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KALENDERGESCHICHTEN/013: 01-2012   Grimbart Wohlgemut - Kleiner Dachs in großer Gefahr (SB)


Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick

Grimbart Wohlgemut - Kleiner Dachs in großer Gefahr

Grimmy war aufgewacht und blinzelte. Oh je, rund um ihn war es dunkel - so finster, dass er kaum seine Pfoten vor Augen sehen konnte. Was war bloß geschehen. Richtig unruhig und aufgewühlt fühlte er sich, grummelig und mit fadem Geschmack im Mund. Er schüttelte sich. "Ich muß jetzt unbedingt etwas trinken!" Doch in seiner Schlafhöhle war weit und breit kein Tropfen Wasser zu entdecken.

Ein Stückchen entfernt von ihm schliefen seine Mutter und seine beiden Brüder - tief und fest, wie es schien. Anfang des Winters hatte sich Familie Dachs zum Schlafen in ihren Bau zurückgezogen. Doch zuvor hatte die Mutter ihren Kleinen noch Unterricht in richtigem Verhalten während der Winterruhe erteilt. Grimmy und seine Brüder konnten sich vor Lachen kaum halten, als sie den Auftrag erhielten, so viel wie möglich zu fressen, auf dass sie kugelrund würden. Sie tollten und spielten kullern. Schmunzelnd schaute Mutter Dachs dem munteren Treiben der Kleinen zu, bis sie ihre Ermahnung laut und vernehmlich ausrief: "Kinder, ihr habt gehört, was ich euch aufgetragen habe, also ..." Sie vollendete den Satz nicht. Die drei Brüder drucksten verlegen herum, nickten aber eifrig, als sie den gestrengen Blick ihrer Mutter sahen. So oft sich die Gelegenheit bot, hatten sie sich dann auf Nahrungssuche begeben und gefressen und gefressen. Eines Tages wäre Grimmy fast nicht mehr in den Bau gelangt.

Vom Eingang her führt eine lange Röhre direkt in den Kessel des Baus. Das ist sozusagen die Wohnstube. Einen anderem Weg gibt es nicht.

Dorthin trieb es damals auch Grimmy, aber wie er es auch anstellte, sein dicker Wanst wollte einfach nicht durch die Röhre passen. Seine Brüder schoben ihn von hinten an und rieten ihm, ganz tief einzuatmen und sich zusammenzuziehen. Nach einigen vergeblichen Bemühungen und wildem Lachen, waren ihre Anstrengungen letztendlich doch noch von Erfolg gekrönt und Grimmy purzelte mit einem großen Schwung ins Wohnzimmer. Schwupsdiwupps - plumpsten auch seine Brüder hinterher - genau auf Grimmy. Der verteilte Knuffe und strampelte sich frei. Nach einer Weile beendete ihre Mutter das wilde Toben: "Kinder, ihr braucht euren Winterspeck, denn wenn es richtig kalt wird und wir draußen nichts mehr zu Essen finden können, zehren wir von dem, was wir uns angefressen haben, unserem Fett."

"Gut und schön", dachte Grimmy, als er sich daran erinnerte, "aber jetzt will ich trinken und dazu muss ich aus dem Bau heraus. Hoffentlich bleibe ich nicht wieder in der Steige stecken." Sein Hals kratzte. Behutsam tastete er sich vorwärts, bis er den Beginn der Röhre erreicht hatte. Dann setzte er einen Fuß vor den anderen und zwängte sich voran. Erfreulicherweise wurde er bereits nach wenigen Schritten nicht mehr von den Wänden der Röhre bedrängt und kam gut voran.

"Ich bin wohl doch etwas dünner geworden", überlegte er sich gerade, als er auch schon den Schnee am Eingang erblicken konnte. Jetzt hieß es total aufpassen. Grimmy versuchte sich zu erinnern, auf was er alles achten sollte. Seine Mutter hatte es ihm oft genug gesagt, aber im Zuhören war er nicht gerade einer der Besten. "Wie war das noch, erst die Nase rausstrecken und schnuppern, ob ein bedrohlicher Geruch in der Luft liegt, dann lieber wieder zurückziehen und in der Steige überlegen. Wenn ich sicher bin, dass ich nichts Schlimmes gerochen habe, wage ich mich wieder an den Eingang und schaue vorsichtig nach links und nach rechts, nach oben und unten. Ja, so ungefähr ...", murmelte Grimmy vor sich her.

Also steckte er seine Nase in die frische Luft und roch ... gar nichts. Nun, gut. Gar nichts war vielleicht nicht ganz richtig. Er roch den Schnee, die Bäume, die angefaulten Blätter unter dem Baumstamm, der den Eingang seines Baus umrahmte. Etwas Fremdes konnte er nicht unter den verschiedenen Gerüchen ausfindig machen. Er zog sich jedoch nicht wieder in die Steige zurück, sondern blickte nach oben, nach unten, nach links und dann ... Er traute seinen Augen kaum. An dem Baum, dem dicken, alten vor seinem Bau, hingen riesige Eiszapfen. Einer von ihnen schien bereits im Auftauen begriffen. Tropfen für Tropfen fielen in den weichen, feuchten Schnee.

Grimmy vergaß alle Vorsicht und stürmte auf die Eiszapfen los. In der erwartungsfreudigen Eile hatte er allerdings etwas übersehen ...



13. Januar 2012