Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → NATURKUNDE


PFLANZEN/048: Bodenkrusten - die Schwelle zum Leben ... (SB)



Manchmal sind es die ganz winzigen Lebewesen, die eine sehr bedeutende Rolle spielen. Erst seit etwa drei Jahrzehnten befassen sich Forscher intensiv mit der biologischen Bodenkruste, die in den ariden (trockenen) und semiariden (halbtrockenen) Regionen der Erde anzutreffen sind. Das können Steppen, Wüsten und Halbwüsten sein und diese müssen nicht immer heiß und trocken, sondern können auch extrem kalt sein. Die sogenannte biologische Bodenkruste bedeckt ein Neuntel (1/9) der Landflächen der Erde und siedelt sich auf Gestein, auf Eis oder auf heißem Sandboden an. Doch was sind das für Wesen, die als Bodenkruste unter solch extremen Bedingungen leben und sich vermehren, wo andere keine Chance zum Überleben haben?


Blaualgen, Cyanobakterien, Flechten, Moose und Pilze

Sie ist dünn, diese biologische Bodenkruste, nur wenige Millimeter dick. Zu ihren Bewohnern zählen Cyanobakterien, Grünalgen, Flechten, Moose und Mikropilze. Lange Zeit wurden sie übersehen, ihre Bedeutung für die Vegetation oder das Weltklima unterschätzt. Dabei spielen sie eine enorm wichtige Rolle, denn das von ihnen gebildete Mini-Ökosystem festigt nicht nur die oberen Erdschichten und bereitet sie durch ihre vielfältigen Stoffwechselprozesse für größere Pflanzen vor, düngt quasi das obere Erdreich und dient bereits kleineren Bodenorganismen als Nahrung, sie nehmen zudem auch Kohlendioxid auf und binden Stickstoff im Boden. Wie eine schützende Haut legen sich die biologischen Krustenlebensgemeinschaften über die Erde und es wird vermutet, dass sie sogar in der Lage sind, den globalen Klimawandel abzubremsen.


Auf rötlichem Sandboden ragen viele sehr kleine Gewächse nur knapp über dem Erdboden, vereinzelt sind auch etwas größere Pflanzen zu sehen - Foto: 2010, by Nihonjoe [CC BY-SA 3.0(https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Bodenkrustenlandschaft im Natural Bridges National Monument, Utha
Foto: 2010, by Nihonjoe [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons


Sie leben unter extremen Bedingungen, sind wahre
Überlebenskünstler

Den unwirtlichen Gebieten, an denen sie sich ausgebreitet haben, ist eines gemeinsam, hier fällt nur sehr wenig Niederschlag. Mancherorts regnet es nur in wenigen Monaten des Jahres und in geringen Mengen, in anderen Gebieten regnet es über lange Zeiten gar nicht und sämtliche Lebewesen, ob Pflanze oder Tier, müssen mit Taunässe oder Nebelfeuchtigkeit auskommen. Also dort, wo extreme Bedingungen herrschen, wie beispielsweise in der Namib-Wüste in Namibia, den Steppenlandschaften Australiens oder in der eisigen Arktis siedeln sie auf nacktem Felsgestein oder auf nährstoffarmen, trockenen Böden. Ihre besondere Fähigkeit auch dann noch weiterzuleben, wenn sie ausgetrocknet sind, also quasi zwischen Leben und Tod hin und her wechseln, ermöglicht es ihnen, in solchen Regionen der Erde zu existieren.

Bei Trockenheit werden sie inaktiv, zeigen keine Stoffwechselwirkung und erst bei Einsetzen von Regen oder ausreichend auftretender Feuchtigkeit erwachen sie wieder zum Leben. Blütenpflanzen könnten das nicht, wenn sie vertrocknet sind, bedeutet das auch ihr Ende. Dieser ganz speziellen Fähigkeit dieser unscheinbaren Wesen verdanken wir mehr als bisher erkannt wurde.


Diese Karte zeigt die verschiedenen trockenen Klimazonen der Erde, nördliches und südliches Afrika, Indien, Australien, Naher Osten, China, Mittelamerika und die Eiswüsten - Grafik: 2007, by LordToran [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Karte der Trockengebiete mit Wüstenklima, Savannenklima, Tundrenklima, Eisklima
Grafik: 2007, by LordToran [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons



Sie arbeiten als Bodenbereiter, Bodenbefestiger, dienen als Wasserspeicher und betreiben Photosynthese

Wissenschaftler haben berechnet, dass die winzigen Lebensgemeinschaften der biologischen Bodenkruste Stickstoff im Erdreich binden. Sie nehmen an, dass diese Winzlinge weltweit für die Hälfte der Stickstoffbindung im Boden verantwortlich sein könnten. Das ist besonders wichtig für die ohnehin nährstoffarmen Böden in den ariden Zonen. Stickstoff dient als Dünger und so können in der Folge dort beispielsweise auch Gräser wachsen. Eine wichtige Rolle spielen die Bodenkrusten bei der Bodenbefestigung. Gerade trockene Erde kann leicht fortgeweht werden, man spricht dann von Erosion. Im schlimmeren Fall können richtige Staubstürme entstehen. Aus dem Zusammenwirken der Cyanobakterien, Grünalgen, Flechten und kleinsten Pilzen werden verschiedene Mehrfachzucker (Polysaccharide) abgeschieden, die die obere Erdschicht "zusammenkleben", ihr Halt verleiht und damit einen guten Schutz gegen Bodenerosion bewirken.


Eine Gebirgslandschaft von oben betrachtet, deutlich zu erkennen der Bewuchs des Gesteins mit braun, grün, grau und gelblich schimmernden biologischen Bodenkrusten - Foto: 2009, by Svíčková [CC BY-SA 3.0(https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Cyanobakterien auf Felswand, Alpen
Foto: 2009, by Svíčková [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons


Aber sie können noch mehr. In den trockenen Regionen, den Wüsten und Halbwüsten, den Steppen, Gebirgen, Tundren und Savannen ist Niederschlag besonders selten. Da ist es nur gut, wenn das kostbare Wasser gespeichert werden kann und das vermögen die Cyanobakterien. Sie können nahezu das Zehnfache ihres Trockenvolumens speichern. Wenn diese Cyanobakterien in größeren Flächen, den "Cyanobakterienmatten", auftreten, bilden sie einen dünnen Film oder anders ausgedrückt, eine dünne Haut auf dem Boden. Dadurch werden die Poren der oberen Erdschicht verschlossen und die Versickerungsgeschwindigkeit wird verringert, die Organismen können die Feuchtigkeit länger nutzen. Das wiederum ermöglicht es ihnen, Photosynthese zu betreiben. Grundsätzlich ist Nässe für alle Lebewesen der biologischen Bodenkruste unerlässlich, um ihre Stoffwechselvorgänge zu aktivieren. In der bereits erwähnten Namib-Wüste, einer der trockensten Regionen der Welt, bedecken die biologischen Bodenkrusten mehrere tausend Quadratkilometer.

Hier untersuchten Wissenschaftler genau, wie die Krustenorganismen arbeiten. Die Namib-Wüste liegt längsseits am Atlantik. Immer wenn sich Nebel vom atlantischen Ozean her über die Wüste ausbreitet, erwachen sie und beginnen Photosynthese zu betreiben, wobei sie Sauerstoff abgeben und Kohlendioxid aufnehmen. Die Forscher schätzen aufgrund ihrer Berechnungen, dass weltweit gesehen, die biologischen Bodenkrusten in der Lage sind, so viel klimaschädliches Kohlendioxid zu binden, wie jährlich durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern (Kohle und Öl) in die Luft geblasen wird. Damit sind sie für den Kampf gegen den Klimawandel von erheblicherer Bedeutung als bisher angenommen.


Eine weite Fläche mit rötlichem Sand, auf dem sehr niedrige Pflanzen wachsen, die einen verdorrten Eindruck machen - Foto: 2005, by Marco w at English Wikipedia [Public domain], via Wikimedia Commons

Blick auf die Namib Wüste
Foto: 2005, by Marco w at English Wikipedia [Public domain], via Wikimedia Commons



Biologische Bodenkruste - kann sie helfen, unseren Planeten zu retten?

Viele Wissenschaftler sind weltweit sehr intensiv mit der Erforschung der biologischen Bodenkrusten beschäftigt, denn man verspricht sich viel von ihren Fähigkeiten. In China versucht man beispielsweise mit der Ansiedlung von Bodenkrusten die Wüstenausbreitung zu verringern. Sie sollen die Bodenschicht befestigen und so Erosion und Sandstürme verhindern helfen. In Australien arbeiten Forscher mit den Farmern zusammen. Dort bemüht man sich um den Erhalt und den Schutz der Bodenkruste. Denn sie soll die obere Erdschicht zusammenhalten, mit Stickstoff düngen und die Feuchtigkeit länger speichern, und dadurch zu vermehrtem Wachstum der Gräser führen, die von den Rindern gefressen werden, was im Interesse der Viehzüchter liegen dürfte. In den ariden Regionen dieser beiden Länder versucht man auch Cyanobakterien auszustreuen, die sozusagen als Pioniere wirken sollen, damit sich wieder biologische Bodenkrusten bilden können.

Auch in Deutschland gibt es bereits Ideen, wie man die Bodenkrustenorganismen nutzen kann. Sie könnten bei der Belebung von Böden von alten Bergbaugebieten helfen, damit sich dort wieder eine Pflanzendecke bilden kann.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.deutschlandfunk.de/bodenkruste-die-aelteste-wohngemeinschaft-der-erde.676.de.html?dram:article_id=292468

https://www.bgc-jena.mpg.de/www/index.php/PublicRelations/PReleasesSingle?jahr=2015&id=1448899366

https://www.natur-und-landschaft.de/de/news/globaler-wandel-gefaehrdet-bodenkrusten-in-trockengebieten-825


18. März 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang