini mehrere Angriffe in Nord- und Ostafrika. Im Juli in Sudan und Kenia, im August in Britisch Somaliland, das mit der Einnahme von Berbera fast vollständig erobert wurde. Im September drang Italien von Libyen aus in Ägypten bis Sidi Barrani vor. Die abenteuerlichen Vorstöße scheiterten binnen kurzer Zeit. Am 22. Januar 1941 nahm die 8. britische Armee Montgomerys Tobruk ein, am 8. Februar Mersa el Brega und Agheila. Die Briten zerschlugen zehn italienische Divisionen und machten 30.000 Gefangene. Am 18. Januar 1941 vertrieb Großbritannien die Italiener aus Äthiopien, Eritrea und Italienisch-Somaliland. Am 18. Mai 1941 kapitulierten die italienischen Truppen in Ostafrika. Es war das Ende des ostafrikanischen Kolonialreiches, von dem aus der "Duce" nach der Eroberung Äthiopiens 1936 "die Kolonialkarte Afrikas ändern und damit die Frage der Neuaufteilung der Welt praktisch stellen wollte". Die völlige Niederlage wurde in Nordafrika vorerst durch das ab 6. Februar 1941 unter Feldmarschall Erwin Rommel zu Hilfe geschickte deutsche Afrikakorps abgewendet.


In der Donezsteppe die Ostarmee verheizt

Bei der Aggression gegen die UdSSR musste Mussolini dem "Stahlpakt" nachkommen und Hilfsdienste leisten. Im Juli 1941 stellte er zunächst ein Korps von vier Divisionen zur Verfügung. Im Sommer 1942 wurde es um weitere acht Divisionen (Hitler hatte 20 gefordert) zur Armata Italiana in Russia (ARMIR) auf eine Stärke von 230.000 Mann aufgestockt, um die schweren Verluste der Wehrmacht in der Schlacht vor Moskau auszugleichen. Während der sowjetischen Gegenoffensive wurden ihre Divisionen zwischen dem 11. und 22. Dezember 1942 in die verschneite Donezsteppe getrieben, dort eingekesselt und größtenteils vernichtet. Nach Italien kehrten nur einige Tausend Soldaten zurück.

Neben der katastrophalen Niederlage wirkten fast noch mehr die Nachrichten, die vom Verhalten der Deutschen gegenüber den italienischen Soldaten nach Italien drangen. Ein Bericht des italienischen Generalstabes besagte, dass die Wehrmacht die Italiener während des schrecklichen Rückzuges in der eisigen Steppe erbarmungslos ihrem Schicksal überließ, die deutschen "Verbündeten" den "Italienern stets jegliche Hilfe versagten, sich aller verfügbaren Kraftfahrzeuge bemächtigten, unsere Verwundeten ohne Transportmittel, ohne Nahrungsmittel und ohne erforderliche Versorgung zurückließen." Als das Schicksal der ARMIR in Italien bekannt wurde, trug das im Frühsommer 1943 wesentlich zur wachsenden Antikriegsstimmung bei.

Der verlorengegangene Mythos von der "Unbesiegbarkeit" der Hitlerwehrmacht führte unter den Trägern der faschistischen Diktatur Italiens zu ersten Erkenntnissen, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Marschall Badoglio, der sich 1940 gegen den Kriegseintritt Italiens ausgesprochen hatte und nach dem Scheitern des Überfalls auf Griechenland als Generalstabschef des Heeres zurückgetreten war, traf im November 1942 in Mailand in der Wohnung des Schwerindustriellen Enrico Falck mit führenden Großindustriellen und Größen der Faschistischen Partei zusammen, um ein Ausscheiden Italiens aus der faschistischen Achse zu erörtern. Teilnehmer waren auch Vertreter der bürgerlichen Opposition, unter ihnen der spätere Ministerpräsident Alcide De Gasperi von den Christdemokraten. Danach kam es zu ersten Sondierungen mit Washington und London bezüglich eines Bruchs mit Hitler.


Rommels Niederlage in El Alamein

Die deutschen Niederlagen an der Ostfront wirkten sich auf die Lage der deutsch-italienischen Verbände in Nordafrika aus. Für sie konnten keine erforderlichen Verstärkungen herangeführt werden, da alle Kräfte gegen die Rote Armee gebraucht wurden. Im Oktober/November 1942 führte das zum Scheitern der Offensive Rommels zur Eroberung Ägyptens, die weiter in den Nahen und Mittleren Osten führen sollte. Mit der Niederlage bei El Alamein, in der Rommel über 50.000 Mann und einen Teil seiner Panzer und Geschützte verlor, trat die Wende auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz ein. Rommel zog sich mit den verbliebenen Panzer- und motorisierten Verbänden 1.200 Kilometer nach Westen zurück, während die Infanteriedivisionen meist eingeschlossen und vernichtet oder gefangen genommen wurden.

Die Eroberung von Tunis und Biserta durch deutsche Luftlandetruppen im November 1942 brachte nur vorrübergehend eine Entlastung. Am 13. Mai 1943 kapitulierte die zur Hälfte aus Deutschen und Italienern bestehende, noch 250.000 Mann zählende Heeresgruppe Afrika, von der sich Rommel rechtzeitig abgesetzt hatte.


Palastverschwörer wechseln zur Antihitlerkoalition

Mit der Landung der Alliierten am 9. Juli auf Sizilien brach die Krise des italienischen Faschismus offen aus. Die Furcht, der von Kommunisten und Sozialisten dominierte antifaschistische Widerstand könnte Mussolini in einem Volksaufstand stürzen, führte im Juli 1943 dazu, dass sich die Palastverschwörer des "Duce" entledigten. König Vittorio Emanuele III., der sich der Palastrevolte anschloss, beauftragte Badoglio mit der Bildung einer neuen Regierung, die mit den Alliierten einen Waffenstillstand schloss und mit der Kriegserklärung an Deutschland am 13. Oktober 1943 auf die Seite der Antihitlerkoalition übertrat. Der auf dem Gran Sasso gefangen gesetzte Mussolini wurde von einem SS-Kommando unter Sturmbannführer Otto Skorzeny befreit und bildete unter dem Besatzungsregime der Wehrmacht ein Marionettenregime, das bis fünf Minuten nach zwölf Hitlerdeutschland in den Untergang folgte.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2015

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